13600/J XXIV. GP

Eingelangt am 21.01.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Dr. Wolfgang Zinggl, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

betreffend Welterbe Semmering

 

In einem in der „Wiener Zeitung“ vom 24. Mai 2012 veröffentlichten Gastkommentar zum Thema „Welterbe Semmering: Sein oder Nichtsein …“ hält DI Christian Schuhböck, ein auf das Welterbe und Nationalparks spezialisierter Gerichtssachverständiger für Naturschutz und Landschaftsökologie, wie folgt fest: 1995 nominierte Österreich seine ersten Welterbestätten, darunter auch die Semmeringbahn (Internet: http://whc.unesco.org/en/list/785/documents/). 1998 hat die Unesco sowohl die Bahn als auch deren umgebende Landschaft zum Welterbe der Menschheit erklärt – und zwar gleichwertig.“

Prüft man nun das unter der oben angeführten Internet-Adresse angegebene Dokument, zeigt sich, dass die Republik Österreich 1995 tatsächlich die Semmeringbahn und ihre umgebende Landschaft gleichwertig, also ohne Unterscheidung zwischen Kernzone und Pufferzone, als UNESCO-Welterbestätte nominiert hat [Originaltitel: „The World Heritage – Documentation for the Nomination of Semmering – railway – cultural site – Semmeringbahn (Kulturlandschaft)“].

DI Schuhböck zitiert in seinem Gastkommentar Bernd von Droste zu Hülshoff, Gründungsdirektor des Unesco-Welterbe-Zentrums, der seinerzeit das Prüfungsverfahren koordinierte, wie folgt:  „Aber auch die spektakuläre Gebirgslandschaft mit ihrer natürlichen Schönheit und die im Zuge des Bahnbaues entstandene Kulturlandschaft mit ihren zahlreichen Villen und Hotels war ein Grund dafür, dass nicht nur die Bahnstrecke selbst, sondern auch ihre umgebende Landschaft miteinbezogen und gleichfalls unter den Schutz der internationalen Staatengemeinschaft gestellt wurde.“

In einem Schreiben des Kulturministeriums (BMUKK-24.621/0365-IV/3/2011) vom 19. Dezember 2011 wird jedoch Herrn Hubertus Godeysen, einem deutschen Journalisten und Autor des Buches „ÖBB – Schwarze Löcher – Rote Zahlen“, mitgeteilt: „Wie Ihnen sicher bekannt ist, werden die Fakten betreffend die Welterbestätten durch eine Evaluierung an Ort und Stelle durch von der UNESCO entsandte Experten geprüft. Die Abgrenzungen der Bahntrasse sowie das Nichteinbeziehen der beiden Bahnhofsgebäude wurden bei der Evaluierung der Einreichung 1996 gut geheißen und vom Welterbekomitee beschlossen. Der Beschluss des Welterbekomitees zur Eintragung der Bahn lautet auf „Semmering Railway“, also „Semmeringbahn“. Die zuweilen anzutreffende Formulierung „Semmeringbahn und umgebende Kulturlandschaft“ widerspricht daher eindeutig dem offiziellen Beschluss. Der Träger des OUV, die Semmeringbahn selbst, befindet sich in der Kernzone. Die Kulturlandschaft ist als Pufferzone ausgewiesen. Auf Verlangen des Welterbekomitees wurden die Grenzen der Pufferzone nachgearbeitet und im Retrospective Inventory Prozess vom Welterbekomitee bei seiner Sitzung 2009 approbiert. Diese Gegebenheiten wurden dem Managementplan zugrunde gelegt. Von einer Zurückstufung der Zone zu sprechen entspricht daher nicht den Gegebenheiten.“

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Weshalb teilt das BMUKK in BMUKK-24.621/0365-IV/3/2011 mit, dass die Abgrenzung der Bahntrasse und das Nichteinbeziehen der beiden Bahnhofsgebäude bei der Evaluierung der Einreichung 1996 gut geheißen und vom Welterbekomitee beschlossen wurde, obwohl dies aus dem von DI Schuhböck angeführten offiziellen Dokument der UNESCO (Internet: http://whc.unesco.org/en/list/785/documents/) nicht hervorgeht? Bitte um Übermittlung des entsprechenden Dokuments, auf das sich Ihre Angabe stützt (entweder den genauen Wortlaut des UNESCO-Welterbe-Komitee-Beschlusses oder einen entsprechenden Link).

2)    DI Schuhböck hält in seinem Gastkommentar auch fest, dass das Welterbe die Bezeichnung „Semmeringbahn mit umgebender Landschaft“ trägt. Die gleiche Bezeichnung wird auch im „Welterbe-Manual“, dem „Handbuch zur Umsetzung der Welterbekonvention in Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz“, an dem auch das BMUKK und die Österreichische UNESCO-Kommission mitwirkten, sowie in der UNESCO-Veröffentlichung „Das Welterbe – Die vollständige, von der UNESCO autorisierte Darstellung der außergewöhnlichsten Stätten unserer Erde“ verwendet. Weshalb teilt das BMUKK im Schreiben an den Journalisten Hubertus Godeysen mit, dass die Eintragung auf „Semmeringbahn“ lautet und die zuweilen anzutreffende Formulierung „Semmeringbahn mit umgebender Kulturlandschaft“ dem offiziellen Beschluss widerspricht? Bitte um Übermittlung des genauen Wortlauts des von Ihnen angeführten Beschlusses des UNESCO-Welterbe-Komitees bezüglich der exakten Welterbe-Bezeichnung oder einen entsprechenden Link.

3)    In der von der Republik Österreich der UNESCO vorgelegten Dokumentation zwecks Nominierung der „Semmeringbahn - Kulturlandschaft [Originaltitel: The World Heritage – Documentation for the Nomination of Semmering – railway – cultural site – Semmeringbahn (Kulturlandschaft)] wird nicht zwischen der Semmeringbahn und der Kulturlandschaft als Träger des OUV („außergewöhnlicher universeller Wert“) unterschieden. Auch wird in dieser Dokumentation nicht zwischen Kernzone und Pufferzonen unterschieden; im Gegenteil: Die Semmeringbahn und ihre umgebende Kulturlandschaft werden gleichwertig beschrieben; der Kulturlandschaft wurde sogar weitaus mehr Raum bei der Beschreibung gewidmet. Wie erklären Sie den Widerspruch zu Ihren Angaben in BMUKK-24.621/0365-IV/3/2011? Bitte um Übermittlung des Beschlusses des UNESCO-Welterbe-Komitees (genauer Wortlaut oder entsprechender Link zum Dokument), in dem die Republik Österreich gemeinsam mit der UNESCO festlegte und dokumentierte, dass das seinerzeit als „Semmeringbahn – Kulturlandschaft“ nominierte, vom ICOMOS geprüfte, vom UNESCO-Welterbe-Komitee zum Welterbe erklärte und als solches in die UNESCO-Welterbe-Liste eingetragene Welterbe nunmehr aus der Semmeringbahn als Kernzone und der umgebenden Kulturlandschaft als Pufferzone besteht.

4)    Wie lautet der genaue Auftrag bzw. Wunsch des UNESCO-Welterbe-Komitees an die Republik Österreich, die Grenzen der Pufferzone nachzuarbeiten? Bitte um Übermittlung des gesamten Wortlautes bzw. des Links zum entsprechenden Dokument.

5)    Wie lauten die Inhalte und Ergebnisse des von Ihnen angeführten Retrospective Inventory Prozesses des Welterbe-Komitees von dessen Sitzung 2009? Bitte übermitteln Sie uns das Protokoll dieses Retrospective Inventory Prozesses des Welterbe-Komitees von 2009.

6)    Wurde die Untergliederung des Welterbe-Gebietes „Semmeringbahn mit umgebender Landschaft“ in Semmeringbahn (Kernzone) und umgebende Kulturlandschaft (Pufferzone) vom UNESCO-Welterbe-Komitee derart genehmigt, wie es der nun von Ihnen zitierte Managementplan zum Ausdruck bringt? Wenn ja, ersuchen wir um Übermittlung einer Kopie des diesbezüglichen Übereinkommens oder eines Links auf das entsprechende Dokument.

7)    Wurde die Untergliederung des Welterbe-Gebietes „Semmeringbahn mit umgebender Landschaft“ in Semmeringbahn (Kernzone) und umgebende Kulturlandschaft (Pufferzone) mit den Bundesländern Niederösterreich und Steiermark abgestimmt? Wenn ja, ersuchen wir um Übermittlung einer Kopie der diesbezüglichen Vereinbarung oder eines Links auf das entsprechende Dokument.

8)    Wurde das UNESCO-Welterbe-Zentrum und das UNESCO-Welterbe-Komitee ausführlich über das Projekt „Semmering-Basistunnel neu“ (SBTn) informiert? Wenn ja, wann, auf welchem Weg und mit welchem Inhalt und welchem Ergebnis? Bitte um Übermittlung des gesamten Wortlautes bzw. des Links zum entsprechenden Dokument.

9)    Gibt es eine rechtsverbindliche Vereinbarung - z.B. § 15a-Vereinbarung gemäß B-VG - zwischen dem Bund und den Bundesländern Niederösterreich und Steiermark dahingehend, dass a) die Semmeringbahn nach Realisierung des Semmering-Basistunnels derart fortbestehen bleibt, wie sie von ICOMOS bzw. der UNESCO beurteilt und zum Welterbe erklärt wurde bzw. dass es b) nicht zu einer Aberkennung des Welterbe-Status durch die UNESCO kommt? Wenn ja, ersuchen wir um Übermittlung dieser Vereinbarung/en in Kopie oder eines Links auf das/die entsprechende/n Dokument/e.

10) Im gleichen Schreiben vom 19.12.2011 (BMUKK-24.621/0365-IV/3/2011) teilten Sie bzw. Ihr Ressort mit: „Mit dem Gutachten von Dipl. Arch. Toni Häflinger wurde überprüft, ob das neue Semmering-Basistunnel Projekt, das zu den großen europäischen Infrastrukturvorhaben im Eisenbahnbereich (Teil des Baltisch-Adriatischen Korridors) gehört, den ‚Außergewöhnlichen universellen Wert‘ der historischen Strecke über den Semmering beeinträchtigt. Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass bei Setzung angemessener Maßnahmen das neue Semmering-Basistunnel Projekt den historischen Kern der Welterbestätte Semmeringeisenbahn nicht gefährden werde. Das Basistunnel-Projekt sei mit Umsicht und Sorgfalt erarbeitet worden. Die Maßnahmen des Projektes, die die Welterbestätte betreffen, würden sich vor allem auf die Anschlusspunkte in Gloggnitz und Mürzzuschlag konzentrieren. Es solle erreicht werden, dass die historische Eisenbahnstrecke und der künftige Basistunnel ein selbstverständliches und gleichwertiges ‚Brüderpaar‘ mit sich ergänzenden Anlagen aus verschiedenen Generationen bilden.“

Wurde im Rahmen dieses Gutachtens auch geprüft, ob durch das Projekt „Semmering-Basistunnel neu“ der OUV (außergewöhnliche universelle Wert) der umgebenden Kultur­landschaft, wie sie von der Republik Österreich als Welterbe nominiert wurde, beeinträchtigt wird? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Bitte um Übermittlung des gesamten Gutachtens in Kopie.


11) Welche „angemessenen Maßnahmen“ sollen gesetzt werden, damit sowohl die Semmeringbahn als auch die umgebende Kulturlandschaft als UNESCO-Welterbestätte nicht beeinträchtigt bzw. gefährdet werden? Bitte um genaue Angaben zwecks Überprüfung durch unabhängige Sachverständige und/oder Übermittlung des gesamten Gutachtens.