13031/J XXIV. GP
Eingelangt am 14.11.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Stefan Prähauser und
Genossen und Genossinnen
An den Bundesminister für Gesundheit
betreffend Tamiflu und Oseltamivir
In den Jahren 2005 und 2006 wurden von der damaligen Gesundheitsministerin Rauch-Kallat große Mengen von Tamiflu sowie vom reinen Wirkstoff (Oseltamivir) auf Vorrat angekauft. Diese wurden dann in zivilen und militärischen Lagern untergebracht. Da der von der damaligen Ministerin gemachte Vertrag mit der Firma Roche die Verwendung des Medikaments lediglich im Falle einer Pandemie gestattet, ist noch ein Großteil des damals angelegten Bestandes vorrätig.
Bereits im Jänner 2006 beschäftigte die Frage, was mit den angelegten Tamiflu-Vorräten zu geschehen habe, falls die befürchtete Pandemie nicht komme, die Politik. So nannte laut einem Artikel der Wiener Zeitung vom 18.01.2006
(http://ww.wienerzeitung.at/nachrichten/archiv/123344_Ueberfluessiges-Tamiflu.html) damals der Oberösterreichische Landeshauptmann den Vertrag mit der Herstellerfirma Hoffmann La Roche als „Knebelungsvertrag“. Im selben Artikel hieß es auch, dass der Liefervertrag mit Hoffmann La Roche vom Gesundheitsministerium ausgehandelt worden sei, wobei − laut dem Büro der damaligen Gesundheitsministerin − der „Verhandlungsprozess mit Roche... noch nicht abgeschlossen“ sei.
Zudem sei die Diskussion über eine alternative Weiterverwendung derzeit kein Thema, weil erst jetzt die ersten Lieferungen einträfen. Der Artikel schloss mit dem Satz: „Details zum Vertrag mit der Lieferfirma nannte er (Anm.: gemeint ist damit der damalige Rauch-Kallat-Sprecher Christoph Hörhan) aber nicht.“
Ursprünglich war offenbar Tamiflu nur eines von mehreren möglichen Medikamenten, das von Rauch-Kallat für die Bekämpfung einer Vogelgrippe-Pandemie ins Auge gefasst wurde. (Siehe dazu: Vogelgrippe: Regierung bleibt gelassen
http://sciencev1.orf.at/sciencev1.orf.at/science/news/141326.html vom 11.10.05)
In der Internetausgabe vom 14.10.2005 der Tageszeitung „Die Presse“ wird die Gesundheitsministerin zitierend gemeint, dass man bei den Verhandlungen mit den Pharmafirmen im Plan sei. (Vgl. dazu: http://diepresse.com/home/panorama/welt/123645/Rauch_Kallat Kein-akuter-Handlun...) Und das, obwohl „Die Presse“ bereits am 07.09.2005 berichtete, dass − laut dem Geschäftsführer von Roche Austria Martin Hangarter − „13 der 15 ,alten‘ EU-Staaten das Anti-Grippe-Mittel ,Tamiflu‘ bereits bestellt haben.“ (http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/135790/Kauf-von-VorsorgeMedikame)
Allerdings gab es zu dem Zeitpunkt, als Österreich noch mit den Pharmafirmen verhandelte, laut www.news.at vom 12.10.2005 eine interessante Wortmeldung vom Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Reinhard Kurth, der vor Panik wegen der Vogelgrippe warnte, was im Artikel wie folgt wiedergegeben wurde: „Zwar steige die Gefahr, dass das Virus H5N1 zu einem für den Menschen gefährlicheren Virus mutiere, je weiter es sich ausbreite. Aber derzeit handle es sich noch um eine Tierkrankheit. ... Falls sich das Virus so verändere, dass die Krankheit von Mensch zu Mensch übertragen werden könne, werde man für die erste Pandemiewelle keinen Impfstoff haben. Man müsse aber alles tun, um auf die zweite und dritte Welle vorbereitet zu sein. Kurth riet in diesem Zusammenhang auch dazu, vorbeugend weltweit zu einem Impfen von Geflügel überzugehen.“ (Vgl. dazu: http://www.news.at/articles/0541/17/123536/vogelgrippe-europa-ministerin-rauch-kallat)
Gemäß dieser Einschätzung der Situation durch den Präsidenten des Robert-Koch-Instituts wäre es daher für das österreichische Gesundheitsministerium möglicherweise dann gar nicht mehr angezeigt gewesen, überhaupt einen Vertrag mit Roche über die Lieferung von Tamiflu unter den gewählten Bedingungen abzuschließen. Dennoch erfolgte dann ein Vertragsabschluss und der Pharmakonzern Roche verdiente in der Folge mit Österreich Millionen. Insgesamt war die Vogelgrippe für Roche ein Milliardengeschäft. Schenkt man einem Artikel auf ZEIT ONLINE vom 25.01.2012 (http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2012-01/tamiflu-cochrane-wirksamkeit) glauben, so stützte sich die positive Bewertung von Tamiflu damals vor allem auf die Auswertung einer Analyse bei der vier der sechs Autoren zum Zeitpunkt der Studie bei Roche angestellt waren und einer von ihnen als Berater von dem Pharmakonzern bezahlt wurde. Zudem wurden acht von zehn Tamiflu-Studien von Roche − trotz Aufforderungen − niemals öffentlich zugänglich gemacht.
Für die unterfertigten Abgeordneten ergibt sich aus dem oben Dargestellten folgende
Anfrage:
1. Wie viele Packungen Tamiflu sind in österreichischen Lagern noch vorrätig?
2. Wie viele davon sind in zivilen u. wie viele in militärischen Lagern untergebracht?
3. Wie hoch sind die monatlich anfallenden Lagerungskosten?
4. Bei wie vielen Packungen ist das Ablaufdatum bereits überschritten?
5. Was geschieht mit den abgelaufenen Packungen?
6. Wie viel reiner Wirkstoff Oseltamivir ist in österreichischen Lagern noch vorrätig?
7. Wie viel davon ist in zivilen u. wie viel in militärischen Lagern untergebracht?
8. Wie hoch sind die monatlich anfallenden Lagerungskosten?
9. Bei welcher Menge des Wirkstoffes Oseltamivir ist das Ablaufdatum bereits überschritten?
10. Was geschieht mit der abgelaufenen Menge?
11. Kann definitiv ausgeschlossen werden, dass es seinerzeit im Zuge des Abschlusses des Vertrages mit der Firma Roche zu irgendwelchen Provisionszahlungen, Beraterhonoraren, Vermittlungsgebühren etc. an wen auch immer gekommen ist?
12. Wer konkret hat für das Ministerium und wer für den Pharmakonzern Roche verhandelt?
13. Wer genau beriet im Herbst 2005 die damalige Gesundheitsministerin in der Frage des Ankaufs von Tamiflu und Oseltamivir?
14. Wann genau wurde der Vertrag unterzeichnet?
15. Entspricht es der gängigen Praxis, dass mit Arzneimittelherstellern Verträge gemacht werden, bei denen exakt festgelegt wird, dass das entsprechende Medikament ausschließlich im Pandemiefall verwendet werden darf? (Falls nein: Besteht die Möglichkeit, den seinerzeit geschlossenen Vertrag mit der Firma Roche dahingehend zu ändern, dass das Medikament nicht nur im Pandemiefall verwendet werden darf?)
16. Die Einschränkung, das Medikament nur im Pandemiefall verwenden zu dürfen, wurde offenbar deshalb getroffen, um das Medikament günstiger ankaufen zu können. Wäre das Medikament „regulär“ gekauft nicht billiger gekommen, wenn man die bisher angefallenen Lagerungskosten in die Berechnungen einbezieht? (Wenn ja, um wie viel?)
17. Mit welchen anderen Pharmakonzernen hat das Gesundheitsministerium im Herbst 2005 neben Roche noch verhandelt und welche Angebote lagen insgesamt damals von den Pharmafirmen vor?
18. Hat die Republik Österreich im Vergleich zu den übrigen europäischen Ländern günstig oder teuer eingekauft?
19. Gibt es Aufzeichnungen darüber, warum das österreichische Gesundheitsministerium nicht gleich Tamiflu orderte, sondern zuwartete, dann aber bestellte, obwohl vom Robert-Koch-Institut inzwischen die Einschätzung vorlag, dass man keinen Impfstoff für die erste Pandemiewelle haben werde, falls sich das Virus so verändere, dass die Krankheit von Mensch zu Mensch übertragen werden könne?
20. Ermöglichen die im ZEIT ONLINE Artikel vom 25.01.2012 dargestellten Fakten den mit der Firma Roche abgeschlossenen Vertrag nachträglich zu verändern, denn laut Artikel stammt die positive Bewertung von Tamiflu auf geschönten Ergebnissen, zurückgehaltenen Studien sowie von Roche abhängigen Autoren?