13101/J XXIV. GP
Eingelangt am 16.11.2012
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein
und weiterer Abgeordneter
an den Bundminister für Gesundheit
betreffend Wechselwirkungen zwischen ELGA (Elektronische Gesundheitsakte) und der geplanten EU-Datenschutzverordnung
Als großartiger Fortschritt und eine für die Patientenrechte nahezu notwendige „Errungenschaft“ wird sowohl von Ihnen, aber auch von Ihrem Ressort, den Mitarbeitern der ELGA GmbH und anderen die Einführung des ELGA-Gesetzes gefeiert. Wörtlich haben Sie im Gesundheitsausschuss am 23. Oktober 2012 davon gesprochen, dass es zu einer „Stärkung der Patienten“ kommen würde. Diese Aussage impliziert, dass Patienten derzeit „schwach“ wären!!
Schon alleine die schwachen Argumente zeigen, dass die Einführung von ELGA offensichtlich ganz andere Gründe hat. Die Patientenrechte und die Geschichte mit der besseren Behandlung sind ebenso vorgeschoben wie das Argument der Kosten!
Wirklich beunruhigend ist aber der mangelnde bis fehlende Datenschutz, denn die sensiblen Patientendaten werden in unverschlüsselter Form gespeichert.
Dazu kommt, dass die Patienten keine wirkliche Wahlentscheidung treffen können. Sich gegen die Teilnahme an ELGA zu entscheiden, bedeutet, dass man zu einer der neun geplanten Ombudsstellen gehen muss, um seine „Nichtteilnahme“ bekannt zu geben, alternativ kann dies über die „Bürgerkarte“ passieren, die gerade einmal ein Prozent der Österreicher aktiviert hat. Diesen Aufwand haben alle Patienten, die beispielsweise eine „zweite“ Meinung einholen wollen, ebenso wie Personen, die an ELGA prinzipiell nicht teilnehmen möchten. Trotz Opt-Outs werden aber die Daten gespeichert.
Zusätzlich geben namhafte Experten folgende Warnung mit auf den Weg: „… ausreichende Anonymisierung von persönlichen Gesundheitsdaten ist teuer und funktioniert nicht wirklich…“
Die Variante eines Opt-In gäbe den Menschen in Österreich eine faire Chance, Nutzen und Risiken von ELGA individuell abzuwägen! In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die niederländischen „Elektronischen Patientendossiers“ (EPD) 2011 unter anderem wegen „problematischem Opt-Out“ vom Oberhaus, dem Senat, verworfen wurden. Nun werden die EPD in geänderter Form kommen, mit einem Opt-In. Die Elektronische Gesundheitsakte in Österreich ist konzeptuell ähnlich. Die Wahlmöglichkeit des Opt-In für eine echte Kontrolle der Patienten über ihre Daten ist nicht verwirklicht.
Der international anerkannte Professor für Computersicherheit Ross Anderson, der die „British Medical Association“ seit 1995 berät, warnte zudem kürzlich vor einer Gefährdung durch die kommende Datenschutzverordnung der EU. Diese soll 2014 die EU-Datenschutzrichtlinie von 1995 und die nationalen Datenschutzgesetze, auch das österreichische, ablösen. Dadurch würde ein Schlupfloch geöffnet, das es ermöglicht, medizinische Daten ohne Wissen und Einwilligung der Patienten in der Forschung zu verwenden, bis hin zur Marktforschung. Einfluss sei von Großbritannien aus genommen worden, wo „Life Science“-Unternehmen als Zukunftsindustrie gelten und die 60 Mio. elektronischen Patientenakten des NHS (National Health Service) bereits jetzt als eine einzige große Forschungsdatenbank bestünden.
Die Folgen des Zusammenwirkens der geplanten EU-Datenschutzverordnung in Österreich mit ELGA sind unabsehbar. Es ist vorstellbar, dass Daten aus ELGA ab 2014 ohne Patienteneinwilligung für Forschungszwecke bis hin zur Marktforschung freigegeben werden müssen! Geeignete Suchanfragen machen es leicht möglich, Daten, die nach 2014 wegen der EU-Verordnung legal aus ELGA extrahiert werden könnten, von Patienten zu identifizieren und weiter zu verkaufen oder zu veröffentlichen!
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Gesundheit folgende
Anfrage:
1. Sehen Sie die geplante Datenschutzverordnung der EU mit ELGA kompatibel?
2. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die geplante Datenschutzverordnung der EU in der geplanten Form zu verhindern?
3. Sollten Sie keine Maßnahmen planen, warum nicht?
4. Welche Folgen hätte das Inkrafttreten der neuen EU-Datenschutzverordnung in der geplanten Fassung für die Patientendaten der Österreicher?
5. Welcher Personenkreis hat in den anderen EU-Mitgliedstaaten jeweils Zugriff auf die Gesundheitsdaten? (aufgeschlüsselt nach Staaten)
6. Wurde das beschlossene System von kompetenten, unabhängigen Fachexperten kritisch und auf mögliche Mängel geprüft?
7. Wenn ja, von welchen Fachexperten wurden die Kontrollen durchgeführt?
8. Wenn ja, welche Mängel wurden festgestellt?
9. Wenn nein, warum keine Kontrollen von Fachexperten durchgeführt?
10. Wie soll die Ausweitung des Gebrauchs von Daten aus ELGA für nichtmedizinische Zwecke im Laufe der nächsten Jahre verhindert werden?
11. Obwohl Sie von der Qualität und den Vorteilen für die Patienten überzeugt scheinen, zweifeln Sie daran, dass auch die Patienten dies erkennen, oder welche anderen Gründe haben Sie, Opt-In, im Sinne einer echten und fairen Wahlmöglichkeit der Patienten, zuzulassen?