13480/J XXIV. GP

Eingelangt am 21.12.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Jarolim, Genossinnen und Genossen, an die Bundesministerin für Inneres betreffend die

menschenverachtenden Aussagen und Schikanen des Leiters der Erstaufnahmesteile       Ost, "Traiskirchen", Franz Schabhüttl

Am 29.11.2012 war eine Gruppe von Mitgliedern der FPÖ Spitze zu Besuch im Erstaufnahmezentrum Ost, dem Flüchtlingslager Traiskirchen. Im Rahmen des Besuches wurde auch der Leiter der Anstalt, Franz Schabhüttl, interviewt. Das live Statement des Leiters wurde folgendermaßen wiedergegeben:

"Mit den Verantwortlichen hingegen, finden sachliche Gespräche über die Lage im Flüchtlingslager statt. Auch dessen Leiter, Franz Schabhüttl, kennt die Wurzel des Problems: "Es sind die Schlepper, die Asylwerber nach Österreich zuliefern. Es gibt keinen Asylwerber, der von sich aus hierher kommt. Einerseits, weil Asylwerber die Möglichkeit gar nicht haben, auf der anderen Seite, und das ist das Schlimmere, weil die Asylschiene ein engmaschiges Netz durch die Schlepper hat, durch die Schleppermafia hat." (vgl. http://www.youtube.com/user/FPOETVonline, letzter Zugriff am 6.12.2012).

Die Traiskirchner Kinderfreunde fordern die Absetzung Schabhüttls, da er nebst dieser menschenverachtenden Aussagen auch für die Leitung des Lagers ungeeignet scheint. Es gibt Beschwerden, dass es den Flüchtlingen an ausreichend warmer Kleidung mangelt, wohingegen der Leiter der Betreuungsstelle Ost gegenüber der Kronen Zeitung betonte:

"Jeder Flüchtling wird bei uns mit Winterbekleidung und Schuhen ausgestattet". (Der Tag nach dem Ultimatum in: Kronen Zeitung, 2.12.2012, S. 8f)

Der Bürgermeister der Stadt Traiskirchen, Fritz Knotzer, berichtet in diesem Zusammenhang ebenfalls von Schwierigkeiten mit dem Leiter der Erstaufnahmesteile Ost, der immer wieder die Verantwortung für die Versorgung der Asylwerber abschiebt. Schabhüttl setzt dem Vernehmen nach auch widersinnige und boshafte Handlungen gegenüber seinen Schutzbefohlenen setzt. Seit der Privatisierung der Versorgung mit Kleidern und Nahrung, für die seit 2012 die ORS Service GmbH zuständig ist, schiebt Franz Schabhüttl die Verantwortung dafür komplett ab und verletzt seine Kontrollpflicht als Leiter der Erstaufnahmesteile. Niemand scheint sich verantwortlich zu fühlen, die rasche Versorgung sicher zu stellen, sodass die Menschen im Winter zum Teil tagelang warten müssen, bis sie Schuhe bekommen und der Bürgermeister der Stadt Traiskirchen im Rathaus Schuhsammlungen organisiert, um rasch zu helfen.

Als Flüchtlinge aus Traiskirchen am 24.11.2012 zu Fuß nach Wien marschieren wollten, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen, setzte Franz Schabhüttl eine Standeskontrolle um 8:30 Uhr an. Wer nicht bei der Standeskontrolle anwesend ist, wird bekanntlich aus der Bundesbetreuung ausgewiesen. Die Demonstration war bereits für 7 Uhr morgens angesagt, Schabhüttl wollte die Protestierenden wohl in die Knie zwingen.

Die Wegweisung unbegleiteter Minderjähriger aus der Erstaufnahmesteile durch die Polizei, die vermutlich von Franz Schabhüttl laufend über angebliche Delikte im “Lager” informiert wird, führt dazu, dass diese Menschen im Winter auf der Straße stehen. Dass sie ohne entsprechendes Ersatzquartier entweder kriminell werden müssen, um zu überleben oder zu drastischen Schritten wie Selbstmordversuchen greifen, ist eine tragische Folge. Franz Schabhüttl hat solche Verzweiflungstaten medial als “Modeerscheinung” und “Erpressungsversuche” bezeichnet und den Asylwerbern unterstellt, dass sie Traumata vortäuschen:

"Das war eine Zeitlang eine Modeerscheinung, dass sich einige mit dem Bic-Rasierer ein bissl aufgeschnitten haben, aber ja nicht zu tief." (zitiert in: Akinyosoye, Clara und Kerstin Kellermann: Asylwerber-Suizidversuche: Alles Täuschung? In: Die Presse, 26.1.2010)

Eine ähnlich menschenverachtende Rhetorik zeigt sich auch im Zusammenhang mit dem Diskurs um die steigende Anzahl unbegleiteter Minderjähriger, die aus ihren Heimatländern flüchten.

Bis zum 1.3.2012 gab es in Österreich laut der Asylstatistik des BMI (http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Asylwesen/statistik/files/2011/Asylstatistik_2011.pdf, letzter Zugriff 6.12.2012) über 1000 Asylanträge unbegleiteter Minderjähriger, medial und von Politikerinnen und Politikern oft abfällig als "Ankerkinder" bezeichnet. Frau Bundesministerin Mikl-Leitner hat in diesem Zusammenhang bereits im Januar 2012 als einzige Quelle Franz Schabhüttl zitiert, um diese Gruppe an Asylwerbern als Gefahr darzustellen, da sie womöglich ihre Familien nachholen könnten (vgl. Siebenhofer, Andrea und Gerd Valchars: "Ankerkinder" sind die neuen "Scheinasylanten": Wie uns das Innenministerium auf die Verschärfung im Asylrecht vorbereitet und wie Medien dabei mitmachen. In: Die Presse, 16.01.2012) Dabei erwähnte sie nicht, dass es in diesem Zusammenhang nur eine ganz geringe Anzahl von Familienzusammenführung (unter 20) im gleichen Zeitraum gegeben hat. Es ist festzuhalten, dass die Zahl minderjähriger Asylwerber besorgniserregend ist, nicht die Zusammenführung von Familien aufgrund derartiger Asylanträge.

 

Die Unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Inneres folgende

Anfrage

1.          Wie haben Sie im Rahmen der Weisungskette auf die Aussagen von Herrn Schabhüttl im oben zitierten Interview reagiert, die einen eklatanten Mangel an Verständnis für das Wesen eines "Flüchtlings" zeigt, wie er in der von Österreich ratifizierten Genfer Flüchtlingskonvention definiert wird?

2.          Welche Schritte unternehmen Sie, um sicherzustellen, dass alle Asylwerber in der Erstaufnahmestelle Ost mit ausreichend warmer Kleidung und Verpflegung ausgestattet sind? Wie wollen Sie künftig verhindern, dass es durch die Beschäftigung der ORS Service GmbH zu Engpässen in der Grundversorgung der Asylwerberinnen und Asylwerber kommt? Welche Maßnahmen haben Sie bezüglich der bereits aufgetretenen Mängel in der Versorgung mit lebenswichtiger Kleidung und Verpflegung gesetzt? Welche Konsequenzen haben die Verantwortlichen zu tragen?

3.          Welche Quellen ziehen Sie heran, um sich über die Situation von Flüchtlingen, insbesondere auch der - von Ihnen mehrfach medial als Bedrohung beschriebenen - steigenden Zahl an unbegleiteten Minderjährigen, zu informieren? Welches Gewicht messen Sie dabei den Aussagen des Herrn Schabhüttl zu? Sind die Einschätzungen von Herrn Schabhüttl in schriftlicher Form verfügbar? Wenn ja, in welcher? Wenn nein, warum nicht?

4.           Haben Sie jemals den Ausdruck "Ankerkinder" selbst verwendet? Wenn ja: wann und in welchem Zusammenhang? Warum haben Sie sich dieses Begriffes bedient und die Betroffenen nicht schlicht als "unbegleitete Minderjährige" bezeichnet? Welche Schritte haben Sie seit derartigen Aussagen unternommen, um einen konstruktiven Ton in der Asylpolitik anzuschlagen?


5.           Wie stellen Sie sicher, dass unbegleitete Minderjährige die benötigte Betreuung und Bildung erhalten, die Ihnen vom österreichischen Staat zur Verfügung gestellt werden muss und dass es zu keinen weiteren Verletzungen des Artikel 22 Z 1 Genfer Flüchtlingskonvention kommt?

6.              Welche Schritte unternehmen Sie, um den politischen Diskurs zum Fluchtasyl und dessen unzulässige Verknüpfung mit Kriminalität auf ein - für eine mit den humanistischen Werten verbundene Gesellschaft - würdiges Niveau zu bringen?

7.          Wie stellen Sie künftig sicher, dass Flüchtlinge, die aus der Erstaufnahmestelle Ost weggewiesen werden auch ein Ersatzquartier erhalten?

8.          Wann setzen Sie einen neuen Leiter in der Erstaufnahmestelle Ost ein? Gibt es für ihre/ seine Funktion ein Qualifikationsprofil? Sehen Sie bei der Nachbesetzung dieser Leitungsfunktion eine Überprüfung der Rechtskenntnisse der Bewerberinnen und Bewerber im Bereich völkerrechtlicher Verträge vor?