12765/J XXIV. GP
Eingelangt am 11.10.2012
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ANFRAGE
des Abgeordneten Neubauer
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend EU-Bericht über Stresstests von Atomkraftwerken in Europa
Am 4. Oktober 2012 wurden von der Europäischen Kommission in Brüssel die Ergebnisse der AKW-Stresstests veröffentlicht. Dabei wurden sämtliche 145 Reaktoren in der Europäischen Union auf ihre Sicherheit geprüft.
Dabei wurden folgende Problempunkte ermittelt:
Erdbebengefahr: Bei der Auslegung von 54 Reaktorblöcken in der EU von den insgesamt 145 (∼37 %) wurden moderne Standards für die Erdbebenrisikoberechnung nicht berücksichtigt. Bei der Risikoberechnung sollte ein Zeitraum von 10 000 Jahren anstatt der zuweilen verwendeten deutlich kürzeren Zeiträume zugrunde gelegt werden.
Überflutungsgefahr: Bei der Auslegung von 62 Reaktoren (∼43 %) wurden moderne Standards für die Überflutungsrisikoberechnung nicht berücksichtigt. Bei der Risikoberechnung sollte ein Zeitraum von 10 000 Jahren anstatt der zuweilen verwendeten deutlich kürzeren Zeiträume zugrunde gelegt werden.
Mindestschutzgrad vor seismischen Gefahren: Bei den Erdbebengefährdungsstudien von 65 Reaktoren (∼45 %) wurde nicht der international empfohlene Mindestschutzgrad vor seismischen Gefahren zugrunde gelegt, der auch gilt, wenn das KKW der Wahrscheinlichkeit nach weniger durch Erdbeben gefährdet ist.
Die Ausrüstung zur Bekämpfung schwerer Unfälle sollte an Orten gelagert werden, die selbst bei einer weitreichenden Verwüstung unversehrt bleiben und von denen rasch auf sie zugegriffen werden kann. Dies ist bei 81 Reaktoren nicht der Fall (∼56 %).
In jedem Kernkraftwerk sollten seismische Messinstrumente vorhanden sein, um eventuelle Erdbeben zu messen und anzukündigen. Diese Instrumente sollten in 121 Reaktoren (∼83 %) installiert bzw. nachgerüstet werden.
Bei einem Ausfall der Notstromversorgung (Station Blackout) sollte das KKW in der Lage sein, mehr als 1 Stunde ohne Eingreifen standzuhalten, bevor die Sicherheitsfunktionen wiederhergestellt sein müssen, um ein Aufheizen des Reaktorkerns zu verhindern. Dies ist bei 5 Reaktoren (∼3 %) nicht der Fall.
Die Notfallverfahren sollten sich auf alle Anlagenzustände (d. h. Vollleistungsbetrieb bis hin zur Abschaltung) erstrecken. Dies ist bei 57 Reaktoren (∼39 %) nicht der Fall.
Es sollten Leitlinien für das Vorgehen bei schweren Unfällen eingeführt werden, die alle Anlagenzustände (d.h. Vollleistungsbetrieb bis hin zur Abschaltung) abdecken. Dies ist bei 79 Reaktoren (∼54 %) nicht der Fall.
Passive Maßnahmen (d.h. Maßnahmen, die nicht durch ein anderes System oder menschliches Eingreifen in Gang gesetzt werden müssen) zur Verhinderung von Wasserstoffexplosionen (oder Explosionen sonstiger brennbarer Gase) im Fall schwerer Unfälle sollten vorhanden sein. Dies ist bei 40 Reaktoren (∼28 %) nicht der Fall.
Es sollten mit Filtern ausgestattete Abluftsysteme in der Sicherheitsumschließung vorhanden sein, um bei einem Unfall den Druck im Reaktorbehälter gefahrlos ablassen zu können. 32 Reaktoren (∼22 %) haben diese Systeme noch nicht.
Für den Fall, dass der Hauptkontrollraum infolge radiologischer Freisetzungen bei einem schweren Unfall, bei einem Brand im Hauptkontrollraum oder aufgrund einer Beschädigung durch extreme Einwirkungen von außen nicht mehr betreten werden kann, sollte ein Ersatzkontrollraum vorhanden sein. Solche Räume gibt es für 24 Reaktoren (~17 %) nicht.
Bei näherer Betrachtung lässt sich leicht erkennen, dass es Reaktoren gibt, die mehr als einen schwerwiegenden Mangel aufweisen.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft folgende
Anfrage
1. Wie sind aus der Sicht des Bundesministeriums die aktuellen Stresstest-Ergebnisse der EU zu werten?
2. Sehen Sie angesichts dieser Ergebnisse einen Handlungsbedarf Ihrerseits?
a. Wenn ja, welche Initiativen werden Sie setzen?
b. Wenn, nein, warum nicht?
3. Werden Sie zur Bewertung dieser Ergebnisse unabhängige Experten heranziehen, um diese Ergebnisse zu analysieren?
4. In Ihrer Anfragebeantwortung 10525/AB vom 20. April 2012 teilen Sie auf dementsprechende Anfrage mit, dass eine detaillierte Bewertung der Stresstests grenznaher Atomkraftwerke verfrüht wäre. Können Sie uns zum jetzigen Zeitpunkt mitteilen, wie aus der Sicht des Bundesministeriums die Stresstest-Ergebnisse der grenznahen Atomkraftwerke
a) Temelin,
b) Dukovany,
c) Krsko und
d) Mochovce
zu bewerten sind?
5. Die aktuellen Stresstestergebnisse haben die Gefährlichkeit der „Hochrisikoreaktoren“, von denen Österreich umzingelt ist, bestätigt.
a. Welche Initiativen setzen Sie gegenüber der Tschechischen Republik, um wirksam gegen die von den AKWs Temelin und Dukovany ausgehende Bedrohung vorzugehen?
b. Welche Initiativen setzen Sie gegenüber der Slowakei, um wirksam gegen die von den AKWs Bohunice und Mochovce ausgehende Bedrohung vorzugehen?
c. Welche Initiativen setzen Sie gegenüber Slowenien, um wirksam gegen die von dem AKW Krsko ausgehende Bedrohung vorzugehen?
6. Werden Sie bei der EU-Kommission für die Schließung der angeführten Atomkraftwerke eintreten?
a. Wenn nein, warum nicht?
7. Werden Sie gegen die Tschechische Republik ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten?
a. Wenn nein, warum nicht?
8. Welche Auswirkungen hat das Fehlen von Filtersystemen und Notfallplänen auf die Sicherheit eines AKW im Allgemeinen und auf die Sicherheit bei den AKWs in Temelin und Dukovany im Speziellen?
9. Welche Auswirkungen können diese Mängel auf das Bundesgebiet der Republik Österreich bedeuten?
10. Der Finanzvorstand von CEZ, Martin Novak, behauptet in einem Pressegespräch, dass die tschechischen AKWs eine absolute CO² freie Technologie darstellen.
a. Vertritt die Bundesregierung ebenfalls diese Ansicht?
b. Würde diese Beurteilung bedeuten, dass dies in der Folge – wie bei Erneuerbaren – fixe Einspeistarife für die Atomkraft ermöglichen würde?
11. Wäre so eine Entwicklung nicht eine noch stärkere Verlagerung von Marktrisiken von den Unternehmen auf den Staat?
12. Werden Sie für eine baldige Strom-Kennzeichnung in Europa eintreten?
13. Was bedeutet es für Österreich im Rahmen der Sicherheit eines AKWs, wenn Vorkehrungen, um Wasserstoffexplosionen automatisch zu verhindern, fehlen?
14. Welches Ergebnis zeitigte das jüngst abgehaltene tschechische UVP-Verfahren zum Ausbau von Temelin?
15. Welche Stellungnahme hat die Bundesregierung zum UVP-Verfahren in
a. Temelin
b. Mochovce
c. Krsko
abgegeben?