14414/J XXIV. GP

Eingelangt am 11.04.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Verdacht der schweren Korruption in der Justizwache

BEGRÜNDUNG

 

Die Wochenzeitung „Falter" berichtete in der Nr. 12/2013 vom 20.03.2013 folgendes:

 

„Die Beschwerde der Wärterinnen

Sexuelle Belästigung durch FPÖ-Politiker, Missbrauch von Insassinnen, Bestechung durch Topverteidiger, Schmuggel von Drogen durch Beamte: Justizbeamtinnen in Wiens größtem Gefängnis erheben schwerste Vorwürfe - aber die Justiz lässt sie im Stich.

[…]

Es geht in diesem zweiten Fall nicht um sexuelle Belästigung von Kollegen oder um Christian Lausch, sondern um organisierte Korruption und vermutlich auch sexuelle Ausbeutung von Insassinnen durch vier andere Beamte. Es geht um den Verdacht, dass ein konspirativ arbeitendes Netzwerk von Wärtern von einem prominenten Spitzenverteidiger und seinen Klienten geschmiert wurde, um Kriminelle mit Handys und Drogen zu versorgen.

Maria M. nennt die Vorgänge "das System“. Gefangene, so hatten ihr Insassen anvertraut, könnten beim Besuch des bekannten Anwalts (Name der Redaktion bekannt, Anm.) "diesem ihre Sonderwünsche mitteilen“.

Der Anwalt besteche dann Justizbeamte, die die Wünsche der Gefangenen (Drogen, Handys) erfüllen. Das Schmiergeld liege in Kuverts in der Kanzlei zur Abholung bereit.

Die Revierinspektorin wollte das alles nicht glauben und versuchte, den Gerüchten auf den Grund zu gehen. Können sich Mafiabosse oder verhaftete Auftragskiller in der Justizanstalt Josefstadt Telefone besorgen? Werden hier von Beamten im Auftrag von Anwälten Drogen hereingeschmuggelt? Wenn ja, um welchen Preis? Und was bedeutet das alles für die Sicherheit von Opfern?

"Da dies für mich alles undenkbar war“, sagt die Beamtin vor ihren Vorgesetzten aus, "habe ich in der behaupteten Rechtsanwaltskanzlei wegen dort angeblich hinterlegten Geldkuverts vom Handy meiner Tochter aus angerufen, um dort unter dem Vorwand, ich würde so ein Kuvert für einen Bekannten aus der Justizanstalt Josefstadt (dessen Namen ich leider nicht mehr genau weiß) abholen wollen, einen Nachweis über das Bestehen dieser Kuverts zu erlangen.“

Die Beamtin traute ihren Ohren nicht: "Es wurden mir von einer Angestellten der Anwaltskanzlei die Familiennamen von Revierinspektor X., Revierinspektor Y. sowie Revierinspektor Z. (Anfangsbuchstaben verändert, Red.) von den dort deponierten Kuverts vorgelesen“. Die Beamtin "war darüber dermaßen entsetzt und schockiert, sodass ich das Gespräch anschließend beendete“.

Das Geld, so vermutete die Beamtin, soll nicht nur für geschmuggelte Handys, sondern vor allem auch für Drogen geflossen sein. Die Beamten hätten die Drogen besorgt. "Die Suchtmittel würden in der Wäscherei und im Verwaltungstrakt (zum Beispiel in der Kaffeeküche im fünften Stock) deponiert und teilweise auch vor Ort von den Insassinnen konsumiert“, sagt sie aus. Das Gift sei zwischen Wäschestücken hineingeschmuggelt worden.

Bezahlt wurden die Beamten laut Anzeige offenbar nicht nur mit Geld, sondern auch mit Leistungen, die man in der Josefstadt "Sonderreinigungen“ nannte. "Manche Beamte wollten zum Putzen keine fetten Zigeunerinnen, sondern die blonden Polinnen mit den Busen“, erinnert sich eine Justizwachebeamtin. Das sei schon auffällig gewesen.

Auch die Beamtin Maria M. sagt aus, dass ein beschuldigter "Gruppeninspektor an einem Wochenende eine ganz bestimmte Insassin M. persönlich und zusätzlich für eine Sonderreinigung im Wachzimmerbereich“ angefordert habe. Das sei höchst ungewöhnlich, weil man sich die Insassinnen, die Putzdienste leisten müssen, nicht aussuchen könne.

Drei Stunden sollte die Insassin abgestellt werden - um Computer und Funkgeräte zu putzen, wie es offiziell hieß. Doch "im Zuge einer Kontrolle konnte festgestellt werden, dass die Computer im gesamten Wachzimmerbereich wie bisher verstaubt waren und somit eine dreistündige Reinigung an den Geräten nicht nachvollzogen werden kann“.

Was also geschah in den drei Stunden? Zwei von fünf Insassinnen, die sich der Beamtin anvertraut hatten, wurden von der Staatsanwaltschaft einvernommen. Sie erzählten, dass es von Beamten Koks gab. Von sexueller Ausbeutung berichteten sie nicht. Nur so viel: Ein Beamter hätte sich in eine Insassin verliebt und sie "gestreichelt“. Die Beamten selbst weisen die Vorwürfe zurück. Einer gibt "ein Bussi“ zu. Peter Prechtl, der Leiter der Vollzugsdirektion, hat all diese Vorwürfe vor sechs Monaten protokolliert und der Staatsanwaltschaft übermittelt. Die Staatsanwaltschaft Wien informierte die Oberstaatsanwaltschaft am 8. Januar. Dann wanderte der Akt in die Sektion 3 von Justizministerin Beatrix Karl.


Man würde erwarten, dass nun eiligst Observationen, Hausdurchsuchungen, Telefonüberwachungen und vielleicht sogar ein großer Lauschangriff durch professionelle Korruptionsermittler angeordnet werden.

Man würde U-Haft-Anträge erwarten und wohl auch Suspendierungen. Gewiss würden nun Beweise gesichert und die Beschuldigten hart befragt, Korruptionsermittler rotieren und die mutmaßlichen Opfer und Kronzeugen würden geschützt werden.

Doch nichts von dem geschieht. Der Fall wird wie ein Hendldiebstahl behandelt - ohne großes Tamtam. Zunächst wird er auf zwei Staatsanwältinnen aufgeteilt. Eine soll sich um die Sexualstraftaten kümmern, die andere um die Korruptionsvorwürfe in den eigenen Reihe.

Die erste Anklägerin bittet die Polizei um Einvernahmen der Insassinnen, die erst mühsam ausgeforscht werden müssen. Die zweite Anklägerin unternimmt derweil nichts. Der schwer belastete Anwalt wurde bis heute nicht zu den Bestechungsvorwürfen einvernommen. "Mich hat niemand befragt“, sagt er. Auch die Beamten wurden bislang nur zum Drogenschmuggel, nicht aber zu den Schmiergeldkuverts befragt.

Noch etwas ist auffällig: Die Strafsektion im Justizministerium wurde über diese Causa nicht informiert. Nur die Personalsektion bekam den Akt vorgelegt.

"Es hat sich bei uns ein Netzwerk von Beamten breitgemacht, die sich alles erlauben können und von den Personalvertretern geschützt werden“, sagt ein Whistleblower. "Die kritischen Geister im System werden verlacht, ihre Anzeigen zurückgelegt oder vergessen, wichtige Beweise verschlampt.“ Ein anderer Spitzenbeamter sagt: "Was immer die Beamten hier anstellen, sie können auf die Solidarität der Kollegen vertrauen und auf den Entlassungsschutz.“

Die Staatsanwaltschaft Wien sieht mittlerweile "Kommunikationsfehler“ ein. In Hintergrundgesprächen werden auch im Justizministerium Unterlassungen eingestanden.

Eine Maßnahme wurde allerdings sehr schnell umgesetzt: Die Hauptbelastungszeugin Maria M. wurde aus der Justizanstalt Josefstadt abgezogen und nach Niederösterreich versetzt. "Freiwillig“ und "zum eigenen Schutz“, so die offizielle Begründung.“

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Seit wann sind der Staatsanwaltschaft Wien die am 9. Oktober 2012 gegenüber der Vollzugsdirektion zu Protokoll gegebenen Verdächtigungen gegen Justizwachebeamte und einen Rechtsanwalt bekannt?

2)    Wann wurde die Sektion 3 des Bundesministeriums für Justiz über die Sache informiert?


3)    Stimmt es, dass in der Sache nicht an die Sektion 4 des Bundesministeriums für Justiz berichtet wurde?

4)    Wenn ja, warum nicht?

5)    Wann haben Sie von den Verdächtigungen in der Sache erfahren?

6)    Auf Grund des Verdachts der Begehung welcher strafbaren Handlungen wurden in der Sache Ermittlungen eingeleitet?

7)    Wie viele Personen wurden in der Sache als Beschuldigte einvernommen?

8)    Wie viele Personen wurden in der Sache als Zeugen einvernommen?

9)    Stimmt es, dass der betroffene Rechtsanwalt in der Sache nicht einvernommen wurde?

10) Wenn ja, warum erfolgte keine Einvernahme?

11) Welche sonstigen Ermittlungsschritte wurden in der Sache eingeleitet?

12) Stimmt es, dass es bis zum Erscheinen des obigen Artikels keine Telefonüberwachung, keine Observation und keine Einvernahme des Hauptbeschuldigten gegeben hat?

13) Wenn ja, warum wurden diese Ermittlungsschritte unterlassen?

14) Was ist der aktuelle Stand der Verfahren?

15) Wurden Verfahrensteile eingestellt?

16) Wenn ja, welche?

17) Wurden gegen die betroffenen Beamten Ihres Hauses dienst- oder disziplinarrechtliche Verfahren eingeleitet?

18) Wenn nein, warum nicht?

19) Halten Sie aufgrund der massiven Vorwürfe gegen die Beamten Ihres Hauses, das bisherige Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden für ausreichend, um eine rasche Aufklärung der Vorwürfe zu erreichen?

20) Welche Unterlassungen haben Sie, wie im zitierten Artikel berichtet, bereits eingestanden?