15243/J XXIV. GP

Eingelangt am 25.06.2013
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Anfrage

 

der AbgeordnetenDr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

betreffend Welterbe Semmering

 

In Ihrer Anfragebeantwortung vom 15. März 2013 (BMUKK-10.000/0009-III/4a/2013) teilen Sie zur Frage 2 mit, „dass die Bezeichnung ‚Semmeringbahn mit umgebender Landschaft‘ nicht der Terminologie der UNESCO entspricht“. Im Schreiben vom 19. Dezember 2011 (BMUKK-24.621/0365-IV/3/2011) teilt Frau MinR Dr. Elsa Brunner dem deutschen Journalisten Hubertus Godeysen mit: „Der Beschluss des Welterbekomitees zur Eintragung der Bahn lautet auf ‚Semmering Railway‘, also ‚Semmeringbahn‘. Die zuweilen anzutreffende Formulierung ‚Semmeringbahn und umgebende Kulturlandschaft‘ widerspricht eindeutig dem offiziellen Beschluss.“

Die „Bürgerinitiative für eine lebenswerte Steiermark“ hat nun eine Expertise erstellen lassen, um nationale und internationale Entscheidungsträgern sowie die Weltöffentlichkeit über die drohende Gefahr, die das Projekt „Semmering-Basistunnel neu“ für das Welterbe „Semmeringbahn mit umgebender Landschaft“ darstellt, zu informieren.

In dieser Expertise weist DI Christian Schuhböck nach, dass selbst das Kulturministerium in seinen Publikationen die Bezeichnung „Semmeringbahn und umgebende Landschaft“ verwendet. Als Beispiel führt er den Folder „Die UNESCO-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ aus dem Jahr 2001 an. Ebenso verwendet die Österreichische UNESCO-Kommission in ihren Publikationen die Bezeichnung „Semmeringbahn und umgebende Landschaft“. Als Beispiel führt DI Schuhböck die Publikation „Welterbe für junge Menschen – Österreich – Ein Unterrichtsmaterial für Lehrerinnen und Lehrer“ aus dem Jahr 2007 an.

DI Schuhböck, ein auf UNESCO-Welterbestätten, Nationalparks und internationale Schutzgebiete spezialisierter Gerichtssachverständiger für Naturschutz und Landschaftsökologie, hält außerdem fest, dass auf der UNESCO-Homepage http://whc.unesco.org/en/list/785/documents/ zwar jene Karte abgebildet ist, die im Auftrag des „Vereins Freunde der Semmeringbahn“ erstellt wurde, aber zugleich angeführt wird, dass diese Karte für die UNESCO in keiner Weise bindend ist – weder was den Umfang noch was die Begrenzung betrifft. So heißt es dort wortwörtlich: „The documents you are about to consult were prepared by the concerned State Party aiming inscription of a property on the World Heritage List. The information included and the opinions expressed are not necessarily those of UNESCO and do not commit the Organization. The cartographic material presented do not imply the expression of any opinion whatsoever on the part of UNESCO concerning the legal status of any country, territory, city or area or of its authorities, or concerning the delimitation of its frontiers or boundaries.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Hat das Kulturministerium mit seinem Folder „Die UNESCO-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“, der mit Steuergelder finanziert wurde und später sogar weitere Auflagen erfuhr, die Öffentlichkeit falsch informiert, wenn die offizielle Bezeichnung laut BMUKK (angeblich) nur „Semmeringbahn“ lautet?

 

2)    Werden von Lehrerinnen und Lehrern in Schulen Unterrichtsmaterialien verwendet, die falsch über Österreichs Welterbe informieren, wenn die offizielle Bezeichnung laut BMUKK (angeblich) nur „Semmeringbahn“ lautet?

 

3)    Weshalb verwendet die UNESCO in ihrer aktuellen autorisierten Veröffentlichung „Das Welterbe“ (vollständig aktualisierte Nachauflage 2011; ISBN 978-3-89405-776-3) nach wie vor die Bezeichnung „Semmeringbahn mit umgebender Landschaft“, wenn die offizielle Bezeichnung laut BMUKK (angeblich) nur „Semmeringbahn“ lautet?

 

4)    Weshalb führt die Deutsche UNESCO-Kommission auf ihrer Homepage http://unesco.de/welterbeliste.html die Bezeichnung „Semmeringbahn mit umgebender Landschaft“, wenn die offizielle Bezeichnung laut BMUKK (angeblich) nur „Semmeringbahn“ lautet?

 

5)    Da die Republik Österreich auch die Kulturlandschaft des Semmerings als Bestandteil der „Semmeringbahn – Kulturlandschaft“ (http://whc.unesco.org/uploads/nominations/ 785.pdf) nominiert hat, wurde die Kulturlandschaft auch sehr umfangreich beschrieben – nämlich von Seite 23 bis 61 (39 Seiten). Die Semmeringbahn wurde hingegen nur auf 8 Seiten (S. 15 - 22) beschrieben. Weshalb wurde die Kulturlandschaft derart umfangreich beschrieben, wenn laut BMUKK (angeblich) nur die Semmeringbahn („Semmering Railway“) das Welterbe bildet?

 

6)    Laut DI Schuhböck werden zwar Nationalparks in Kern- und Pufferzonen unterteilt, nicht aber UNESCO-Welterbestätten. Dies geht auch aus den UNESCO-„Richtlinien für die Durchführung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ hervor, wenn dort festgehalten wird, dass „Pufferzonen in der Regel nicht Bestandteil des angemeldeten Gutes sind“.

Weder im offiziellen Nominierungsdokument der Republik Österreich vom 21. September 1995, unterzeichnet von der damaligen Kulturministerin Elisabeth Gehrer, noch in der von Ihnen angeführten ICOMOS-Beschreibung im Dokument World Heritage List Semmeringbahn (Austria) No 785 http://whc.unesco.org/archive/ advisory_body_evaluation/785.pdf findet sich irgendein Hinweis, dass die Welterbestätte in Kern- und Pufferzonen unterteilt ist.

Pufferzonen können zwar gemäß UNESCO-Richtlinien vorgesehen werden, nur haben diese das angemeldete Gut zu umgeben und keinesfalls zu unterteilen. Die von Ihnen angeführte Karte http://whc.unesco.org/download.cfm?id_document=102282 gibt daher weder den Inhalt des Nominierungsdokuments „Semmeringbahn – Kulturlandschaft“ der Republik Österreich noch die Evaluierung von ICOMOS korrekt wieder.

Wie erklären Sie sich die Diskrepanz zwischen der Karte und all den anderen offiziellen Dokumenten im Zusammenhang mit dem Welterbe „Semmeringbahn mit umgebender Landschaft“?

 

7)    Die vom „Verein Freunde der Semmeringbahn“ erstellte Karte wurde seitens der UNESCO nie als offizielles Dokument anerkannt.

Teilen Sie demnach nicht auch die Meinung, dass durch diese Karte die Weltöffentlichkeit als auch die UNESCO bewusst in die Irre geführt wird, ist doch das von der Republik Österreich eingereichte und von ICOMOS evaluierte und vom UNESCO-Welterbe-Komitee anerkannte Welterbe-Gebiet nie in Kern- und Pufferzonen unterteilt worden?

 

8)    Auf Seite 19 des offiziellen Nominierungsdokuments der Republik Österreich vom 21. September 1995 wird die Semmeringbahn gleich im 1. Absatz wie folgt beschrieben: „The almost 41 km long route of the Semmering Railway begins at Gloggnitz Station at an altitude of 436 m above sea level. After a travelling 29 km it reaches its highest Point at 895 m above sea level in the tunnel over the pass and ends after a further 12 km in the Mürzzuschlag Station at 677 m above sea level. It can be roughly divided up into 4 stages according to the terrain it passes through: …“

Mit anderen Worten: Die Semmeringbahn beginnt in der Station Gloggnitz und endet in der Station Mürzzuschlag. Dies hält auch ICOMOS in seiner Beschreibung auf S. 113 fest (http://whc.unesco.org/archive/advisory_body_evaluation/785.pdf).

Tatsache ist auch, dass sich die Station Gloggnitz bei Bahn-km 75,00 befindet.

Weshalb wird dann in der vom „Verein Freunde der Semmeringbahn“ erstellten Karte, wie sie im Managementplan abgebildet ist und wie sie der UNESCO seitens der Republik Österreich zugeleitet wurde (http://whc.unesco.org/download.cfm?id_document =102282), der Bahn-km 75,65 als Beginn des Welterbes Semmeringbahn angeführt und nicht korrekterweise der Bahn-km 75,00?

 

9)    1995 wurde die „Semmeringbahn – Kulturlandschaft“ offiziell als UNESCO-Welterbestätte nominiert. Hierbei wurde die Semmeringbahn als Bahnstrecke vom Bahnhof Gloggnitz bis zum Bahnhof Mürzzuschlag definiert und von ICOMOS auch dementsprechend evaluiert.

Hat das BMUKK ICOMOS International und das UNESCO-Welterbe-Zentrum davon in Kenntnis gesetzt, dass später, nämlich per Bescheid des Österreichischen Bundesdenkmalamtes (ÖBDA) vom 17. März 1997, nur die Strecke zwischen den Bahn-km 75,650 bis 114,820 – also nicht die gesamte Semmeringbahn – unter Denkmalschutz gestellt wurde? Bitte übermitteln Sie uns die diesbezüglichen Stellungnahmen der beiden Organisationen im Original-Wortlaut.

 

10) Weshalb wird in der genannten Karte zwischen A2 und A3 ein Stück der Semmeringbahn als Welterbe ausgespart (zwischen diesen beiden Punkten ist die rote Linie [Bahnanlage Semmeringbahn] unterbrochen)? Soll in diesem Bereich der geplante Semmering-Basistunnel in die bestehende Semmeringbahn einschleifen? Soll in diesem Bereich ein Eingriff in das Welterbe Semmeringbahn aufgrund des Tunnels stattfinden?


11) In seinem Buch „Die Semmeringerbahn – Der Bau der ersten Hochgebirgsbahn der Welt“ (Verlag für Geschichte und Politik Wien, 2003; ISBN 3-7028-0395-5) hält Günter Dinhobl im Kapitel 7.1 „Denkmalschutz und Landschaftsschutz“ auf S. 149 wie folgt fest: „Am 17. März 1997 erfolgte durch den Bescheid des ÖBDA betreffend die Semmeringbahn nach über 70 Jahren auch die formale Bestätigung des Schutzstatus der Strecke von Gloggnitz nach Mürzzuschlag, wobei diese beiden Stationen explizit ausgenommen wurden.“

Im Schreiben vom 29. Dezember 2011 (BMUKK-24.621/0274-IV/3b/2011) übermittelte das BMUKK dem UNESCO-Welterbe-Zentrum einen Gastkommentar von Herrn Günter Dinhobl (veröffentlicht in der „Wiener Zeitung vom 29. Juni 2011), wo er genau das Gegenteil behauptet, nämlich dass der Denkmalschutz-Bescheid zur Semmeringbahn im Bahnhof Gloggnitz beginnt.

Halten Sie es für ratsam und rechtlich korrekt, dass die Denkmalschutzabteilung im BMUKK mit Hilfe von Personen, die derart widersprüchlich agieren, die UNESCO von etwas zu überzeugen versucht, was offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht?

 

12) Wird das BMUKK die UNESCO (und im Speziellen das UNESCO-Welterbe-Zentrum) davon in Kenntnis setzen, dass der Brief vom 29. Dezember 2011 (BMUKK-24.621/0274-IV/3b/2011) einen Leserbrief zum Gegenstand hat, dessen Autor (Günter Dinhobl) zum Welterbe „Semmeringbahn mit umgebender Landschaft“ widersprüchliche Aussagen trifft?

 

13) Das BMUKK sollte das UNESCO-Welterbe-Zentrum und ICOMOS International auch davon in Kenntnis setzen, dass Günter Dinhobl ein Mitarbeiter der ÖBB ist, als solcher auch in der mündlichen Verhandlung zum Projekt „Semmering-Basistunnel neu“ aufgetreten ist und im Sinne dieses umstrittenen Projektes, das (jetzt schon) eine Beeinträchtigung des Welterbes „Semmeringbahn mit umgebender Landschaft“ mit sich bringt, agiert.

Wann werden Sie das UNESCO-Welterbe-Zentrum und ICOMOS International von diesem Umstand in Kenntnis setzen?

 

14) Wird das BMUKK auch in Zukunft mit Personen agieren, die widersprüchliche bzw. falsche Aussagen zum Welterbe Österreichs treffen? Wenn nein, welche Vorkehrungen treffen Sie hiefür?

 

15) Der nationale Schutz ist die Grundvoraussetzung für den internationalen Schutz einer UNESCO-Welterbestätte. DI Schuhböck hält in seiner Expertise fest, dass das steiermärkische Landschaftsschutzgebiet „Stuhleck-Pretul“ auf rund ein Drittel seiner ursprünglichen Fläche verkleinert wurde. Hat die Republik Österreich ICOMOS International bzw. das UNESCO-Welterbe-Zentrum davon in Kenntnis gesetzt, dass das Landschaftsschutzgebiet „Stuhleck-Pretul“ zugunsten des Projektes „Semmering-Basistunnel neu“ (SBTn) verkleinert wurde, nämlich gerade in jenem Bereich, wo der SBTn errichtet werden soll? Wenn ja, ersuchen wir um Übermittlung der gesamten Benachrichtigung im Original-Wortlaut.

 

16) Wie steht das UNESCO-Welterbe-Zentrum zum Projekt „Semmering-Basistunnel neu“? Bitte um Übermittlung der gesamten offiziellen Stellungnahme im Original-Wortlaut.


17) Wie steht das UNESCO-Welterbe-Komitee zum Projekt „Semmering-Basistunnel neu“? Bitte um Übermittlung der gesamten offiziellen Stellungnahme im Original-Wortlaut.

 

18) Wie steht ICOMOS International zum Projekt „Semmering-Basistunnel neu“? Bitte um Übermittlung der gesamten offiziellen Stellungnahme im Original-Wortlaut.

 

19) Wie von ICOMOS Austria zu erfahren war, hat Toni Häfiger in seinem (sogenannten) ICOMOS-Bericht nicht die Auswirkungen des Projektes „Semmering-Basistunnel neu“ auf das Welterbe-Gebiet „Semmeringbahn mit umgebender Landschaft“ geprüft. Vielmehr sollen nur die Tunnelportale des geplanten Semmering-Basistunnels in Augenschein genommen worden sein.

Ist dies der Grund, weshalb Ihr Ministerium den Bericht unter Verschluss hält bzw. der Öffentlichkeit vorenthält? Wenn nein, weshalb hält dann Ihr Ministerium den ICOMOS-Bericht von Toni Häfiger unter Verschluss?

 

20) Wie von ICOMOS Österreich auch zu erfahren war, ist ICOMOS Österreich nicht im Besitz (einer Kopie) des von Toni Häfiger verfassten (sogenannten) ICOMOS-Berichts.

Hat das BMUKK den von Toni Häfiger erstellten ICOMOS-Bericht zumindest an ICOMOS International gesandt und liegt von ICOMOS International eine Stellungnahme dazu vor oder wurde auch ICOMOS International dieser Bericht vorenthalten? Sollte eine Stellungnahme von ICOMOS International vorliegen, so ersuchen wir um deren Übermittlung im Original-Wortlaut.