15566/J XXIV. GP

Eingelangt am 12.07.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Mängel bei der "Strategischen Prüfung Verkehr“ (SP-V/Umsetzung der EU-SUP-Richtlinie) und Fall Linzer Westring

 

Im Regierungsprogramm 2008-2013 „Gemeinsam für Österreich“ war (Seite 86/87) folgendes Vorhaben enthalten:

 

„Novelle des SP-V-G (Umweltprüfung für den Verkehr)

Evaluierung der Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG (SUP-Richtlinie) bezüglich der Gestaltung der vorgelagerten strategischen Prüfung im Verkehrsbereich sowie hinsichtlich der EU-Konformität.

Die Kompetenzlage für Planung, Finanzierung, Genehmigung, Durchführung und Kontrolle ist hinsichtlich möglicher Optimierungspotenziale zu prüfen.“

 

Weiters lautet eine unmittelbar benachbarte Passage des Regierungsprogramms:

 

„Öffentlichkeitsbeteiligung

Die Bundesregierung anerkennt die besondere Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Umweltverfahren und bekennt sich zur Umsetzung der Aarhus-Konvention. Der Umweltinformationsbereich wird weiterhin im Hinblick auf einen erleichterten Zugang verbessert.“

 

Das SP-V-G setzt die angesprochene SUP-Richtlinie der EU (2001/42/EG) im Hinblick auf Bundesstraßen in österreichisches Bundesrecht um. Für den Vollzug dieses Gesetzes ist lt § 11 SP-V-G die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie zuständig.

 

Es bestehen begründete Zweifel an der EU-Konformität dieses Gesetzes in mehrerlei Hinsicht. So wurde etwa durch eigenwillige Bezugnahmen auf andere Teile der EU-SUP-RL als den dafür vorgesehenen Anhang die Strategische Umweltprüfung zu einer Strategischen Verkehrsprüfung „umgestaltet“ – Umweltbelastung sollte mit Verkehrs- statt mit Umweltkriterien bewertet werden. „Schlichtweg nicht umgesetzt“, so das Urteil der EU-Kommission über diesen Trick und seinen Bezug zur EU-RL. Weiters wurden bestimmte Vorhabensarten im SP-V-G so pauschal von einer SUP-Anwendung ausgenommen, dass nicht einmal vor-geprüft werden muss, ob sie voraussichtlich erhebliche Umweltwirkungen haben könnten – ob sonstige hier laut Richtlinie mindestnötige Verfahrensabläufe Richtung „Umweltstellen“ eingehalten wurden, ist im Anlassfall Linzer Westring A26 überdies fraglich. Die EU-RL lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass hier zumindest eine entsprechende Vorprüfung („Screening“) vor einer Ausnahme erfolgen muss - die im SP-V-Gesetz als § 3 Abs 3 Z 4 eingebaute „Lex Westring“ steht somit laut Kommission „nicht im Einklang mit den Anforderungen der SUP-Richtlinie“.

 

Diese gravierenden Diskrepanzen haben unter anderem zu einer detailliert belegten Beschwerde bei der EU-Kommission, einem daraufhin gestarteten Pilotverfahren und nach der offenkundig unbefriedigenden bzw inhaltlich nicht nachvollziehbaren Rückäußerung der Republik in diesem Verfahren nunmehr im Juni 2013 zu einem Mahnschreiben der Kommission an die Republik Österreich geführt.

Darin wird - der Beschwerde folgend - sowohl die grundsätzliche Umsetzung der EU-SUP-RL im SP-V-Gesetz Österreichs an aus Umweltsicht zentraler Stelle als auch die pauschale Ausnahme bestimmter Projekte und Projektänderungen, bei denen ohne jede Prüfung pauschal mögliche Umweltwirkungen ausgeschlossen werden („Lex Westring“), als EU-rechtswidrig angesehen. Zusammenfassend in den Worten des Mahnschreibens:

„Nach Prüfung der Antwort Österreichs ist die Kommission der Auffassung, dass die SUP-Richtlinie nicht ordnungsgemäß in das SP-V-Gesetz umgesetzt wurde und dass die österreichischen Behörden aufgrund dieses Versäumnisses nicht geprüft haben, ob vor der Änderung der Pläne für eine neue Autobahn nahe Linz („Linzer Westring“) eine SUP hätte durchgeführt werden müssen.“

 

Genau diese Bedenken lagen bereits seit Jahren auf dem Tisch und hatten zum zitierten Vorhaben im Regierungsprogramm geführt. Unter anderem untermauerte auch der Rechnungshof diese Kritik 2011 unter Bezugnahme auf den Westring.

 

Daneben gab es auch im Zusammenhang mit der Gestaltung der SP-V bei den bisherigen Anwendungsfällen durchwegs erhebliche Kritik, die Öffentlichkeitsbeteiligung hält mit den Vorgaben der Aarhus-Konvention nicht Schritt und ist insofern ebenfalls potenziell EU-rechtswidrig.

 

Ob und welche Schritte im Sinne des Regierungsvorhabens von 2008 zu diesen Problemfeldern und ihrer Behebung gesetzt wurden, ist angesichts des nunmehrigen Vertragsverletzungsverfahrens brisant, aber nicht öffentlich bekannt.

 

Es wurden insgesamt bereits über 40 Mio Euro (vgl. Rechnungshof) im Zusammenhang mit dem Linzer Westring-Projekt „verbrannt“, einem Projekt das womöglich nicht einmal über eine EU-konforme Rechtsgrundlage verfügt.

Wenn das Verkehrsministerium – trotz Wissen um ein drohendes Vertragsverletzungsverfahren – die derzeit laufende UVP nicht unterbricht, könnten seitens der Projektwerber Amtshaftungsansprüche geltend gemacht werden, weil umsonst in ein UVP-Verfahren mit teuren Gutachten, Vorlaufkosten, etc. „investiert“ wurde. Als Aktiengesellschaft könnte der Projektwerber zu solchen Schritten sogar verpflichtet sein.


Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Fand seit Amtsantritt der derzeitigen Bundesregierung eine „Evaluierung der Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG (SUP-Richtlinie) bezüglich der Gestaltung der vorgelagerten strategischen Prüfung im Verkehrsbereich sowie hinsichtlich der EU-Konformität.“ wie im Regierungsprogramm angekündigt statt?

2)    Wenn ja:

a) Wann (Auftragsdatum und Fertigstellung), durch wen und mit welchen Kosten?

b) Welche Ergebnisse erbrachte diese Evaluierung im Einzelnen?

c) Welche Schritte zur Umsetzung dieser Evaluierungsergebnisse wurden wann im Einzelnen konkret gesetzt?

3)    Wenn nein:

a) Warum nicht?

b) Wer hat die Entscheidung getroffen, dass entgegen der Sachlage und dem Regierungsprogramm keine Neugestaltung der Strategischen Prüfung im Verkehrsbereich (des Bundes) und keine EU-Konformitätsanpassung erfolgen soll?

4)    Welchen Änderungsbedarf sehen Sie aktuell „bezüglich der Gestaltung der vorgelagerten strategischen Prüfung im Verkehrsbereich sowie hinsichtlich der EU-Konformität“?

5)    Wurde seit Amtsantritt der derzeitigen Bundesregierung geprüft, ob die bisherige Gestaltung der Strategischen Prüfung im Verkehrsbereich (des Bundes) der im Regierungsprogramm betonten „besondere(n) Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Umweltverfahren“ und dem dortigen Bekenntnis „zur Umsetzung der Aarhus-Konvention“ gerecht wird (woran fachlich erhebliche Zweifel bestehen, was wegen der Übernahme der Aarhus-Konvention ins EU-Recht eine weitere potenzielle EU-Widrigkeit im SP-V-Gesetz bedeutet)?

6)    Wenn ja:

a) Wann (Auftragsdatum und Fertigstellung), durch wen und mit welchen Kosten?

b) Welche Ergebnisse erbrachte diese Prüfung im Einzelnen?

c) Welche Schritte zur Umsetzung dieser Prüfungsergebnisse wurden wann im Einzelnen konkret gesetzt?

7)    Wenn nein:

a) Warum nicht?

b) Wer hat die Entscheidung getroffen, dass entgegen der Sachlage und dem Regierungsprogramm keine Prüfung der Frage, ob die Umsetzung der Strategischen (Umwelt)Prüfung im Verkehrsbereich (des Bundes) und ihre Anwendung der Aarhus-Konvention und damit dem EU-Recht entspricht, erfolgen soll?

8)    Welchen Änderungsbedarf sehen Sie aktuell bei der SP-V im Hinblick auf die „besondere Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Umweltverfahren“ und auf Ihr Bekenntnis „zur Umsetzung der Aarhus-Konvention“?

9)    Wurde seit Amtsantritt der derzeitigen Bundesregierung „die Kompetenzlage für Planung, Finanzierung, Genehmigung, Durchführung und Kontrolle hinsichtlich möglicher Optimierungspotenziale“ geprüft, wie unter der Überschrift „Novelle des SP-V-G (Umweltprüfung für den Verkehr)“ im Regierungsprogramm vorgesehen?


10) Wenn ja:

a) Wann (Auftragsdatum und Fertigstellung), durch wen und mit welchen Kosten?

b) Welche Ergebnisse erbrachte diese Prüfung im Einzelnen?

c) Welche Schritte zur Umsetzung dieser Prüfungsergebnisse wurden wann im Einzelnen konkret gesetzt?

11) Wenn nein:

a) Warum nicht?

b) Wer hat die Entscheidung für die Nicht-Prüfung getroffen?

12) Welchen Änderungsbedarf sehen Sie bei der „Kompetenzlage für Planung, Finanzierung, Genehmigung, Durchführung und Kontrolle hinsichtlich möglicher Optimierungspotenziale“, insbesondere im Hinblick auf die Strategische Prüfung Verkehr?

13) In einer früheren Anfragebeantwortung (9340/AB XXIV.GP) führten Sie aus: „Grundsätzlich geht es bei einer SP-V nicht um Einzelprojekte, sondern viel mehr um Netze bzw. Netzteile und deren Veränderung. Daher ist auch bei der Beurteilung der Auswirkungen von Netzveränderungen ein anderer Maßstab anzulegen.“

a) Welchen „anderen Maßstab“ – strenger, weniger streng, … - meinen Sie hier?

b) Wie erklären Sie angesichts Ihrer zitierten Aussage, dass bei der den Linzer Westring betreffenden Netzveränderung KEIN Maßstab angelegt wurde, sondern einfach davon ausgegangen wurde, dass diese Netzveränderung mit keinen erheblichen Auswirkungen verbunden ist?

14) In derselben früheren Anfragebeantwortung (9340/AB XXIV.GP) ließen Sie leider die Frage nach Schritten zur Klärung der Rechtsfrage unbeantwortet.

Welche konkreten ressortinternen und/oder –externen Schritte zur Klärung der Rechtsfrage der Westring-SUP-Pflicht haben Sie unternommen, die Sie zur Aussage „bei der angesprochenen konkreten Netzveränderung ist die rechtliche Lage eindeutig“ und „es existiert diesbezüglich keine Rechtsunsicherheit“ gelangen ließen?

15) In der erwähnten früheren Anfragebeantwortung (9340/AB XXIV.GP) behaupten Sie, dass „im Einklang mit SP-V-Gesetz und der zugrunde liegenden Richtlinie 2001/42/EG“ keine SP-V durchzuführen ist. Während dies nach dem SP-V-G tatsächlich vorstellbar scheint, trifft dies wegen der im Mahnschreiben der EU-Kommission aufgezählten Widersprüche zwischen SP-V-G und EU-SUP-RL für letztere ganz offensichtlich nicht zu. Auf Basis welcher konkreten ressortinternen und/oder -externen rechtlichen Abklärungen gingen Sie bei der Westring-Netzveränderung ohne SUP und SUP-Screening von einem „Einklang mit der zugrunde liegenden Richtlinie 2001/42/EG“ aus?

16) Werden Sie im Wissen um das Vertragsverletzungsverfahren die derzeit laufende Westring-UVP unterbrechen, um Amtshaftungsansprüchen seitens der Projektwerber (verlorene Kosten für ein UVP-Verfahren mit teuren Gutachten, Vorlaufkosten etc) vorzubeugen? Wenn nein, warum nicht?

17) Gibt es in Ihrem Ressort mittlerweile Vorschläge, wie das SP-V-G EU-rechtskonform umgestaltet werden könnte? Wenn nein, warum nicht?