14788/J XXIV. GP

Eingelangt am 21.05.2013
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Anfrage

 

 

des Abgeordneten Gerhard Huber

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Strafverfahren gegen Sachverständige

 

Nachdem die Verursachung eines Dauerverlustes eines Elternteiles, nämlich die Erzeugung von PAS (Entfremdung eines Elternteiles), in der einschlägigen Fachliteratur ausdrücklich als psychischer Kindesmissbrauch gewertet wird, es sich daher um eine vorhersehbare Gesundheitsschädigung von Kindern handelt, die Kinder entwicklungspsychologisch im höchsten Maße gefährdet, und auch Langzeitfolgen absehbar sind, werden immer wieder Strafverfahren gegen Sachverständige eingeleitet.

 

Ein Verfahren wurde beispielsweise gegen die Sachverständige Dr. E. S. von der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachtes gemäß § 12, 92 StGB (Aktenzeichen 55 St 164/11d) geführt. In diesem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sollte abgeklärt werden, ob in dem Gutachten der Sachverständigen Fehler in der Befunderhebung, -auswertung und gutachterlichen Folgerungen feststellbar sind. Im konkret angeführten Fall sollte das Gutachten auch darüber befinden, ob über die Motivation der beiden Kinder zur Ablehnung der Kontakte zum Kindesvater genügend Erhebungen durchgeführt worden sind und ob diese Ablehnung zur Grundlage der Empfehlung genügte, Kontakte mit dem Vater zumindest bis zur rechtskräftigen Ehescheidung nicht zu empfehlen. Dies geht aus dem Bestellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Wien hervor.

Im konkret angeführten Fall beauftragte die Staatsanwaltschaft die Sachverständige DDr. W. mit einer Gutachtenserstellung. Kurz nach Beginn der Gutachtenserstellung durch DDr. W. wurde ohne ersichtlichen Grund ein neuer Staatsanwalt eingesetzt, der den Auftrag aufhob und das Verfahren einstellte.

Im Zuge einer Akteneinsicht durch den Rechtsvertreter Dr. T. K. konnte dieser am 21.11.2011 den Aktenvermerk vom 4.11.2011 einsehen – eingetragen am Antrags- und Verfügungsbogen – mit folgendem Inhalt: „Telefonat mit Sachverständiger Dr. W.: Das Gutachten wurde bereits begonnen. Aus Sicht der Sachverständigen – soweit sie dies bislang schon beurteilen kann – weist das Gutachten von Dr. E. S. mehrere Schwächen auf. Frau DDr. W. stimmt jedoch mit dem Staatsanwalt überein, keine Anhaltspunkte für vorsätzliche falsche Gutachtenserstattung bisher gefunden zu haben“.

 

Fallbezogen von Interesse ist beispielsweise, ob auch andere Tatbestände in Betracht gezogen worden bzw. wie diese mit welchen Begründungen abgelehnt worden sind. Insbesondere ist von Interesse, ob auch das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung geprüft worden ist und, wenn ja, wie das Verhalten des Gutachters eingestuft wurde bzw. ob Erwägungen zu einer möglichen Garantenstellung des Gutachters stattgefunden haben.

 

Abstrakt betrachtet erscheint hinterfragenswert, wie weit die strafrechtliche Haftung von Gutachtern generell reicht bzw. wie die Entwicklung in der strafrechtlichen Praxis ist.

 

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende

 

ANFRAGE:

 

1.    Wie viele Verfahren wurden in den Jahren 2010, 2011, 2012 und bisher im Jahr 2013 gegen Sachverständige wegen des Verdachts welcher Straftaten geführt? (Bitte aufgegliedert nach Jahren, Delikten und nach Bundesländern)

 

2.    Wie viele dieser Verfahren führten in den Jahren 2010, 2011, 2012 und bisher im Jahr 2013 zu Verurteilungen? (Bitte aufgegliedert nach Delikten und Strafen samt Fallbeschreibungen)

 

3.    Wie viele dieser Verfahren wurden in den Jahren 2010, 2011, 2012 und bisher im Jahr 2013 mit welchen (sachlichen) Begründungen eingestellt?

 

4.    Wie viele Verfahren wurden in den Jahren 2010, 2011, 2012 und bisher im Jahr 2013 gegen Sachverständige in Pflegschaftsverfahren wegen des Verdachts welcher Straftaten geführt? (Bitte aufgegliedert nach Jahren, Delikten und nach Bundesländern)

 

5.    Wie viele dieser Verfahren führten in den Jahren 2010, 2011, 2012 und bisher im Jahr 2013 zu Verurteilungen? (Bitte aufgegliedert nach Delikten und Strafen samt Fallbeschreibungen)

 

6.    Wie viele dieser Verfahren wurden in den Jahren 2010, 2011, 2012 und bisher im Jahr 2013 mit welchen (sachlichen) Begründungen eingestellt?


 

7.    Wegen welcher Straftatbestände wurde und wird in der Praxis ermittelt bzw. welche konkreten Straftatbestände in Betracht gezogen, wenn der Vorwurf auf die Erstellung von fehlerhaften, nicht dem wissenschaftlichen Stand entsprechenden Gutachten in Pflegschaftsverfahren lautet und eine unzulässige Entfremdung von Kindern, die in der Literatur als Gesundheitsschädigung eingeordnet wird, nicht auszuschließen ist?

 

8.    Wie viele derartige Verfahren gab es in den Jahren 2010, 2011, 2012 und bisher im Jahr 2013 und wie endeten diese jeweils?

 

9.    Wurde Sachverständigen in derartigen Verfahren sowie in sonstigen Pflegschaftsverfahren eine Garantenstellung für die von ihnen zu begutachtenden Minderjährigen eingeräumt bzw. welche Ansichten werden vertreten und wie wird dies in der Praxis gehandhabt?

 

10. Welche strafrechtlichen und strafrechtsdogmatischen Probleme stellen sich hauptsächlich hinsichtlich der Haftung von Gutachtern in derartigen Verfahren sowie in sonstigen Pflegschaftsverfahren und wie werden diese in der Praxis gehandhabt?

 

11. Wie wird in der gerichtlichen Praxis der Problematik der Entfremdung während laufender Gerichtsverfahren entgegengewirkt bzw. sichergestellt, dass beide Elternteile regelmäßig Kontakt mit dem Kind haben?

 

12. Welche diesbezüglichen Erfahrungswerte gibt es und sind Verbesserungen seit der jüngsten Reform wahrnehmbar?

 

13. Mit welcher konkreten Begründung wurde das Strafverfahren mit dem Aktenzeichen 55 St 164/11d eingestellt?

 

14. Welche Straftatbestände wurden in Betracht gezogen und mit jeweils welcher Begründung abgelehnt?

 

15. Wurde der Straftatbestand der fahrlässigen Körperverletzung geprüft?

 

16. Wenn nein, warum nicht?

 

17. Wenn ja, mit welcher konkreten Begründung wurde der Tatbestand abgelehnt?

 

18. Warum wurde die anfänglich zuständige Staatsanwältin „ausgewechselt“?

 

19. Gab es politische Interventionen im Rahmen des Verfahrens?


 

20. Wie viele „Beschwerden“ über die Sachverständige Dr. E. S. sind dem Bundesministerium für Justiz seit 2010 bekannt geworden?

 

21. Welche Maßnahmen haben Sie in diesem Zusammenhang getroffen?