13496/J XXIV. GP

Eingelangt am 07.01.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde an den/die Bundesministerin für Justiz

betreffend Einstellung des Strafverfahrens gegen Gerald Matt

BEGRÜNDUNG

 

Die zuständige Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen Gerald Matt u.a. im Zusammenhang mit diversen Vorwürfen wegen § 308 StGB (verbotenen Interventionen bei der versuchten Verschaffung von Staatsbürgerschaften für potentielle Investoren) sowie wegen § 153 StGB (Untreue hinsichtlich der Nutzung von Mitteln der Kunsthalle für private Zwecke) eingestellt.

Aus dem Vorhabensbericht zu dieser Einstellung vom 16.07.2012 ergeben sich einige Fragen hinsichtlich der Vollständigkeit der durchgeführten Ermittlungen.

Zum Vorwurf der versuchten Verschaffung von Staatsbürgerschaften

Auffällig ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass der Mitbeschuldigte Rechtsanwalt Horst Lumper, der eine zentrale Rolle bei diesen Vorfällen gespielt hat, und der – wie die Untersuchungen des Untersuchungsausschusses zur Klärung von Korruptionsvorwürfen gezeigt haben – zeitgleich nach demselben Geschäftsmodell auch weitere Investoren an die Albertina Wien vermitteln wollte, weder von der Kriminalpolizei noch von der Staatsanwaltschaft persönlich einvernommen wurde. Stattdessen begnügte man sich mit einer schriftlichen Stellungnahme.

Es ist aus anderen Verfahren bekannt, dass eine schriftliche Stellungnahme, bei der in aller Ruhe ein Standpunkt entwickelt und mit anderen Mitbeschuldigten abgestimmt werden kann, bei weitem nicht im selben Ausmaß zur Aufklärung eines Sachverhaltes beitragen kann, wie eine persönliche Einvernahme.

Die zuständige Staatsanwaltschaft folgte in ihrem Vorhabensbericht auch einer von dem Beschuldigten Matt vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme von Peter Lewisch hinsichtlich einer rechtlichen Interpretation des § 308 StGB, die durchaus fragwürdig erscheint. Demnach könne die in Aussicht genommene Förderung der Kunsthalle die Staatsbürgerschaftswerber nicht zugleich ein verbotener „Vorteil“ iSd § 308 StGB sein. Lewisch begründet diese Rechtsauffassung juristisch durchaus kreativ mit einer teleologischen Reduktion des Tatbestandes, da finanzielle Fördermaßnahmen als Grundlage für eine Staatsbürgerschaftsverleihung durch die Rechtsordnung erwünscht seien und daher keinen unerlaubten Vorteil bilden könnten. Der Vorhabensbericht schließt sich dem ohne nähere Begründung an.

Schon der Rückgriff auf die „teleologische Reduktion“ als letzten juristischen Rettungsanker zeigt, dass diese Begründung nicht auf dem Wortlaut des Gesetzes fußt. Darüber hinaus wird hier das gewünschte Endergebnis des Interpretationsvorganges zu seinem Ausgangspunkt gemacht: wenn die Verleihung der Staatsbürgerschaft aufgrund der finanziellen Beiträge tatsächlich von der Rechtsordnung gewünscht wäre, dann stellte sich nicht das Problem der verbotenen Intervention. Untersucht wurde jedoch gerade der Vorwurf, dass der Beschuldigte versucht haben soll, die Bundesregierung durch persönliche Interventionen zu einer pflichtwidrigen Verleihung zu bringen. In dieser Verdachtslage die Gewährung finanzieller Vorteile als von der Rechtsordnung erwünscht einzustufen führt aber letztlich zum zwangsläufigen Scheitern der Ermittlungen.

Dass die Stellungnahme Lewisch auch in anderen Punkten vom Sachverhalt abwich – insbesondere was den Umstand angeblich früher schon erbrachter Leistungen der Staatsbürgerschaftswerber betrifft – hat die Staatsanwaltschaft im Vorhabensbericht an anderer Stelle zutreffend vermerkt.

Hinsichtlich der Beweisführung über die stattgefundenen Interventionen fällt auf, dass deren klare Dokumentation im E-Mail-Verkehr zwischen Matt und Lumper von der Staatsanwaltschaft offenbar weniger gewichtig bewertet wurde, als die Aussagen der „in der E-Mail Korrespondenz angeführten Entscheidungsträger, mit denen Dr.  Matt Kontakt aufgenommen hatte“, welche sich in den meisten Fällen nicht oder nur schwach an derartige Gespräche erinnern konnten.

Zum Vorwurf der Nutzung von Mitteln der Kunsthalle für private Zwecke

Eine Reihe von MitarbeiterInnen hatte berichtet und auch ausgesagt, dass sie von Gerald Matt für private Projekte sowie auch für Arbeiten in seiner Wohnung herangezogen worden seien, teils in sehr großem Ausmaß.

Die Beschuldigtenseite legte hinsichtlich dieser Vorwürfe ein Rechtsgutachten der Rechtsanwaltskanzlei Dorda Brugger Jordis vor. Dieses stellte unter Hinweis auf eine Klausel im Dienstvertrag von Matt, wonach dieser bis zu 15% seiner „Gesamtarbeitszeit“ für „Nebentätigkeiten“ aufwenden dürfe, die Behauptung auf, dass daraus ein Wille der Vertragsparteien ableitbar sei, wonach in diesem Umfang auch Ressourcen der Kunsthalle für diese „Nebentätigkeiten“ herangezogen werden dürften. Die Staatsanwaltschaft bewertete diese Rechtsansicht als vertretbar, und kam daher - im Wesentlichen gestützt auf diese Auffassung - zur Einstellung des diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens, da der nach § 153 StGB geforderte „wissentliche Befugnismissbrauch“ nicht vorliege.


Wie schon im Fall der Staatsbürgerschaften ist auch diese Übernahme der vom Beschuldigten vorgelegten, sehr „kreativen“ Rechtsauslegung durch die Staatsanwaltschaft befremdlich. Es ist schon eine nach der Lebenserfahrung äußerst unübliche Vereinbarung, dass einem Dienstnehmer die Ausübung von Nebentätigkeiten – die von dritter Seite auch noch gesondert honoriert werden – innerhalb der Dienstzeit zugestanden wird. Diese ohnehin schon weitgehende und unübliche Klausel, welche zu einer doppelten Bezahlung der Arbeitszeit führen kann, dann auch noch extensiv zu interpretieren hinsichtlich der Nutzung von Ressourcen des Dienstgebers, wozu nicht nur etwa die Büroräumlichkeiten oder Computer sondern nach Auffassung des Gutachtens auch „im üblichen und erforderlichen Ausmaß“ die Heranziehung von Mitarbeitern zählt, und zwar auch solcher die „kuratorische Assistenzleistungen“ erbringen, hält einem Fremdvergleich nicht stand. Dass diese angebliche Vereinbarung durch den Vorstand (im Nachhinein) bestätigt und mitgetragen wird, ist im Lichte der gleichzeitig geführten Ermittlungen gegen diese Vorstandsmitglieder und dem Umstand des evidenten Kontrollversagens zu sehen, das auch im Bericht des Kontrollamts (veröffentlicht am 13.12.2012) zum Ausdruck kommt. Unklar bleibt auch, nach welchen Zahlen das Rechtsgutachten die angeblich für Nebentätigkeiten zugestandene Zeit von 32 – 38 Stunden pro Monat errechnet. Der Dienstvertrag bietet dafür keine Grundlage.

Besonders verstörend an dieser Konstruktion ist, dass die Mittel der Kunsthalle zu einem wesentlichen Teil aus öffentlichen Subventionen in Millionenhöhe stammen. Nicht umsonst wurde deshalb auch das Delikt des Förderungsmissbrauchs nach §153b StGB zur Anzeige gebracht. Der Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft ging auf diesen Umstand jedoch in keiner Weise ein.

Hinsichtlich der Heranziehung von MitarbeiterInnen für private „Nebentätigkeiten“ wäre auch der Frage nachzugehen gewesen, inwiefern denn diese MitarbeiterInnen ihrerseits zur Erbringung derartiger Dienstleistungen für den privaten Bereich des Gerald Matt überhaupt verpflichtet gewesen wären. Es ist kaum vorstellbar, dass deren Dienstverträge eine Pflicht zur Arbeitsleistung auch für den Privatbereich des Generalsekretärs vorsehen. Diese Abklärung wäre ein Ansatz gewesen, um das Zutreffen der von Beschuldigtenseite vertretenen extensiven Vertragsinterpretation zu überprüfen. Die Staatsanwaltschaft lässt in ihrem Vorhabensbericht jedoch derartige kritische Überlegungen zur Gänze vermissen.

Doch auch die Erwägungen im Vorhabensbericht zum Sachverhalt, und hier insbesondere zum Eintritt eines konkreten Schadens, lassen unbedingten Aufklärungswillen vermissen. Das Fehlen von Arbeitszeitaufzeichnungen – wohlgemerkt arbeitsrechtlich höchst problematisch – begünstigt den Beschuldigten, da sich angeblich die tatsächlich geleisteten Stundenzahlen nicht mehr feststellen ließen. Das ist angesichts einiger zitierter Aussagen der befragten MitarbeiterInnen erstaunlich. Darüber hinaus hätte sicherlich auch die Möglichkeit bestanden, den Arbeitsaufwand einzelner Projekte durch externe Expertise abschätzen und dadurch konkretisieren zu lassen, soweit dies erforderlich ist. Der Umstand, dass sich aus vom Verein beigeschafften Prüfungen ein konkreter Schaden nicht ableiten lasse, entbindet die Staatsanwaltschaft nicht von ihrer Ermittlungspflicht.


In diesem Zusammenhang wäre auch zu bedenken gewesen, dass in einigen Fällen selbst die im „Rechtsgutachten“ aufgestellte Grenze des „erforderlichen Einsatzes im üblichen Ausmaß“ für Privatprojekte jedenfalls überschritten worden sein dürfte. So vermerkt der Vorhabensbericht etwa, dass eine Mitarbeiterin für das Projekt mit dem Parlament insgesamt ca. 500 Arbeitsstunden aufgewendet habe und nach eigener Einschätzung ca. 80% der anfallenden Arbeitsleistung für dieses Projekt erbracht habe. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Staatsanwaltschaft hier auch regelmäßig die Beschuldigtendiktion eines „Kooperationsprojektes“ zwischen Parlament und Kunsthalle übernimmt, obwohl sie zugleich feststellt, dass seitens des Parlaments eine Kooperation mit der Kunsthalle ausdrücklich nicht erwünscht gewesen sei, und dass deshalb eben ein Privatprojekt mit Matt vereinbart worden sei. Hinsichtlich der vorgelegten „Genehmigung“ durch den Vereinsvorstand stellte selbst die HLB Intercontrol fest, dass nicht mehr festgestellt werden könne, ob diese Zustimmung bereits „konkludent“ 2007 oder erst nachträglich erteilt worden sei. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass anlässlich der ersten Medienberichte über dieses Projekt die Verantwortung von Matt noch dahingehend lautete, dass es sich um ein reines Privatprojekt gehandelt habe.

Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass ein kritisches Hinterfragen der vom Beschuldigten und dem Vereinsvorstand vorgelegten Gutachten und Darstellungen durch die Staatsanwaltschaft nicht erkennbar ist. Es wurden, soweit ersichtlich ist, keine eigenen Versuche unternommen, die erfolgte Schädigung des Vereins und letztlich hinsichtlich der gewährten Subventionen der öffentlichen Hand zu quantifizieren, sondern man verließ sich auf die von Beschuldigtenseite vorgelegten Prüfgutachten und die dort aufgestellte Behauptung, dass Zeitaufwendungen und Schaden nicht feststellbar seien.

Widersprüche in Zeugenaussagen wurden zwar teilweise korrekt aufgezeigt, blieben aber für die Beweiswürdigung ohne erkennbare Folgen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Weshalb wurde im gegenständlichen Ermittlungsverfahren auf eine Einvernahme des Beschuldigten Horst Lumper verzichtet?

2)    Entspricht eine derartige Vorgehensweise, bei der eine schriftliche Stellungnahme von Beschuldigten als ausreichend erachtet wird, dem üblichen Dienstbetrieb in den Staatsanwaltschaften?

3)    Halten Sie die oben geschilderte Interpretation des § 308 StGB für zutreffend bzw. vertretbar?


4)    Wer hat das Rechtsgutachten der Rechtsanwaltskanzlei Dorda Brugger Jordis beauftragt und wer hat es im Ermittlungsverfahren vorgelegt?

5)    Inwiefern hat diese Herkunft bei der Bewertung der darin vertretenen Rechtsauffassung eine Rolle gespielt?

6)    Entspricht es einer üblichen Praxis, dass die Rechtsauslegung der Staatsanwaltschaften durch Rechtsgutachten der Beschuldigtenseite determiniert wird, sofern diese nur eine mögliche „vertretbare Ansicht“ aufzeigen können, nach welcher der Beschuldigte exkulpiert wird?

7)    Wäre es nicht vielmehr Aufgabe der Gerichte, über die letztlich zutreffende Rechtsaufassung zu befinden?

8)    Welche Anstrengungen hat die Staatsanwaltschaft in dieser Sache unternommen, um den Eintritt eines konkreten Schadens zu überprüfen und zu quantifizieren?

9)    Welche Ermittlungsschritte hat die Staatsanwaltschaft in dieser Sache gesetzt, um den Verdacht des Förderungsmissbrauches nach § 153b StGB zu überprüfen?

10) War der Verdacht des Förderungsmissbrauches Gegenstand von Überlegungen anlässlich der Einstellung des Strafverfahrens?

11) Falls nein: wieso nicht?

12) Wurden die in der Begründung aufgezeigten Versäumnisse der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Wahrnehmung der Berichtspflicht wahrgenommen und aufgegriffen?

13) Falls ja: in welcher Form?

14) Falls nein: wieso nicht?

15) Wurde in diesem Fall der Rechtsschutzbeauftragte gem. § 194 Abs. 3 StPO über die Einstellung verständigt, zumal die möglicherweise zweckwidrige Verwendung von öffentlichen Förderungen Anwendungsfall dieser Bestimmung wäre?

16) Falls nein: wieso nicht?