13498/J XXIV. GP
Eingelangt am 07.01.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Petra Bayr und GenossInnen
an die Bundesministerin für Inneres
betreffend Abteilungen „Sitte“ bei den Landeskriminalämtern
In den Außenstellen des Landeskriminalamtes Wien heißen jene Organisationseinheiten, die mit der Aufklärung von Sexualdelikten befasst sind, Einsatzbereich (EB) „Sitte“. Die entsprechenden Räumlichkeiten in den Gebäuden des LKA sind mit Hinweisschildern „Sitte“ oder „Sittlichkeit“ gekennzeichnet.
Ein Sittlichkeitsstrafrecht gibt es jedoch in Österreich seit Jahren nicht mehr. Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2004 (BGBl I 2004/15) wurde der Zehnte Abschnitt des Strafgesetzbuchs von „Strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeit“ in seither „Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung“ umbenannt.
Damit hat der Gesetzgeber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass das Strafrecht nicht die Sittlichkeit schützt sondern die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung:
“Die Abschnittsüberschrift zu den Sexualdelikten lautet derzeit ,Strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeitʻ. Diese Wortwahl ist nicht nur nicht mehr zeitgemäß, sondern trifft auch nicht den Kern der zu schützenden (personalen) Rechtsgüter. Geschützte Rechtsgüter dieses Abschnitts des StGB sind die sexuelle Selbstbestimmung sowie die Freiheit vor sexualbezogenen Beeinträchtigungen.” (RV 294 Blg XXII. GP-NR) (S. 16)
In diesem Sinne ist es nicht nur anachronistisch sondern vor allem auch nicht im Einklang mit dem StGB, wenn Polizeidienststellen aufgrund ihrer Benennung zu Beginn des dritten Jahrtausends nach wie vor den Eindruck einer Sittenpolizei vermitteln.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage
1. Handelt es sich bei der Bezeichnung jener Organisationseinheiten, die mit der Aufklärung von Sexualdelikten befasst sind, mit Einsatzbereich (EB) „Sitte“ (bzw. „Sittlichkeit“) um eine Besonderheit des Landeskriminalamtes Wien?
a. wenn nein: welche weiteren sicherheitsbehördlichen Organisationseinheiten (aller Ebenen) tragen eine solche oder ähnliche Bezeichnung (bitte detaillierte Auflistung samt Angabe der jeweiligen Bezeichnung)?
2. Aus welchem Grund (und seit wann wieder) tragen sicherheitsbehördliche Organisationseinheiten Bezeichnungen wie „Sittlichkeit“, die dem längst überwundenen und als menschenrechtswidrig erkannten Moralstrafrecht entsprechenden, oder gar die dem umgangssprachlichen Jargon entnommenen Terminus „Sitte“.
3. Werden Sie dafür sorgen, dass solche Bezeichnungen (und Hinweisschilder) in gesetzeskonforme (wie bspw. „Sexualdelikte“) geändert werden?
a. wenn nein: warum nicht?
b. wenn ja: welche konkreten Maßnahmen werden Sie wann und wo setzen, und wann ist mit einer entsprechenden flächendeckenden und vollständig gesetzeskonformen Bezeichnung aller sicherheitsbehördlichen Organisationseinheiten zu rechnen?
4. Sind Sie der Meinung, dass es abgesehen von der Änderung der Bezeichnung noch darüber hinausgehenden Maßnahmen (wie etwa Schulungen etc.) bedarf, um einen zeitgemäßen Umgang mit Opfern und Tätern im Zusammenhang mit Sexualdelikten zu gewährleisten?
a. wenn ja, welche weitergehende Maßnahmen werden Sie wann veranlassen?
b. wenn nein, welche wissenschaftlich fundierten Fakten weisen darauf hin, dass die polizeiliche Behandlung von in Sexualdelikte involvierten Personen zeitgemäßen Standards genügt?