12683/J XXIV. GP

Eingelangt am 01.10.2012
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Anfrage

 

der Abgeordneten Harald Walser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Verhalten der Staatsanwaltschaft Feldkirch in der „Testamentsaffäre“ am Bezirksgericht Dornbirn

BEGRÜNDUNG

 

Im Buch von Gernot Hämmerle „Falsche Erben – Testamentsfälscher bei Gericht“, erschienen im Dezember 2011 im Bucher Verlag in Hohenems/Vorarlberg , heißt es auf Seite 64:

„Ich fasse zusammen: Ein Gerichtsbediensteter (Jürgen H.) findet auf dem Dachboden seines Vaters zufällig das Testament eines sieben Jahre zuvor besitzlos verstorbenen Bekannten (H. Rhomberg). Ein Testament, das ausgerechnet seine eigene Schwester zur Erbin von allfälligem „zukünftigem“ Vermögen des Bekannten (H. Rhomberg) macht, Und siehe da: Neben dem Testament liegt auch noch ein Schenkungsvertrag, der den besitzlos Verstorbenen nach seinem Tode zu einem reichen Mann macht. Und ein anderer Gerichtsbediensteter (Edgar L.) behauptet, mit Gewissheit sagen zu können, dass eine Frau (Hering-Marsal) an einem bestimmten Tag bei Gericht in Dornbirn eine Unterschrift geleistet habe, obwohl die Frau an diesem Tag nachweislich in der Steiermark war. Obwohl nun eindeutig festgestellt werden konnte, dass der Schenkungsvertrag gefälscht sein musste, und Irene Hering-Marsal am besagten Tag diese Unterschrift nicht geleistet haben konnte, ließ die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen „mangels Beweisen“ einstellen. Richter Walter Schneider, der den Fall schriftlich angezeigt hat, erhielt von der Staatsanwaltschaft Feldkirch nie eine Antwort, was aus seiner Anzeige geworden ist bzw. warum die Ermittlungen eingestellt wurden.“

Es sind dies Episoden der so genannten Testamentsfälscher-Affäre am Bezirksgericht Dornbirn, die Ende Juli 2012 zu (noch nicht rechtskräftigen) Verurteilungen aller Angeklagten durch das Landesgericht Salzburg geführt hat. Laut verfahrensführenden Richter Andreas Posch hat  es sich bei den angeklagten Sachverhalten lediglich um „die Spitze des Eisberges“ gehandelt. Die nachstehende Anfrage verfolgt den Zweck, weitere Teile dieses Eisberges sichtbar zu machen.

Laut der Darstellung im Buch von Gernot Hämmerle wurde die erste Sachverhaltsdarstellung in der oben zitierten Sache vom Dornbirner Verlassenschaftsrichter Walter Schneider bereits am 31. Juli 2002 der Staatsanwaltschaft in Feldkirch übergeben.

Am 1. März 2003 erstatte Karin H. (die Enkelin der verstorbenen Frau Irene Hering-Marsal) ebenfalls schriftlich Anzeige bei der StA Feldkirch, in der sie insbesondere auf die offensichtlich gefälschte Unterschrift auf einem Schenkungsvertrag verweist und der Behörde anbietet, entsprechende Beweise zur Verfügung zu stellen.

Genau zehn (!) Jahre dauerte es, bis es nach der ersten Anzeige im Jahre 2002 nun am 31. Juli 2012 zur erstinstanzlichen Verurteilung der wegen dieser und ähnlicher Taten angeklagten Personen kam. Erst ab Frühjahr 2009 – sieben Jahre nach dem ersten massiven Verdachtsfall und nur, nachdem eine Richterin am BG Dornbirn mutig genug gewesen war, der Staatsanwaltschaft Feldkirch konkrete Hinweise zu liefern – hatte sich die Staatsanwaltschaft in Feldkirch veranlasst gesehen, Ermittlungen einzuleiten. Durch das mediale Echo und eine zunehmend beunruhigte Öffentlichkeit wurde verhindert, dass das Verfahren sanft entschlafen konnte. Doch dem Skandal hätte von der Staatsanwaltschaft Feldkirch bereits sieben Jahre früher ein Ende bereitet werden können. Damit wäre großer Schaden von den betroffenen Erben – und erst recht vom österreichischen Justizsystem – abgewendet worden.

Zu denken gibt auch, was der Salzburger Richter Andreas Posch bei der Urteilsverkündung am 31. Juli gesagt hat. Zitat aus „Die Presse“ vom 1.8.2012:

„Im Prozess wurden 18 Verlassenschaften und Schenkungen zwischen 2001 und 2008 aufgearbeitet. 80 Erben wurden um ein Gesamtvermögen von zehn Millionen Euro geprellt. ’Die Spitze des Eisbergs’, wie Posch sagte. Der Richter prangerte die personelle und materielle Ausstattung der Justiz an. In dem Verfahren hätten anfangs nur zwei Polizisten und ein Staatsanwalt ermittelt. ’Ich wage gar nicht zu denken, wie viele Fälle unaufgeklärt bleiben, weil es der Justiz an Personal fehlt’, so der Richter. Ausdrücklich lobte er Menschen mit Zivilcourage: Ohne die Richterin, der die Malversationen 2008 aufgefallen waren und die Anzeige erstattete, wäre der Justizskandal nicht ins Rollen gekommen.“

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Ist es richtig, dass der Verlassenschaftsrichter Walter Schneider bereits am 31. Juli 2002 in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft in Feldkirch auf Verdachtsgründe für ein „massives strafbares Verhalten“ rund um das BG Dornbirn hinwies?

2.    Welche Erhebungen wurden 2002 nach dem erstmaligen Bekanntwerden der Vorwürfe rund um das BG Dornbirn von der StA Feldkirch eingeleitet?

3.    Weshalb wurden damals die staatsanwaltschaftlichen Erhebungen, in deren Rahmen Gerichtsbedientete einvernommen wurden, eingestellt?

4.    Wurden von der Kriminalpolizei in dieser Sache Berichte an die StA Feldkirch übersandt?

5.    Wurde ein Untersuchungsrichter im Auftrag der StA in der Sache tätig?

6.    Zu welchen detaillierten Ergebnissen ist man aufgrund der durchgeführten Erhebungen bei der StA Feldkirch gelangt?

7.    Inwiefern ist der ab März 2003 bekannte Umstand, dass Frau Hering-Meisel zum Zeitpunkt der vermeintlichen Unterschriftsleistung für einen Schenkungsvertrag nachweislich gar nicht in Dornbirn anwesend gewesen war und sie diese Unterschrift deshalb gar nicht geleistet haben konnte, in die damaligen Erhebungen miteingeflossen? Inwiefern wurde der Umstand berücksichtigt, dass diese Unterschrift unter dem angeblichen Schenkungsvertrag die millimetergenaue Kopie einer Unterschrift auf einem 15 Jahre älteren Dokument war?

8.    Inwiefern ist damals die Aussage von Jürgen H., er habe den Schenkungsvertrag und auch das Testament von H. Rhomberg in einer Schachtel auf dem Dachboden seines Vaters gefunden, auf dessen Plausibilität überprüft werden?

9.    Wurde die Anzeige durch Richter Walter Schneider von der StA gem § 90 Abs 1 StPO idF BGBl. Nr. 605/1987 zurückgelegt?

10. Wenn ja, mit welcher Begründung?

11. Wenn nein, wurden die Vorerhebungen auf Veranlassung der StA vom Untersuchungsrichter gem § 90 Abs 1 StPO idF BGBl. Nr. 605/1987 eingestellt?

12. Wenn ja, mit welcher Begründung ?

13. Wenn nein, wurde von der StA ein Antrag auf Einleitung der Voruntersuchungen gestellt?

14. Wenn ja, wurden Personen in dieser Sache als Beschuldigte vernommen?

15. Wenn ja, welche?

16. Wann wurden die Vorerhebungen/Voruntersuchungen endgültig zurückgelegt/eingestellt?

17. Bestand hinsichtlich der Causa eine Berichtspflicht gem § 8 StAG idF BGBl. Nr. 164/1986 der StA Feldkirch an die OStA Innsbruck?

18. Wenn nein, warum nicht?

19. Wenn ja, wie äußerte sich die OStA Innsbruck zur beabsichtigten Zurücklegung/Einstellungen in der Sache?

20. Bestand hinsichtlich der Causa eine Berichtspflicht gem § 8 StAG idF BGBl. Nr. 164/1986 der OStA Innsbruck an das BMJ?

21. Wenn nein, warum nicht?

22. Wenn ja, wie äußerte sich das BMJ zur beabsichtigten Zurücklegung/Einstellungen in der Sache?

23. Ist es richtig, dass die Tochter der Verstorbenen Irene Hering-Marsal, Frau Karin H., am 1. März 2003 in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft in Feldkirch auf die offensichtlich gefälschte Unterschrift auf dem betreffenden Schenkungsvertrag hinwies?

24. Welche Erhebungen wurden nach dem Eingang der Anzeige von Frau H. bei der StA Feldkirch durchgeführt?

25. Wurde insbesondere Unterschriftenvergleichsmaterial der Frau Hering-Marsal beigeschafft, um die Echtheit der Unterschrift auf dem Schenkungsvertrag zu überprüfen?

26. Wenn nein, warum nicht?

27. Wurden von der Kriminalpolizei in dieser Sache Berichte an die StA Feldkirch übersandt?

28. Wurde ein Untersuchungsrichter im Auftrag der StA in der Sache tätig?

29. Zu welchen Ergebnissen ist man aufgrund der durchgeführten Erhebungen bei der StA Feldkirch gelangt?

30. Wurde die Anzeige durch Frau Karin H. von der StA gem § 90 Abs 1 StPO idF BGBl. Nr. 605/1987 zurückgelegt?

31. Wenn ja, mit welcher Begründung?

32. Wenn nein, wurden die Vorerhebungen auf Veranlassung der StA vom Untersuchungsrichter gem § 90 Abs 1 StPO idF BGBl. Nr. 605/1987 eingestellt?

33. Wenn ja, mit welcher Begründung ?

34. Wenn nein, wurde von der StA ein Antrag auf Einleitung der Voruntersuchungen gestellt?

35. Wenn ja, wurden Personen in dieser Sache als Beschuldigte vernommen?

36. Wenn ja, welche?

37. Wann wurden die Vorerhebungen/Voruntersuchungen endgültig zurückgelegt/eingestellt?

38. Bestand hinsichtlich der Causa eine Berichtspflicht gem § 8 StAG idF BGBl. Nr. 164/1986 der StA Feldkirch an die OStA Innsbruck?

39. Wenn nein, warum nicht?

40. Wenn ja, wie äußerte sich die OStA Innsbruck zur beabsichtigten Zurücklegung/Einstellungen in der Sache?

41. Bestand hinsichtlich der Causa eine Berichtspflicht gem § 8 StAG idF BGBl. Nr. 164/1986 der OStA Innsbruck an das BMJ?

42. Wenn nein, warum nicht?

43. Wenn ja, wie äußerte sich das BMJ zur beabsichtigten Zurücklegung/Einstellungen in der Sache?

44. Welche Folgerungen für die Organisation des Justizwesens und insbesondere der Staatsanwaltschaft ziehen Sie, Frau Bundesministerin, aus diesen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensvorgängen der Jahre 2002 und 2003?

45.  Sind Sie bereit, gegebenenfalls Untersuchungen zum Handeln der Staatsanwaltschaft Feldkirch in den Jahren 2002 und 2003 (ff.) zu veranlassen, falls sich ein Anfangsverdacht im Sinne des § 302 StGB (Missbrauch der Amtsgewalt), vor allem auch im Sinne der Entscheidungstexte des OGH betr. Missbrauch der Amtsgewalt durch Unterlassungen oder durch Untätigbleiben entgegen einer Amtspflicht, herausstellt?