14073/J XXIV. GP
Eingelangt am 20.02.2013
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Anfrage
der Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Körperverletzung mit schwerer Dauerfolge wegen HIV-Infektion
Am 4.11.2011 wurde Herr Alexander K. zu 3 Jahren unbedingter Haft wegen dem Verbrechen der Körperverletzung mit schwerer Dauerfolge nach dem § 85 Abs 3 StGB sowie dem Vergehen der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach dem § 178 StGB verurteilt (053 Hv 84/11h). Laut Urteil habe Alexander K. im Wissen über seine HIV-Infektion mit mehreren Personen ungeschützte Sexualkontakte gehabt, ohne diese über seine Infektion aufzuklären. Aufgrund zahlreicher Ungereimtheiten im Beweisverfahren und mittlerweile neu hinzukommender Beweise wurde vor einem halben Jahr die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt.
§ 85 StGB lautet:
„Hat die Tat für immer
oder für lange Zeit
1. den Verlust oder eine schwere Schädigung der Sprache, des
Sehvermögens, des Gehörs oder der Fortpflanzungsfähigkeit,
2. eine erhebliche Verstümmelung oder eine auffallende Verunstaltung oder
3. ein schweres Leiden, Siechtum oder Berufsunfähigkeit des
Geschädigten zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von
sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“
Von den Alternativen des § 85 StGB kommt im geschilderten Fall nur „schweres Leiden“ in Betracht. Ein solches bezeichnet jedoch eine die gesamte Lebensführung des Betroffenen beeinträchtigende Gesundheitsstörung von langer Dauer (Burgstaller/Fabrizy, WK StGB 2. Auflage § 85 Rz 14), weshalb üblicherweise das Vollbild AIDS darunter subsumiert wird aber nicht die bloß symptomlose Infektion (ebendort).
Aufgrund steter Fortschritte in der AIDS-Forschung gilt die HIV-Infektion als mittlerweile gut behandelbar. HIV-infizierten Menschen stehen verschiedene antiretrovirale Medikamente zur Verfügung. Gemäß nationalen und internationalen Leitlinien können Ärztinnen und Ärzte aus diesem Angebot eine optimal wirksame, individuelle Kombinationstherapie zusammenstellen. Das Augenmerk wird dabei auf folgende Aspekte gerichtet:
· sorgfältige Medikamenteneinnahme,
· möglichst geringe Anzahl einzunehmender Pillen,
· frühzeitige Diagnose und Behandlung von Begleiterkrankungen wie Hepatitis B oder C,
· Vermeiden unerwünschter Nebenwirkungen bzw. möglicher Wechselwirkungen.
Unter diesen Voraussetzungen können ein entsprechender Therapieerfolg und eine möglichst hohe Lebensqualität langfristig gesichert werden.
Antiretrovirale Medikamente können – wie die meisten Medikamente – unerwünschte Nebenwirkungen verursachen. Wichtig ist, dass diese frühzeitig erkannt und vermieden werden (z.B. durch Änderung der Medikamentenkombination).
Welche unerwünschten Nebenwirkungen auftreten können, hängt von den ausgewählten Medikamenten ab. Häufige Nebenwirkungen der HIV-Therapie sind: Übelkeit, Magendruck, Kopfschmerzen, Blutarmut, Müdigkeit, Durchfall, Kribbeln, Hautausschläge, Schwindel, Schlafstörungen, Erhöhung von Blutfetten und Blutzucker (Quelle: www.gesundheit.gv.at).
Natürlich machen Personen mit einer HIV-Infektion unterschiedlichste Erfahrungen im Umgang mit der Erkrankung. Bei rechtzeitigem Therapiebeginn und erfolgreicher Einstellung auf die geänderten Lebensbedingungen, kann aber grundsätzlich von einem relativ normalen Alltag ohne größere Einschränkungen ausgegangen werden. Das inkludiert etwa Arbeit, Aus- und Weiterbildung, das Pflegen oder Begründen von Familien- und Freundschaftsbeziehungen, Sexualbeziehungen oder Zukunftsplanung inklusive Familiengründung (ohne Übertragungsrisiko auf Partner oder Kinder).
Im Gegensatz zur HIV-Infektion scheint bei vielen anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen der gesellschaftliche Konsens vorherrschend, dass eine Übertragung als typisches Risiko des Sexualverkehrs anzusehen sei. Strafrechtliche Verfolgungen scheinen in diesem Zusammenhang die Ausnahme darzustellen. Dabei ist anzumerken, dass Chlamydiose, Gonorrhoe oder Syphilis schwere Erkrankungen sind die unbehandelt ernsthafte Folgeschäden am Organismus verursachen. Herpes-Simplex-Infektionen gelten als unheilbar und stellen bei Schwangerschaften ein hohes Risiko dar. Auch Hepatitis B und C kann sexuell übertragen werden und kann Leberschäden oder Krebs verursachen. Humane Papillomviren (HPV) werden primär durch ungeschützten Sexualverkehr übertragen. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion ist hier viel höher als beim HIV-Virus. HPV kann zu verschiedenen Krebserkrankungen führen (vgl. Criminalisation of HIV non-disclsure, exposure ans transmission: Scientific, medical, legal and human rights issues, working paper, 31. August – 2. September 2011 joint United Nations programm on HIV/AIDS, Geneva, Switzerland)
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1. Wie versuchen Sie bestmöglich sicherstellen, dass die zur Objektivität verpflichteten Staatsanwaltschaften ihre Entscheidungen auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse treffen?
2. Werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse der AIDS-Forschung und daraus resultierender rechtlicher Folgen zwischen den Leitern der Staatsanwaltschaften und den ExpertInnen Ihres Hauses diskutiert, um so eine einheitliche Strafverfolgung auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zu gewährleisten?
3. Wenn ja, wann fand letztmalig ein solches Treffen statt?
4. Halten sie es für sinnvoll die Frage, ob eine HIV-Infektion grundsätzlich das Tatbestandselement eines „schweren Leidens“ iSd § 85 Z3 StGB verwirklicht, einer breiten Diskussion unter Einbindung ressortfremder GesundheitsexpertInnen zuzuführen?
5. Wenn nein, warum nicht?
6. Wird im Verfahrensregister bei Verurteilungen wegen strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben sowie bei Verurteilungen nach §§ 178 und 179 StGB die Begehung durch sexuelle Übertragungen vermerkt?
7. Wenn nein, warum nicht?
8. Wenn ja, wie viele Verurteilung gab es in den Jahren 2007, 2008, 2009, 2010, 2011 und 2012 wegen sexueller Übertragung? Wie viele davon betrafen HIV-Infektionen?