15502/J XXIV. GP

Eingelangt am 08.07.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Finanzen

betreffend Grundsteuer und Verkehrsanlagen - Reformbedarf

 

Verkehrsanlagen (also: Flughäfen, Straßen, Bahntrassen, ...) sind in Österreich derzeit per Bundesgesetz - § 2 Z 1 sowie Z 9 lit. b iVm § 4 Grundsteuergesetz (GrStG) – in mehr oder weniger großem Umfang von der Grundsteuer befreit.

 

Die maßgeblichen entsprechenden Gesetzespassagen lauten:

 

§ 2. Befreiungen.

Keine Grundsteuer ist zu entrichten für:

        1. Grundbesitz

           a) des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes, wenn der Grundbesitz vom Eigentümer für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird (§ 6),

           b) der Österreichischen Bundesbahnen, der für ihre Betriebs- oder Verwaltungszwecke benutzt wird. Die Befreiung beschränkt sich bei dem Grundbesitz, der für Betriebszwecke benutzt wird, auf die Hälfte der an sich zu entrichtenden Steuer;

(…)

9. a) die dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen, Wege, Plätze, Brücken, künstlichen Wasserläufe, Häfen und Schienenwege, einschließlich der Seitengräben, Böschungen, Schutzstreifen, Schneedämme und der zwischen den Gleisen oder Fahrbahnen liegenden Geländestreifen,

           b) den dem Betrieb eines Flughafens des allgemeinen Verkehrs dienenden sowie den für den Flugsicherungdienst benutzten Grundbesitz,

(…)

§ 4. Unmittelbare Benutzung des Steuergegenstandes als Voraussetzung für die Steuerbefreiung.

(1)  Die Befreiung tritt nur ein, wenn der Steuergegenstand für die in den §§ 2 und 3 bezeichneten Zwecke unmittelbar benutzt wird.


(2)  Dient der Steuergegenstand auch anderen Zwecken und wird für die steuerbegünstigten Zwecke ein räumlich abgegrenzter Teil des Steuergegenstandes benutzt, so ist nur dieser Teil befreit.

(3)  Dient der Steuergegenstand oder ein Teil des Steuergegenstandes sowohl steuerbegünstigten als auch anderen Zwecken, ohne daß eine räumliche Abgrenzung für die verschiedenen Zwecke möglich ist, so ist der Steuergegenstand oder der Teil nur befreit, wenn die steuerbegünstigten Zwecke überwiegen.

(…)

Es handelt sich hierbei – wie Studien von WIFO bis Umweltdachverband, teilweise im Auftrag öffentlicher Auftraggeber, seit rund zehn Jahren wiederholt feststellten – um eine „umweltkontraproduktive“ bzw. „umweltschädliche“ Subvention, insbesondere im Hinblick auf den Flug- und den Straßenverkehr. Zum finanziellen Gegenwert dieses Steuergeschenks für Flughäfen, ASFINAG & Co gibt es nur Schätzungen, die sich in Summe jedoch durchwegs im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich pro Jahr bewegen.

Vor dem Hintergrund des unverändert viel zu hohen Flächenverbrauchs in Österreich, aber auch der unmittelbaren Kosten (zu) großzügiger Verkehrsinfrastruktur-Maßnahmen beginnend mit unnötig umfangreichen Grundablösen besteht hier dringender Reformbedarf.

Es ist auch systematisch nicht erklärbar, dass zB Fluglärm-Geschädigte mit Grundstücksentwertungen durch die Lärmbelastung konfrontiert sind, aber trotzdem ohne Abstriche Grundsteuer zahlen müssen, Flughafen Wien und Co als Verursacher hingegen keine Grundsteuer an die Allgemeinheit abführen.

 

Bereits ex lege besteht eine grobe Ungleichbehandlung insbesondere zwischen Flughäfen auf der einen Seite und Bahnhöfen etc auf der anderen Seite – Grundbesitz der ÖBB für Betriebszwecke ist nach § 2 Z 1 nur zur Hälfte befreit, bei Flughäfen ist eine derartige Einschränkung nicht zu erkennen, obwohl es im Hinblick auf die umweltpolitischen Effekte des jeweiligen Verkehrsträgers genau umgekehrt sein müsste.

Verschärfend kommt hinzu, dass es bei der im Sinne des Gesetzes nötigen Abgrenzung, welche Flächen der jeweiligen Verkehrsträger erstens „dem Betrieb dienen“ und zweitens ganz oder überwiegend „für diese Zwecke unmittelbar benutzt werden“ große Interpretationsspielräume gibt. Diese Befreiungsbestimmung wird sehr weit und großzügig zugunsten der Flughäfen ausgelegt, so scheinen sowohl alle Hallen (incl. Shopping-Flächen!) als auch die gewaltigen Parkplatzflächen aus diesem Titel im Wege entsprechender Judikatur steuerbefreit zu sein.

 

Der steuerliche Reformbedarf ist also bei den Verkehrsanlagen für die Luftfahrt aus mehrfacher Perspektive besonders dringlich. Denn derartige steuerliche Schieflagen tragen dazu bei, dass der Flugverkehr billig bleibt und auf Kurzstrecken gegenüber der wesentlich umweltschonenderen Schiene künstlich konkurrenzfähig gehalten wird. Daran kann Österreich auch im Lichte der Klima- und Energieeffizienz-Ziele und der allfälligen Folgen ihrer Nichteinhaltung für die Öffentlichen Finanzen kein Interesse haben.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE

 

1)    Trifft es zu, dass Anlagen des umwelt- und klimaschonenderen Schienenverkehrs ex lege (§ 2 Z 1 lit b vs. Z 9 lit b GStG) weit weniger großzügig mit Grundsteuerbefreiungen versehen sind als Anlagen des Flugverkehrs?

2)    Gibt es dafür eine sachliche Erklärung?

3)    Welchen finanziellen Umfang hat der in § 2 Z 1 lit b) GStG definierte Grundsteuerbefreiungs-Tatbestand im letzten verfügbaren Jahr (bitte um Angabe) bundesweit?

4)    Welchen finanziellen Umfang hat der in § 2 Z 9 lit b) GStG definierte Grundsteuerbefreiungs-Tatbestand im letzten verfügbaren Jahr (bitte um Angabe) bundesweit?

5)    Gibt es zusätzlich zur in Frage 1 angesprochenen Ex-lege-Ungleichbehandlung weitere Ungleichbehandlungen zwischen Schienenverkehrs- und Flugverkehrs-Anlagen, die sich aus Interpretation, Vollzug oder Judikatur etwa von § 4 Abs 1 bis 3 GStG ergeben?

6)    Welchen finanziellen Umfang erreicht der daraus resultierende Vorteil für den bessergestellten Verkehrsträger?

7)    Welche Steuerbefreiungs-Sätze kommen konkret für welche Teile der österreichischen Verkehrsflughäfen zum Tragen:

a)    Welche Teile der österreichischen (Verkehrs-)Flughäfen sind konkret nach § 4 Abs 1 Grundsteuergesetz steuerbefreit?

b)    Welche Teile der österreichischen (Verkehrs-)Flughäfen sind konkret nach § 4 Abs 2 Grundsteuergesetz teil-steuerbefreit?

c)    Welche Teile der österreichischen (Verkehrs-)Flughäfen sind konkret nach § 4 Abs 3 Grundsteuergesetz steuerbefreit?

8)    Welche grundsätzlichen Reformpläne zur bereits mehrfach in wissenschaftlichen Studien kritisch analysierten „umweltschädlichen Subventionierung“ durch Verkehrsanlagen-Grundsteuerbefreiung, deren Gesamtumfang in diesen Studien auf bis zu mehr als 200 Mio Euro im Jahr geschätzt wird, verfolgen Sie bzw Ihr Ressort für welchen Zeithorizont?

9)    Welche Reformpläne speziell im Sinne von Ausgleich bzw. Umkehrung der steuerlichen Ungleichbehandlung zwischen Anlagen des Flugverkehrs und Anlagen des Schienenverkehrs verfolgen Sie bzw Ihr Ressort für welchen Zeithorizont?

10) Können Sie bzw Ihr Ressort beziffern, in welchem Umfang pro Jahr und Verkehrsträger unnötige Grundablösen getätigt werden, die bei weniger großzügiger Grundsteuerbefreiung und daher weniger großzügiger Flächeninanspruchnahme unterblieben wären?

11) Falls nein: Werden Sie eine entsprechende wissenschaftliche Studie in Auftrag geben? Falls nein: Warum nicht?

12) Welche sonstigen Reformschritte zu Steuerprivilegien des Flugverkehrs (Mehrwertsteuer auf Tickets und Treibstoffe, Mineralöl-/Energiebesteuerung des Treibstoffs) verfolgen Sie bzw Ihr Ressort für welchen Zeithorizont?