15569/J XXIV. GP
Eingelangt am 15.07.2013
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Anfrage
der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an die
Bundesministerin für Justiz
betreffend weitere Verdachtsmomente im Fall BUWOG
Am 8. November 2012 führten Sie in Beantwortung einer Dringlichen Anfrage der Grünen zum Stand der Verfahren der im Untersuchungsausschuss behandelten Fälle hinsichtlich des Verkaufs der Bundeswohnbaugesellschaften aus:
„Es handelt sich um das Verfahren der WKStA wegen Vergabe an Lehman Brothers und Verkauf der Bundeswohnbaugesellschaften, in dem rund 20 Personen als Beschuldigte, nämlich Grasser, Meischberger, Plech, Hochegger, Verantwortliche der Immofinanz sowie der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, wegen §§ 153, 304, 307 StGB, also Untreue, Bestechlichkeit, Bestechung, geführt werden. Der Abschluss der Ermittlungen hängt vom Einlangen beziehungsweise vom Ergebnis diverser Rechtshilfeverfahren ab.“
Zum Bereich der möglicherweise manipulierten Vergabe des Beratungsauftrages an die Investmentbank Lehman Brothers wurde einigen Verdachtsmomenten bisher noch nicht ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt. So berichtete die Wochenzeitung „Format“ am 20.6.2012 (Ausgabe 16/12) über einen Zivilprozess am Handelsgericht Wien, bei dem Karlheinz Muhr, ein Freund des damaligen Finanzministers Karlheinz Grasser und Subunternehmer von Lehman, aussagte:
Zu Muhrs Überraschung wollte Richter Kulka mehr
über den Job wissen. Muhr geriet dabei in Verlegenheit. "Der Richter
fragt wiederholt nach der Tätigkeit der Volaris, der Kläger ist nicht
in der Lage, dem Richter zu schildern, worin die Tätigkeit der Volaris
besteht.“ Im Protokoll steht, "dass der Verhandlungsrichter in den
letzten 15 Minuten mehrere Anläufe gemacht habe, um vom Kläger eine
Antwort zu erhalten, was Volaris für Lehman Brothers um 433.820 Euro
tatsächlich geleistet habe, und der Kläger (sei) trotz dieser
Bemühungen des Richters nur in der Lage gewesen, einzelne Wörter, die
in ihrer Gesamtheit keinen Sinn ergeben haben, zu äußern“.
Muhr tat sich offenbar schwer, die Beratungsleistung zu erklären.
Mündliche Übergaben
Befragt zur Marktbeobachtungs- und -analysetätigkeit, sagte Muhr:
"Die Ergebnisse der mehrmonatigen Tätigkeit von Volaris wurden mit
Vertretern von Lehman Brothers einige Male mündlich besprochen, es gibt
nichts Schriftliches.“ Und: "Die Ergebnisse der Rechenmodelle haben
wir mündlich in mehreren Konferenzen an das Lehman-Team übergeben.
Das Lehman-Team hat diese Ergebnisse in die von ihm ausgearbeitete Strategie
miteinbezogen. Mit dem Zuschlag der Republik Österreich an Lehman Brothers
war die Tätigkeit von Volaris im Wesentlichen beendet.“
Die Verhandlungsteilnehmer haben richtig gehört: Lehman verzichtete auf
Papier. Dass Lehman von Volaris keine schriftliche Dokumentation gefordert hat,
ist schwer vorstellbar. Auch der Richter kann das nicht fassen und fragt nach.
Muhr laut Protokoll: "Volaris hat diese Rechenmodelle nicht Lehman Brothers
übergeben, wir haben das nur mündlich mit Vertretern von Lehman
besprochen.“
Die brisante Muhr-Aussage nährt den Verdacht der Buwog-Ermittler, dass die
433.820 Euro nicht für Beratung gezahlt wurden, sondern als versteckte
Erfolgsprovision, die für die Vermittlung des Buwog-Mandats an Lehman
geflossen ist.“
Da dieses Protokoll aus dem Zivilverfahren dem Untersuchungsausschuss nicht vorgelegen ist und Muhr seiner Ladung als Auskunftsperson mehrfach nicht Folge leistete, ist sicherzustellen, dass das Protokoll seitens der Ermittlungsbehörden beigeschafft und im Verfahren berücksichtigt wird.
Die Aussage erlangt nämlich insofern besondere Bedeutung, als es dem Untersuchungsausschuss gelungen ist, aufzuklären, durch welche Vorgänge in der Bewertungskommission das Ergebnis offiziell so dargestellt werden konnte, dass Lehman Brothers der Bestbieter gewesen sei. (siehe dazu den Grünen Bericht zum Untersuchungsausschuss, S. 123ff)
Immer wieder wurde behauptet, dass die von den beigezogenen Professoren und Rechtsanwalt SCHRAMM erstellte Reihung nach den Bewertungskriterien LEHMAN besser gereiht habe als die CA-IB. Der Vorsprung bei der Qualität sei so deutlich gewesen, dass der deutlich günstigere Preis der CA-IB dadurch wettgemacht worden sei.
Grundsätzlich war die Bewertung so vorgesehen, dass für die Qualitätskriterien maximal 60 Punkte und für die Preisbewertung 40 Punkte erreicht werden konnten.
Die entsprechenden Punktzahlen der beiden am Schluss zur Entscheidung
anstehenden Bieter CA-IB und LEHMAN lauteten nach der dem
Untersuchungsausschuss vorliegenden Bewertung wie folgt:
|
CA-IB |
Lehman Hauptangebot |
Lehman Alternative 1 |
Lehman Alternative |
Qualität |
38,5 |
50,18 |
54,68 |
50,66 |
Kosten |
39,17 |
31,46 |
28,58 |
31,46 |
Gesamt |
77,32 |
81,64 |
83,26 |
82,14 |
Die Unterschiede in der Qualitätsbewertung sind dabei nicht einem konkreten Punkt zuzuordnen, sondern verteilen sich auf eine Reihe von geringen Unterschieden in einzelnen Kriterien.
Bei näherer Untersuchung zeigt sich jedoch die Preisbewertung als problematisch. Die 40 Punkte für dieses Kriterium waren aufgeteilt auf maximal 12 Punkte für das Aufwandhonorar, 2 Punkte für Tagessätze für Berater, und 26 Punkte für das Erfolgshonorar. Den Hintergrund schilderte die Auskunftsperson Johannes SCHRAMM vor dem Untersuchungsausschuss:
Mag. Dr. Johannes Schramm: […] Ich darf aber einen Hintergrund schildern, der vielleicht nicht so bekannt ist. Aus den Protokollen, aus einem der sehr frühen Protokolle geht das doch hervor. Es bestand die relativ große Befürchtung, dass die Erfolgskomponente zu einem sehr, sehr hohen unberechenbaren Preis führt. Also damit ist gemeint, Investmentbanken pflegen eine Marge einzuheben. Das ist zwischen 1, 2, 3, 4 Prozent, in Amerika bis 7 Prozent bei Börsengängen, bei Immobiliendeals bis 3 Prozent. Damals war die Erwartungslage eben nicht 980, sondern 1,8 Milliarden, und 3 Prozent von 1,8 Milliarden, müsste man sich jetzt ausrechnen, ist irgendetwas bei 50, 55 Millionen, die so als Provision sozusagen bei Investmentbanken üblich sind. Andererseits hat man die Information gehabt, dass die großen, guten oder die renommierten Investmentbanken gar nicht anbieten, wenn es eine solche Provision, Marge nicht gibt. Das ist irgendwo in einem der Protokolle ein großes Thema gewesen, wie man um dieses Ding herumkommt. Deswegen hat man versucht, dass diese Marge möglichst gering bleibt und die Formel eher so gestaltet, dass die Marge, dieser Gewinnanteil am Verkauf, eher zurückgedrängt wird.
Die Erwartungslage war damals eben: Wenn man die Marge ganz ausschaltet, dann kommen die großen Banken nicht, dann haben wir ein riesiges Problem, deswegen stampfen wir die klein. Es ist dann anders gekommen. Die haben trotzdem angeboten, eine Null-Marge angeboten, was geschehen ist. Das war eine lange Erwartungsdiskussion. Wir haben uns, glaube ich, sehr viele Gedanken gemacht. Nachher ist man in manchen Dingen gescheiter. In der Situation glaube ich nicht, dass wir uns irgendetwas vorzuwerfen hätten.“ (Untersuchungsausschuss Protokoll 8.5.2012, S. 189f)
Für die Bieter war also aus diesem Bewertungskatalog – der auch Teil der Ausschreibung war – klar, dass ein geringes Erfolgshonorar viele Punkte bringt. Dementsprechend verzichteten auch alle Bieter auf ein Erfolgshonorar, mit Ausnahme von Rotschild, die nur ein geringes Erfolgshonorar von 0,12% anboten. Daraus ergab sich, dass alle Bieter außer Rothschild insofern die Maximalpunktezahl von 26 erhielten, Rothschild dagegen null. Dieser Umstand wurde auch in der Kommissionssitzung vom 5.9.2002 besprochen:
[ SCHRAMM antwortet:] Weiters ist Rothschild daran gescheitert, dass diese 0,12% beim Erfolgshonorar angeboten haben und ihnen daher 26 Punkte fehlen. Herr Dr. Schuster meint auch, dass das Anbieten von 0,12% Erfolgshonorar wohl ein taktischer Fehler von Rothschild war. Er bezieht sich nochmals auf die schon im Vorfeld geführt Diskussion, wonach die Erfolgskomponente auch unter Umständen eine gewisse Qualitätssteigerung der Abwicklung bringt. Weiters stellte Herr Dr. Schuster die Frage, ob die Bieter wissen konnten, dass jemand 0% anbietet. Herr Dr. SCHRAMM antwortet darauf, dass sie dies natürlich nicht wissen konnten, jedoch aus dem Bestangebotsschema dies ableitbar war. (AV über Sitzung der Vergabekommission vom 5.9.2002, S. 2)
Im Bereich Aufwandersatz und Tagessätze war das CA-IB Angebot deutlich günstiger als die Angebote von Lehman. CA-IB forderte 5,5 Mio Euro Aufwandersatz (netto) Lehman dagegen im Hauptangebot 8,5 und im letztlich siegreichen Alternativangebot 1 9,8 Mio Euro. Bei den Tagessätzen bot CA-IB 3,7 Mio Euro und Lehman 5,8 Mio Euro.
Sowohl CA-IB als auch Lehman erhielten im Bereich
Preis daher 26 von 40 möglichen Punkten alleine dafür, dass sie kein
Erfolgshonorar verlangten. Auf den Aufwandersatz – das tatsächlich
geforderte Honorar bzw. eben die angesprochenen 5,5 Mio Euro der CA-IB –
entfielen dagegen nur 12 Punkte.
Tatsächlich floss daher der Preisunterschied in den Angeboten nicht wie immer wieder behauptet wurde mit 40% in die Bewertung ein, sondern nur mit 16%[1]. Das ist weit weniger als sonst üblich.
Hätte man die Formel für die Preisbewertung nur auf das Aufwandshonorar bezogen und daher dafür maximal 40 Punkte vergeben, dann hätte sich folgende Reihung ergeben[2]:
|
CA-IB |
Lehman Hauptangebot |
Lehman Alternative 1 |
Lehman Alternative |
Qualität |
38,5 |
50,18 |
54,68 |
50,66 |
Kosten |
40 |
18,19 |
8,6 |
18,19 |
Gesamt |
78,50 |
68,37 |
63,28 |
68,85 |
CA-IB wäre damit klar Bestbieter gewesen. Eine solche Berechnung hätte freilich ein Abgehen von dem ursprünglichen Bewertungskatalog bedeutet. Die hohe Bewertung des Erfolgshonorars hatte den gewünschten Erfolg erzielt, dass derartige Erfolgshonorare in den Angeboten nicht gefordert wurden (mit Ausnahme Rothschild). Sie führte jedoch im Endeffekt zu einer völligen Verzerrung der Bewertungsergebnisse.
Der Bewertungskatalog war jedoch nicht bindend, und die Vergabekommission – und letztlich der Minister – hätten eine andere, wie sich heute zeigt sachgerechtere Entscheidung treffen können.
In diesem Licht wird auch verständlich, wieso es in der Sitzung der Vergabekommission am 5.9.2002 überhaupt zu einer Diskussion und der mehrheitlichen Meinung, dass CA-IB – entgegen den Zahlen des errechneten Bewertungskatalogs – der Bestbieter sei, kommen konnte. Diese Meinungslage hätte dem wahren Verhältnis der geforderten Honorare entsprochen. Sie wurde jedoch durch die Anweisung des über Nacht informierten Ministers GRASSER verworfen und die Entscheidung wurde zugunsten von Lehman Brothers „umgedreht.“
Die Verteidigungslinie der Beschuldigten, dass Lehman Brothers eindeutig Bestbieter gewesen sei, ist daher durch die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses widerlegt. Die gegenleistungslose Zahlung an MUHRs Volaris ist daher auch in diesem Licht zu betrachten.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1. Ist Karlheinz Muhr Beschuldigter im Strafverfahren hinsichtlich der Vergabe des Beratungsauftrages zum Verkauf der Bundeswohnbaugesellschaften an die Investmentbank Lehman Brothers?
2. Falls nein: warum nicht und ist diesbezüglich bereits Verjährung eingetreten?
3. Liegt den Ermittlungsbehörden in diesem Fall das Protokoll des Handelsgerichtes Wien, das im oben zitierten FORMAT-Artikel erwähnt wird, vor?
4. Falls nein: werden Sie veranlassen, dass dieses Protokoll zum Akt beigeschafft wird?
5. Ist den Ermittlungsbehörden in diesem Fall bekannt, dass in der oben dargestellten Weise die Preisbewertung im Bewertungsschema zugunsten von Lehman Brothers verzerrt wurde, und dass der Umstand der 26 „Freipunkte“ pro Bieter offensichtlich auch Gegenstand in der Sitzung der Vergabekommission vom 5.9.2002 und somit den Kommissionsmitgliedern bewusst war?
6. Liegt den Ermittlungsbehörden der Grüne Bericht über die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses, in dem diese Vorgänge noch detaillierter und unter Verweis auf weitere Belege geschildert werden, vor?
7. Falls nein: wieso nicht?
8. Konnten die in Ihrer Anfragebeantwortung vom 8.11.2012 erwähnten Rechtshilfeverfahren mittlerweile abgeschlossen werden?
[1] Wenn man die 26 Punkte für das nicht angebotene Erfolgshonorar weglässt, verbleiben nur 74 erreichbare Gesamtpunkte. Die sonst vergebenen 14 Preispunkte (12 Aufwandshonorar + 2 Tagessätze) sind davon rund 16%.
[2] Formel basierend auf den Zahlen im vorliegenden Bewertungskatalog: (100 – Abweichung vom niedrigsten in %) : 100 x 40 = Kostenpunkte