14227/J XXIV. GP
Eingelangt
am 08.03.2013
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Johann Maier
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend „Rechtsanwälte – Klientenschutz - Treuhandvorschriften“
Am Montag 04. März 2013 gab die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich bekannt, dass der Wiener Neustädter Rechtsanwalt Mag. Wolfgang Auer seine Rechtsanwaltstätigkeit mit sofortiger Wirkung einstellt und auf die Berechtigung zur weiteren Ausübung des Berufs verzichtet hat. Damit kam Auer einem bevorstehenden Entzug der Berufsberechtigung durch die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich zuvor.
„Mag. Auer informierte die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich darüber, dass er sowohl privat als auch in Rahmen seiner Anwaltstätigkeit ihm anvertraute Gelder veruntreut hat. Auer hat in diesem Zusammenhang Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Bereits zuvor wurden diese Handlungen von Geschädigten zur Anzeige gebracht und Ermittlungen der Behörden eingeleitet. Laut seinen eigenen Angaben hat Auer privat Bankguthaben eines Vereins veruntreut und auch als Anwalt ihm von Klienten treuhänderisch anvertraute Gelder nicht oder nur unvollständig an deren Empfänger weitergeleitet.“
Rechtsanwälte werden deswegen mitunter zu Angeklagten.
In der Öffentlichkeit werden immer wieder Rechtsanwälte – wie auch Angehörige anderer freier Berufe (z.B. Notare, Steuerberater) – bekannt, die sich an Klientengelder vergriffen bzw. Klientengelder veruntreut haben. Mitunter verschwindet dabei nicht nur das Geld, sondern mit dem Geld auch der Rechtsanwalt. Siehe Kriminalfall RA Dr. Friedrich Lorenz (Salzburg), der Klienten um 2,8 Mio. Euro prellte, acht Jahre in der Toskana untertauchte und im Jahr 2010 wegen Veruntreuung verurteilt wurde. Der Berufungssenat des OLG – Linz erhöhte die Haftstrafen gegenüber der Erstinstanz. Für den Exanwalt fünf statt vier Jahre, seine Fluchtgefährtin erhielt eine unbedingte Haftstrafe von 2,5 Jahren.
Strafverfahren gegen gestrauchelte Rechtsanwälte sind daher seit Jahren Gegenstand medialer Berichterstattung, wie nachstehende Beispiele zeigen:
„Acht
Monate Haft für oö. Anwalt und VP-Politiker wegen Veruntreuung
Utl.: OLG-Urteil rechtskräftig – 29 Monate Haft, davon acht
unbedingt
Ein 47-jähriger ehemaliger Rechtsanwalt und ÖVP-Kommunalpolitiker ist am Donnerstag wegen Veruntreuung vom Oberlandesgericht Linz zu 29 Monaten Haft verurteilt worden. Acht Monate davon muss der Mann hinter Gitter, 21 bedingt. Das Urteil ist rechtskräftig, bestätigte OLG-Mediensprecher Andre Starlinger der APA Medienbericht am Freitag.“ (APA 03.02.2012)
„Staatsanwalt
fordert Haftstrafe für den Juristen; Der Rechtsanwalt vergriff sich an
Mündel-Geldern!
Anwalt auf Abwegen: Weil er chronisch schlecht bei Kasse war, veruntreut der
Advokat mehr als 200.000 Euro! Geld, das er als Sachwalter für seine
Mündel verwalten hätte sollen. Nun soll der Jurist und Ex-Politiker
aus OÖ für 10 Monate in Gefängnis“. (Kronen Zeitung vom 14.07.2011)
„Suche
nach Ex-Anwalt wegen Veruntreung; Salzburger Jurist soll Klienten um zumindest
115.000 Euro gebracht und BMW veruntreut haben: Fahndung läuft
… ´Wir ermitteln gegen den Ex-Anwalt aus der Stadt Salzburg wegen
des Verdachts der Veruntreuung und der betrügerischen Krida. Der Mann soll
Gelder, die er noch als Anwalt in Zivilverfahren für Klienten erstritten
hat, in zumindest acht Fällen nicht an diese weitergeleitet haben´,
sagte die Sprecherin der Salzburger Staatsanwaltschaft, Barbara Feichtinger,
Donnerstag im SN-Gespräch.“
(SN 23.04.2011)
„Rechtsanwalt
zahlungsunfähig: Gericht gab Konkurs-Antrag statt
Republik, Versicherung und Vermieter wollen ihr Geld sehen“ (Krone 14.01.2011)
„Gesuchter Salzburger
Ex-Anwalt 2 – Verhaftungen verlief unspektakulär
Utl.: Jurist will laut Verteidiger „alles aufklären und Schaden
wiedergutmachen“. (APA 04.05.2011)
„Mit 38,9 Mio. S (2,8 Mio. Euro) an Treuhandgeldern suchten im Oktober 2001 der damalige Salzburger Rechtsanwalt Friedrich Lorenz (59) und seine Freundin Brigitte H. (40) das Weite. Am Montag wurden sie in Salzburg wegen Veruntreuung verurteilt. Lorenz erhielt, wie berichtet, vier Jahre Haft, Brigitte H. als Beitragstäterin 24 Monate teilbedingt (acht unbedingt), wobei die Auslieferungshaft in Italien ab 30.Juli 2009, also bei Brigitte H. nahe acht Monate, auf die Strafe angerechnet wird“ (SN 30.06.2010)
„745.000
Euro veruntreut: Vier Jahre Haft für Anwalt
Weil er 745.000 Euro Treuhandgeld veruntreut haben soll, erhielt ein
Ex-Rechtsanwalt (50) am Montag in Feldkirch vier Jahre Haft. Der nicht
geständige Anwalt meldete Rechtsmittel an. Laut Anklage hatte der Advokat
Geld von einer finnischen Versicherung übernommen und den
größten Teil für sich abgezweigt.“ (SN 24.06.2010)
„Ein Anwalt als Erbschleicher angeklagt! Mit 89 Jahren starb der frühere Chef der kleinen, feinen Privatbank. Einsam in einem Wiener Pflegeheim. Sein Vermögen, 660.000 Euro, soll sich sein Anwalt erschlichen haben, so die Staatsanwaltschaft“(Krone 14.5.2009)
„Anwalt soll 90.000 Euro veruntreut haben! Ein Kärntner Rechtsanwalt steht unter dem Verdacht, mindestens 90.000 Euro Klientengelder veruntreut zu haben. Der Fall wurde von der Rechtsanwaltskammer ins Rollen gebracht und bei der Klagenfurter Staatsanwaltschat angezeigt“ (SN 06.05.2009)
„Rechtsanwalt selbst vor Betrugsprozeß. Das Konto der Jagdgenossenschaft Hötting soll ein Anwalt ungerechtfertigt erleichtert haben. Jetzt kommt es am Dienstag zum Betrugsprozeß“ (Tiroler Tageszeitung 15.12.2009)
Durch das
Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetz wurde 1998 eine
Richtlinienkompetenz des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages geschaffen.
Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag wurde damit gemäß
§ 37 RAO berechtigt, Richtlinien für die Festlegung von Pflichten bei
Übernahme und Durchführung von Treuhandschaften sowie für die
Schaffung von Einrichtungen zur Sicherung und Überwachung der
Erfüllung dieser Pflichten zu erlassen.
Der Verfassungsgerichtshof hat allerdings
mit Erkenntnis vom 4.12.2008, G 15/08 u.a., § 37 Abs. 1 Z 2b RAO, mit dem
der Österreichische Rechtsanwaltskammertag zur Erlassung von Richtlinien
für Treuhandschaften von Rechtsanwälten ermächtigt wird, als
verfassungswidrig aufgehoben. Die in der Rechtsanwaltsordnung (§ 37 Abs. 1
Z 2b) enthaltene Ermächtigung des Rechtsanwaltskammertags, Pflichten im
Zusammenhang mit der Übernahme und Durchführung von Treuhandschaften
festzulegen, war aus Sicht des Gerichtshofes zu wenig genau umschrieben und
widersprach dem Legalitätsprinzip.
Durch
das Berufsrechts-Änderungsgesetz 2010 wurde im § 10a RAO eine ausdrückliche
gesetzliche Regelung zur Führung eines Treuhandregisters geschaffen.
Konsumentenschützer aber auch selbst
Rechtsanwälte übten in den letzten 2 Jahren scharfe Kritik an
unseriösen Praktiken sogenannter „Anlegeranwälte“, die in
der Finanzkrise massiv um geschädigte Anleger geworben und diese zu
aussichtslosen Klagen gedrängt haben. Etliche dieser Rechtsanwälte
versprachen den Anlegern das Blaue vom Himmel und trieben sie so in
Schadensersatzklagen – ohne nennenswerte Aussicht auf Erfolg. Da wurden
Notlagen von Menschen, die ihre Ersparnisse verloren haben, auf zynische Weise
ausgenutzt – nur um sich selbst zu bereichern. Derartige Praktiken bringen
einen gesamten Berufsstand in Mißkredit.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende
Anfrage:
1. Wie viele Beschwerden
über Rechtsanwälte (z.B. wegen Anwaltsfehler, Veruntreuung) wurden an
die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltskammern in den Bundesländern in
den Jahren 2004 – 2012 herangetragen (Aufschlüsselung nach Jahren
und auf Bundesländer)?
2. Wie wurden diese Beschwerden erledigt (Aufschlüsselung nach Jahren und auf Bundesländer)?
3. Wie oft wurde durch Rechtsanwaltskammern in den Bundesländern Strafanzeige gegen Kammermitglieder wegen des Verdachts von Vermögensdelikten (z.B. Veruntreuung, Betrug, Krida) im Zusammenhang mit deren anwaltlichen Tätigkeit in den Jahren 2004 bis 2012 erstattet (Aufschlüsselung auf Jahre, Bundesländer und unter Angabe der Delikte)?
4. Wie oft wurden durch Private u.a. Strafanzeigen gegen Rechtsanwälte wegen des Verdachts von Vermögensdelikten im Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit in den Jahren 2004 bis 2012 erstattet (Aufschlüsselung auf Jahre, Bundesländer und unter Angabe der Delikte)?
5. In wie vielen Fällen haben Geschädigte in Ermittlungsverfahren oder vor Gericht einen Privatbeteiligtenanschluss erklärt (Aufschlüsselung auf Jahre)?
6. Wie viele Rechtsanwälte
wurden in diesen Jahren wegen Vermögensdelikten, die im Rahmen ihrer
anwaltlichen Tätigkeit (z.B. Krida, Betrug, Veruntreuung) begangen wurden, durch
ein ordentliches Gericht rechtskräftig verurteilt (falls
aufgeschlüsselt nach den einzelnen Jahren und Bundesländern)?
In wie vielen Fällen kam es zu diversionellen Maßnahmen (Aufschlüsselung nach Jahren und Bundesländer)?
7. Wie hoch war nach Kenntnis des Ressorts der finanzielle Schaden, den Rechtsanwälte als Treuhänder in diesen Jahren durch Vermögensdelikte bei ihren Klienten verursacht haben (Aufschlüsselung nach Jahren und Bundesländer)?
8. Gegen wie viele
Rechtsanwälte wurde in diesen Jahren wegen Vermögensdelikten o.a. im Zusammenhang mit ihrer anwaltlichen Tätigkeit
gegenüber ihren Klienten die Disziplinarstrafe der Streichung von der
Rechtsanwaltsliste ausgesprochen (aufgeschlüsselt nach den einzelnen
Jahren und Bundesländern)?
Gegenüber
wie vielen Rechtsanwälten wurde aus anderen Gründen die
Disziplinarstrafe der Streichung von der Rechtsanwaltsliste ausgesprochen (aufgeschlüsselt
nach den einzelnen Jahren und Bundesländern)?
9. In wie vielen Fällen musste in den Jahren 2004 bis 2012 über das Vermögen von Rechtsanwälten bzw. Rechtsanwaltkanzleien der Konkurs eröffnet werden (aufgeschlüsselt nach den einzelnen Jahren und Bundesländern)?
10. Wie hoch ist der sog. „freiwillige Notfallfonds" in den einzelnen Bundesländern und nach welchen Kriterien werden durch diesen die von Rechtsanwälten verursachten Schäden gegenüber KlientInnen beglichen?
11. Nach welchen Kriterien müssen in den Bundesländern
RA-Kammermitglieder Zahlungen leisten, mit der dieser freiwillige Notfallfonds
dotiert wird?
Wie werden diese Zahlungen berechnet?
12. Welche Summe machten die bis 31.12.2012 in den anwaltlichen Treuhandbüchern eingetragenen Treuhandschaften aus (Aufschlüsselung auf Jahre und Bundesländer)?
13. Halten Sie in Anbetracht der Veruntreuung von Klientengeldern und der rechtskräftigen Verurteilungen von Rechtsanwälten eine Verschärfung der strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Bestimmungen (Standesrecht) für notwendig?
14. Halten Sie die vorgeschriebenen Pflichtversicherungen für Rechtsanwälte für ausreichend?
15. Wenn nein, werden Sie in Anbetracht bekannter Vorfälle zum Schutz der KlientInnen eine verpflichtende „Vermögens-Schadenhaftpflichtversicherung“ für alle Rechtsanwälte und alle anderen freien Berufe vorschlagen?
16. Wenn nein, werden Sie eine ausreichende „Vertrauensschadensversicherung“
verpflichtend für jeden einzelnen Rechtsanwalt vorschlagen?
Oder reicht aus Sicht des Ressort die von der Rechtsanwaltskammer
abgeschlossene Vertrauensschadenversicherung?
17. Halten Sie die zivilrechtlichen Regelungen im ABGB hinsichtlich „Treuhandschaft" für ausreichend, oder streben Sie gerade aufgrund gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungen – wie einmal bereits vom Juristentag vorgeschlagen – diesbezügliche Neuregelungen an?
18. Welche Maßnahmen können gegen Rechtsanwälte unternommen werden, die mit unseriösen Mitteln agieren, um zu Klienten zu kommen und Klienten (z.B. Anleger) u.a. zu aussichtslosen Klagen drängen?
19. Welche Maßnahmen müßten aus Sicht des Ressorts gegen sogenannte „Abzock-Anwälte“ unternommen werden, die Online Anbieter mit angeblich kostenlosen Angebote im Web vertreten und Vertragsgebühren und eigene Kosten fordern?