15557/J XXIV. GP

Eingelangt am 11.07.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten DI Dr. Wolfgang Pirklhuber, Mag.a Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde an den Bundeskanzler

betreffend Missstände bei der Förderungsabwicklung bei EU-Regionalentwicklungs-Programmen

 

In letzter Zeit mehren sich kritische Informationen, wonach es bei einigen im BKA verantworteten bzw. kontrollierten EU-Regionalprogrammen wie etwa „Alpine Space“ oder „Central Europe“ zu gröbsten Zahlungsverzügen und auch zur Nichteinhaltung von Verpflichtungen gemäß den Arbeitsverträgen zwischen den Projektgruppen und der BKA-„First Level Control“ (FLC) kommt.

 

Die Kontrollaufgaben werden vom BKA offensichtlich an private Wirtschaftstreuhänder, Beraterfimen oder Groß-Steuerberaterkanzleien weitergereicht. In diesen Großkanzleien und -büros werden die NeueinsteigerInnen und frisch absolvierten BWL-StudienabgängerInnen mit diesen im Gesamtportfolio-Vergleich meist kleinen aber aufwändigen Aufträgen des Controlling betraut. Hier findet dann offensichtlich weithin Learning by Doing statt, wobei die Projektgruppen und ihren VertreterInnen unfreiwillig als unbezahlte Know-How-Transfer-GeberInnen und Trainee-EntwicklerInnen dieser Berater-Konzerne fungieren „dürfen“.

 

Insgesamt legen voneinander unabhängige Informationen aus unterschiedlichen Projektgruppen nahe, dass sowohl im BKA selbst als auch bei seinen oben umrissenen Auftragnehmern als auch im Bereich der Programmsekretariate Überforderung bei der Programmabwicklung besteht. Da die Gelder für die Projektausführenden und ihre längst geleisteten Arbeiten erst abgerufen werden können, wenn zunächst die Validierung erledigt ist und dann die entsprechenden Claims im jeweils nächsten Progress-Report Eingang gefunden haben (und dann das Abrufen des Geldes nochmals Monate dauert), erfolgen Zahlungseingänge oft weit mehr als ein Jahr nach Fertigstellung der zugrunde liegenden Arbeiten. Unterwegs geht viel an Ressourcen in die – aus Regionalentwicklungs-Perspektive völlig unproduktiven! - oben skizzierten Jungberater-Weiterbildungs-Arbeiten sowie in das Abarbeiten der unzähligen Request-Runden.


Durch derartige Abläufe wird es kleinen Projektträgern und insbesondere solchen aus dem NGO- oder EPU-Bereich indirekt nahezu unmöglich gemacht, an EU-Programmen dieser Art zu partizipieren. Denn keine Organisation, kein Verein und kein Kleinunternehmen dieser Art kann sich Vorfinanzierungen für Personal etc über Zeiträume von 12 bis 18 Monaten leisten. Somit wird durch die beschriebenen Abläufe - gezielt oder fahrlässig - zu einer Marktbereinigung zugunsten von Großorganisationen und -firmen beigetragen. Scheinbar soll das Geld spätestens in der bevorstehenden Programmperiode 2014-2020 in der Verwaltung und in den großen Beratungs- und Forschungseinrichtungen gehalten werden.

Dass dies nicht selten zu Footloose-Effekten führt, indem internationale, in großen Ballungszentren tätige Unternehmen anstelle lokal und kleinregional eingebetteter Projektträger zum Zug kommen und EU-Fördergelder samt nationalen Kofinanzierungsmitteln mit eher standardisierten als individualisierten Leistungen und Produkten abschöpfen können, und dass damit auch wichtige Innovationspotenziale für ein nachhaltiges Wirtschaften mit Zukunft verloren gehen sei am Rande festgehalten. Ebenso, dass personell nicht allzu knapp besetzte Programmsekretariate mit seitenlangen FAQ-Sammlungen und dergleichen aufwarten können, sodass das Problem – jedenfalls auf dieser Ebene – offensichtlich nicht in mangelnden personellen Ressourcen seine Ursache haben kann.

 

Es wäre bedauerlich, würde das Bundeskanzleramt, das aus den ersten Jahrzehnten der professionell betriebenen Regionalentwicklung in Österreich einen guten und innovativen Ruf nicht zuletzt in Sachen „Bodennähe“ zu verteidigen hätte, im Zuge der EU-Professionalisierung eine Entwicklung ins Gegenteil vollziehen.

 

EU-Gelder sollten gerade in Regionalprogrammen den Regionen und regionalen AkteurInnen selbst und nicht nur Einrichtungen „im europäischen Maßstab“ zugutekommen; schließlich werden diese via Brüssel und nationale Stellen eingesetzten Mittel letztlich auch dezentral von der Gesamtheit der SteuerzahlerInnen aufgebracht.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Sind Ihnen die in der Anfragebegründung skizzierten Missstände bei FLC, ausgelagerten Controllingaufgaben, Zahlungsabwicklung und Vertragstreue bei der Abwicklung von EU-Regionalprogrammen, hier insbesondere „Alpine Space“ und „Central Europe“, bekannt?

2)    Wenn ja, wie erklären Sie diese Missstände im Einzelnen?

3)    Welcher Mehrwert für die Qualität der Programmabwicklung und die Qualität der Programmergebnisse ist insbesondere damit verbunden, mit wichtigen Aufgaben im Rahmen dieser Abwicklung Anlern-Personal bei Mainstream-Beraterfirmen zu befassen, dem dann regelhaft die Projektabwickelnden unter die Arme greifen müssen, ohne dass dies sich in ihrem Projektbudget niederschlagen würde?

4)    Welche kurzfristigen Gegenmaßnahmen mit dem Ziel spürbarer Verbesserungen in der noch laufenden Programmperiode a) haben Sie bereits gesetzt, b) werden Sie bis wann setzen?

5)    Welche grundsätzlichen Gegenmaßnahmen im Hinblick auf die bevorstehende neue Programmperiode a) haben Sie bereits gesetzt, b) werden Sie bis wann setzen?

6)    Welcher Anteil der Programmbudgets der genannten Programme wird insgesamt bzw in Österreich a) für FLC incl ausgelagerten Controlling-Aufgaben (bitte Aufgliederung), b) für die jeweiligen Programmsekretariate aufgewendet?

7)    Ist Ihnen bewusst, dass nach dem erst kürzlich aktualisierten EU-rechtlich basierten Zahlungsverzugsgesetz Österreichs Zahlungsfristen der Öffentlichen Hand von in der Regel 30 Tagen, keinesfalls aber mehr als 60 Tagen, vorgesehen sind?

8)    Ist Ihnen bewusst, dass Zahlungsverzögerungen der Öffentlichen Hand gegenüber Projektträgern aus dem NGO-, Vereins- und EPU-Spektrum von 12 bis 18 Monaten selbst hinter dem ansonsten gern kritisierten Zahlungsmoral-Niveau von Staaten wie Italien weit zurückbleiben?

9)    Ist Ihnen bewusst, dass Zahlungsverzögerungen der Öffentlichen Hand gegenüber Projektträgern aus dem NGO-, Vereins- und EPU-Spektrum von 12 bis 18 Monaten aufgrund der begrenzten Möglichkeiten dieser Projektträger zur Vor- und Zwischenfinanzierung dazu geeignet sind, diese Projektträger mittelbar von der Programmteilnahme auszuschließen und damit zu diskriminieren?

10) Ist Ihnen bewusst, dass diese Situation umgekehrt den Konzernen und Großinstitutionen der Beratungs- und Angewandten Forschungsszene einen massiven Konkurrenzvorteil verschafft?

11) Ist die strukturelle Bevorzugung innerstaatlicher, aber auch internationaler Konzerne und Großinstitutionen der Beratungs- und Angewandten Forschungsszene beim Zugang zu EU-Geldern bewusstes Ziel Ihrer Politik? Wenn ja warum?