15075/J XXIV. GP
Eingelangt am 13.06.2013
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Anfrage
der Abgeordneten Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Untergrabung der Klimaschutzpolitik der Bundesregierung durch ÖVP Europaabgeordnete
„Im Sektor Energieaufbringung ist der Emissionshandel (EH) die zentrale Maßnahme zur Erreichung des sektoralen Klimastrategie-Ziels.“
(Lebensministerium,
Fortschrittsbericht 2012 nach §6 Klimaschutzgesetz, September 2012, S.9)
„Wichtigste Maßnahme im Sektor Industrie und produzierendes Gewerbe ist der Emissionshandel.“
(Ebd.)
“Austria in principle supports the Commission’s backloading proposal,”
(Sprecherin Lebensministerium
gegenüber Reuters Point Carbon News Service, 28.1.2013)
„Grundsätzlich hat (Wirtschaftsminister, A.d.R.) Mitterlehner Verständnis für die Reduktion signalisiert, falls garantiert sei, dass die Zertifikate bei einer Konjunkturerholung wieder auf den Markt kommen.“
(Die Presse, 16.4.2013)
Am 16. April 2013 hat das Europäische Parlament mit äußerst knapper Mehrheit gegen eine von der Kommission gewünschte Verknappung von CO2-Verschmutzungsrechten mit dem Ziel der Rettung des vor dem Kollaps stehenden europäischen Emissionshandelssystems (ETS) gestimmt. Diese Abstimmung hat den europäischen Klimaschutz in eine tiefe Krise gestürzt.
War ursprünglich ein Preis von rund 30 Euro pro Tonne CO2 vorgesehen, so fiel der Preis wegen Überallokation der Zertifikate im Emissionshandel zuletzt auf unter 3 Euro. Der Effekt: Das Emissionshandelssystem, durch das die europäischen Industriebestriebe ihren CO2-Ausstoß verringern sollen, funktioniert nicht mehr.
Der Rettungsvorschlag der Kommission über eine zeitlich befristete Herausnahme von 900 Mio. CO2-Zertifikate aus dem Markt wurde mit nur einer haudünnen Mehrheit von 334 gegen 315 abgelehnt. Die sechs österreichischen EU-Abgeordneten der ÖVP-Fraktion hatten in der Plenarsitzung in Straßburg geschlossen gegen den Kommissionsvorschlag gestimmt.
In einem zweiten Anlauf steht der Kommissionsvorschlag am 19.6. im Umweltausschuss und am 3.7. im Plenum des Europäischen Parlaments neuerlich zur Abstimmung. Im Vorfeld ist bekannt geworden, dass der österreichische ÖVP-Abgeordnete Seeber wiederum die Ablehnung dieser entscheidenden EU-Klimaschutzmaßnahme beantragen wird. Darüber hinaus bringt Seeber mehrere Änderungsanträge ein, die auf eine Verwässerung des Kommissionsvorschlags zur Notreparatur des Emissionshandelssystems abzielen. Seine Anträge gleichen dabei zum Teil wortgleich einem per Lobby-Brief an EU-Politiker ergangenen Forderungskatalog der Industriellenvereinigung, wie das Nachrichtenmagazin Profil berichtete (10.6.2013). Dieser Brief liegt auch den Grünen vor.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Angesichts der großen Bedeutung des Emissionshandels für die österreichische Klimastrategie: Unterstützt die Bundesregierung Versuche der Kommission zur Rettung und Aufrechterhaltung des europäischen Emissionshandelssystem durch die zeitliche befristete Herausnahme von Emissionszertifikate aus dem Markt („Backloading“)?
2) Wenn ja:
a) Mit welchen konkreten Initiativen können Sie diese Unterstützung belegen?
b) Sind Sie der Auffassung, dass die Aktivitäten der ÖVP-Abgeordneten im Europäischen Parlament, insbesondere des Abgeordneten Seeber, die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung untergraben?
c) Wenn ja (Frage 2b): Welche Schritte gedenken Sie zu unternehmen, um eine kohärente Positionierung Österreichs zur Klimapolitik auf europäischer und nationaler Ebene zu erzielen?
3) Wie bewerten sie die Initiativen der ÖVP-Abgeordneten im Europäischen Parlament zum Emissionshandel im Hinblick auf die europäische Klimaschutzpolitik?
4) Sind sie der Auffassung, dass die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ausgerichtet ist?
5) Wenn ja, woran erkennen die Bürgerinnen und Bürger das?
6) Angesichts der Tatsache, dass die Änderungsanträge des Abgeordneten Seeber zum Teil wortident mit dem entsprechenden Lobby-Brief der Industriellenvereinigung zum gegenständlichen Thema sind, teilen Sie die Auffassung, dass die Industriellenvereinigung die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung untergräbt?
6) Wenn ja, teilen Sie die Auffassung, dass der manifest erhebliche Einfluss der Industriellenvereinigung auf die österreichische Klimaschutzpolitik den Interessen der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes zuwiderläuft?
7) Wenn ja, welche Schritte gedenken Sie dagegen zu unternehmen?
8) Wie bewerten Sie das oben beschriebene Lobbying der Industriellenvereinigung auf europäischer Ebene im Hinblick auf die Klimaschutzpolitik?