14229/J XXIV. GP

Eingelangt am 08.03.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend „Korruption im Gesundheitswesen“

Mit der AB 12589/XXIV.GP vom 14.12.2012 wurde vom Gesundheitsminister die parlamentarische Anfrage betreffend „Korruption im Gesundheitswesen“-  soweit zuständig -   beantwortet. Diese Anfrage war wie folgt begründet:

„Durch Korruption, wie Abrechnungsbetrug, Falschabrechnung usw. gehen den gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland, wie in Österreich und anderen Ländern jedes Jahr enorme Summen an Versichertengeldern verloren. Experten des European Healthcare Fraud and Corruption Network schätzen, dass allein die Verluste in Deutschland zwischen 3 und 10 Prozent der Gesundheitsausgaben betragen. Nicht zu verstehen ist daher die Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) vom 29. März 2012.

Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofes (BGH) hat in einem am 22. Juni 2012 verkündeten Beschluss vom 29. März 2012 eine Strafbarkeit von Vertragsärztinnen und -ärzten verneint, die von einem Pharma-Unternehmen Vorteile als Gegenleistung für die Verordnung von Arzneimitteln dieses Unternehmens entgegennehmen. Nach Auffassung des BGH handeln niedergelassene Vertragsärztinnen und -ärzte bei der Wahrnehmung der ihnen in § 73 Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) übertragenen Aufgaben weder als Amtsträgerin bzw. Amtsträger (im Sinne von § 11 Absatz 1 Nummer 2 des Strafgesetzbuchs – StGB) noch als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen (im Sinne von § 299 StGB). Zur Begründung verweist der BGH u. a. auf die Freiberuflichkeit der Vertragsärztinnen und -ärzte, die weder Angestellte noch Funktionsträger der Krankenkassen seien. Die Auswirkungen dieser Entscheidung des BGH und insbesondere die Frage, ob und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, bedürfen einer sorgfältigen Prüfung. Mit dieser Prüfung ist die Bundesregierung derzeit befasst. Auf der Grundlage dieser Prüfung wird zu entscheiden sein, ob die derzeitige Rechtslage als ausreichend angesehen werden kann….
(Auszug Drucksache 17/10547 Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode).

Immer wieder wurden und werden in europäischen Staaten Korruptionsskandale im Gesundheitswesen aufgedeckt und in der Öffentlichkeit bekannt: Manipulierte Ausschreibungen und Vergaben, Fangprämien an niedergelassene Ärzte als Gegenleistung für Krankenhauseinweisungen, Falschabrechnungen in Krankenhäusern bzw. durch niedergelassene Ärzte und andere Gesundheitsberufe, Schmiergeldzahlungen von Pharmafirmen oder von Medizinproduktehersteller an Ärzte und Beschäftigte im Gesundheitswesen usw.
Zusammen bedeuten alle diese Skandale einen Milliardenschaden für nationale Gesundheitswesen. Korruption innerhalb des Gesundheitswesens hat in den Mitgliedstaaten eine unterschiedliche Ausprägung. Die Generaldirektion Inneres der Europäischen Kommission beabsichtigt daher eine Studie über Korruption im Gesundheitswesen erstellen zu lassen.“

Die gesetzlichen Krankenkassen haben 2010 und 2011 knapp 53.000 Fälle von Fehlverhalten im Gesundheitswesen verfolgt. Darunter waren 35.500 neue Fälle. 2600 Mal wurde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Das ging aus einem Bericht des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hervor, der seit Herbst vom Bundesgesundheitsministerium unter Verschluss gehalten wird. Schadensersatzforderungen von mehr als 41 Millionen Euro konnten durch die gesetzlichen Krankenkassen durchgesetzt werden.

Das deutsche Bundeskriminalamt führt seit 2009 eine gesonderte Statistik für das Delikt „Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen“. Nach den bisher in Deutschland öffentlich nicht diskutierten Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes wurden 2011 dort 2876 Betrugsfälle erfasst. Das ist gegenüber 2009 mit 4760 Betrugsfällen einen Rückgang um 40 Prozent; 2010 waren es 3790 Fälle. Entsprechend sank der registrierte Schaden: Nach 46 Millionen und 35 Millionen Euro in den Vorjahren waren es 2011 noch 31,4 Millionen Euro. Derartige Zahlen sind für Österreich nicht bekannt.


Für Disziplinarverfahren liegen folgende Zahlen vor: „Laut Bundesärztekammer wurden in den vergangenen drei bis fünf Jahren mehr als 500 Ärzte wegen Bestechlichkeit ermahnt oder bestraft. Die Bundesärztekammer hatte beklagt, zu spät oder gar nicht über staatliche Ermittlungen gegen Ärzte informiert zu werden, die berufsrechtliche Folgen haben könnten.“ (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/bestechliche-kassenaerzte-bahr-will-das-berufsrecht-der-aerzte-aendern-12014700.html)

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende

Anfrage:

 

1.      Welche konkreten Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung im österreichischen Gesundheitswesen müssten aus Sicht des Ressorts durch das Gesundheitsministerium zusätzlich noch ergriffen werden?

2.      Welche konkreten Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung im österreichischen Gesundheitswesen müssten aus Sicht des Ressorts durch die Bundesländer zusätzlich noch zu ergriffen werden?

 

3.      Welche konkreten Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung im österreichischen Gesundheitswesen müssten aus Sicht des Ressorts durch die österreichischen Krankenversicherungsträger und den Hauptverband zusätzlich noch zu ergriffen werden?

4.      Welche konkreten Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung im österreichischen Gesundheitswesen müssten aus Sicht des Ressorts durch die österreichische Ärztekammer zusätzlich noch zu ergriffen werden?

5.      Wie viele gerichtlich anhängige Fälle von Abrechnungsbetrug und Falschabrechnungen durch Krankenhäuser, Ärzte, Angehörige von Gesundheitsberufen oder MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen sind dem Ressort in den Jahren 2010 bis 2012 bekannt geworden?
Um welche Gesamtschadenssumme ging es?

Wie viele Personen wurden strafrechtlich verfolgt?
Wie wurden diese Fälle von den Gerichten erledigt (Aufschlüsselung auf Jahre)?


6.      Wie viele gerichtlich anhängige Fälle von Schmiergeldzahlungen, der Gewährung sonstiger Bonifikationen o.ä. durch Pharmafirmen, Medizinproduktefirmen o.ä. als Gegenleistung (z.B. für die Verordnung von Arzneimitteln oder Verwendung bestimmter Medizinprodukte) an Ärzte, Angehörige von Gesundheitsberufen oder MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen sind dem Ressort in den Jahren 2010 bis 2012 bekannt geworden?
Welche Zahlungen wurden jeweils geleistet?
Wie viele Personen wurden strafrechtlich verfolgt?
Wie wurden diese Fälle von den Gerichten erledigt (Aufschlüsselung auf Jahre)?

7.      Wie viele gerichtlich anhängige Fälle von manipulierter Ausschreibung und Vergabe von Leistungen durch Ärzte, Angehörige von Gesundheitsberufen oder MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen sind dem Ressort in den Jahren 2010 bis 2012 bekannt geworden?
Wie viele Personen wurden strafrechtlich verfolgt?
Wie wurden diese Fälle von den Gerichten erledigt (Aufschlüsselung auf Jahre)?

8.      Wie beurteilt das Ressort die in der Anfrage zitierte Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) vom 29. März 2012?

9.      Hat diese BGH-Entscheidung Auswirkungen auf Österreich bzw. auf in Österreich niedergelassene oder tätige Ärzte?
Wenn ja, welche?

10.  Entspricht diese BGH-Entscheidung auch der österreichischen Strafrechtslage?
Wenn nein, warum nicht?

11.  Ist in Österreich die Entgegennahme von Prämien oder sonstigen Vorteilen  durch Pharma-Unternehmen als Gegenleistung für die Verordnung von Arzneimitteln gerichtlich strafbar?
Wenn ja, wie viele diesbezügliche strafrechtliche Ermittlungen gab es in den Jahren 2010 bis 2012?
Wie wurden diese erledigt (Aufschlüsselung jeweils auf Jahre)?

12.  Wie viele Strafverfahren gab es wegen Betrug, Untreue und Korruption wurden in den Jahren 2010 bis 2012?

Wie viele betrafen MitarbeiterInnen von Pharmaunternehmen und Medizinproduktehersteller bzw. Verantwortliche und MitarbeiterInnen im österreichischen Gesundheitswesen bzw. in Krankenanstalten (Aufschlüsselung der Anzahl bzw. Fälle auf Jahre)?

13.  Welche und wie viele diesbezügliche strafrechtliche Verfahren wurden in den Jahren 2010 bis 2012 abgeschlossen?

Wie viele betrafen MitarbeiterInnen von Pharmaunternehmen und Medizinproduktehersteller bzw. Verantwortliche und MitarbeiterInnen im österreichischen Gesundheitswesen (Aufschlüsselung der Anzahl bzw. Fälle auf Jahre)?

 

14.  Zu welchen Ergebnissen führten in den Jahren 2010 bis 2012 jeweils diese strafrechtlichen Verfahren?

Wie wurden diese bei Gericht erledigt (Ersuche um Aufschlüsselung der Fälle auf Jahre und Staatsanwaltschaften bzw. Gerichte)?

15.  Wie viele Strafverfahren gab es in den Jahren 2010 bis 2012 wegen Verdachts auf Bestechung, Geschenkannahme, Steuerhinterziehung etc., gegen Verantwortliche von Pharma- oder Medizinproduktunternehmen bzw. gegen Verantwortliche und MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen oder in Krankenanstalten in Österreich (Aufschlüsselung der Fälle auf Jahre)?

16.  Wie viele diesbezügliche strafrechtliche Verfahren wurden in den Jahren 2010 bis 2012 abgeschlossen?
Wie viele betrafen MitarbeiterInnen von Pharmaunternehmen und
Medizinproduktehersteller bzw. Verantwortliche  und MitarbeiterInnen im österreichischen Gesundheitswesen (Aufschlüsselung der Anzahl bzw. Fälle auf Jahre)?

17.   Zu welchen Ergebnissen führten in den Jahren 2010 bis 2012 jeweils diese strafrechtlichen Verfahren?
Wie wurden diese bei Gericht erledigt (Ersuche jeweils um Aufschlüsselung der Fälle auf
Jahre und Staatsanwaltschaften bzw. Gerichte)?

18.  Wie viele Anzeigen nach §55 AMG (verbotene Geschenkannahme) wurden in den Jahren 2010 bis 2012 erstattet?
Wie viele betrafen ÄrztInnen, MitarbeiterInnen von Pharmaunternehmen und Medizinproduktehersteller sowie Verantwortliche und MitarbeiterInnen im österreichischen Gesundheitswesen?
Wie wurden diese Anzeigen bei Gericht erledigt (Aufschlüsselung jeweils auf Jahre und Staatsanwaltschaften bzw. Gerichte)?

19.  Wie viele Strafanzeigen wurden in den Jahren 2010 bis 2012 nach § 153 StGB (Untreue) erstattet?
Wie viele betrafen ÄrztInnen, MitarbeiterInnen von Pharmaunternehmen und Medizinproduktehersteller sowie Verantwortliche und MitarbeiterInnen im österreichischen Gesundheitswesen?
Wie wurden diese Anzeigen bei Gericht erledigt (Aufschlüsselung jeweils auf Jahre und Staatsanwaltschaften bzw. Gerichte)?

20.  Wie viele Strafanzeigen wurden in den Jahren 2010 bis 2012 nach § 153 a StGB (Geschenkannahme durch Machthaber) erstattet?
Wie viele betrafen ÄrztInnen, MitarbeiterInnen von Pharmaunternehmen und Medizinproduktehersteller sowie Verantwortliche und MitarbeiterInnen im österreichischen Gesundheitswesen?
Wie wurden diese Anzeigen bzw. Gericht erledigt (Aufschlüsselung jeweils auf Jahre und Staatsanwaltschaften bzw. Gerichte)?

21.  Wie viele Strafanzeigen wurden in den Jahren 2010 bis 2012 nach §§304-308 StGB (Verletzung der Amtspflicht und verwandte strafbare Handlungen) erstattet?
Wie viele betrafen ÄrztInnen, MitarbeiterInnen von Pharmaunternehmen und Medizinproduktehersteller sowie Verantwortliche und MitarbeiterInnen im österreichischen Gesundheitswesen?
Wie wurden diese Anzeigen bei Gericht erledigt (Aufschlüsselung jeweils auf Jahre und Staatsanwaltschaften bzw. Gerichte)?