15592/J XXIV. GP
Eingelangt am 25.07.2013
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Anfrage
der Abgeordneten Birgit Schatz, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend
betreffend alarmierend hohe Durchfallquoten bei Lehrabschlüssen- Ursachenforschung und Qualitätscheck der Ausbildungsbetriebe?
BEGRÜNDUNG
Die Lehre bietet für viele junge Menschen eine Alternative zu einer vollschulischen Ausbildung und hat unbestritten einen wichtigen Stellenwert und Rolle im österreichischen Bildungssystem. Allerdings erfolgte – sehr im Unterschied zu anderen Bildungszweigen (Stichwort „PISA“, „Zentralmatura“ oder „Neue Mittelschule“) – bis dato keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Qualität der dualen Ausbildung. Und das, obwohl die seit Jahren konstant steigenden und erschreckend hohen Durchfallquoten bei Lehrabschlussprüfungen ein Alarmsignal für massive Qualitätsmängel sind.
So flog 2012 bereits jeder fünfte Lehrling bei der Lehrabschlussprüfung durch, das entspricht einem negativen Rekord seit 1970. In 22 Lehrberufen gibt es sogar Durchfallquoten von über 30 Prozent. Zu den negativen Spitzenreitern zählen die Lehrberufe Maler und Anstreicher (38%), Elektroinstallationstechnik (32%), Tourismus (27%) sowie Kraftfahrzeugtechnik und Metalltechnik (25%) (Daten der WKÖ 2012). Etwa die Hälfte der beim ersten Antritt durchgefallenen Lehrlinge tritt erst gar nicht mehr zu einer Wiederholung an und bleibt damit komplett ohne Lehrabschluss. Laut Schätzungen der Sozialpartner treten weitere 3-10% aller Lehrlinge gar nie zur Lehrabschlussprüfung an und 2012 beendeten etwa 6000 Jugendliche ihre Lehre ohne Abschlussprüfung.
In einem gemeinsamen Positionspapier zur Bildung („Bildungsfundamente- Ziele und Maßnahmen für eine zukunftsorientierte Bildungsreform“, Februar 2013) haben sich die Sozialpartner zu einer Problemanalyse der dualen Ausbildung inklusive Qualitätsvorschlägen bekannt. Diese beinhalten die Überprüfung der Eignung der Ausbilderbetriebe, die repräsentative Befragung von Lehrlingen, die Neuordnung der staatlichen Auszeichnung für Lehrbetriebe, Vorbereitungskurse für die Lehrabschlussprüfung sowie zusätzliche Fördermittel als Anreiz für Qualitätsmaßnahmen in Ausbildungsbetrieben.
Bisher wurden die Ursachen der hohen Durchfallquoten nicht systematisch untersucht bzw. sind dazu keine Ergebnisse öffentlich bekannt. Die Datenlage ist nach wie vor unbefriedigend. Bei der Suche nach den Ursachen müssen jedenfalls auch die Strukturen in den Blick genommen werden und nicht nur die einzelnen Lehrlinge. Nach einer drei- oder vierjährigen Berufsausbildung kann nicht mehr die gesamte Verantwortung des Scheiterns beim Lehrabschluss auf das Schulsystem geschoben werden, diese liegt auch klar bei den Ausbildungsbetrieben und der Wirtschaftskammer. BildungsexpertInnen für die duale Ausbildung fordern eine Anpassung der Ausbildung auf eine sich verändernde Arbeitswelt, eine sowohl fachlich als auch pädagogisch bessere Ausbildung der Ausbildner und eine regelmäßige Überprüfung der Ausbildungsbetriebe.
Aber bisher gibt es nicht einmal eine unabhängige Qualitätskontrolle der Ausbildungsbetriebe. Für Ausbildungsregeln und deren Kontrolle sind die Betriebe quasi selbst (Lehrlingsstellen der Wirtschaftskammer) zuständig. Nach wie vor gibt es auch keine verpflichtende Weiterbildung für AusbildnerInnen. Um die duale Ausbildung weiterhin als Erfolgsmodell führen und eine gute Ausbildung mit wirklichen Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt gewährleisten zu können, braucht es dringend eine tiefer gehende Analyse der Probleme sowie ernsthaftere Maßnahmen in Richtung Qualitätssicherung der Lehre.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Wie beurteilen Sie die Lage? Was haben Sie bisher unternommen? Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Welchen Handlungsbedarf sehen Sie angesichts der neuen alarmierenden Daten zu den Durchfallquoten bei Lehrabschlussprüfungen?
2) Wie hoch waren die Durchfallquoten in den einzelnen Lehrberufen? Bitte um Angaben der absoluten Zahlen sowie der prozentuellen Durchfallquoten getrennt nach Geschlecht und Bundesland für alle Lehrberufe und Branchen für die Jahre 2008-2012.
3) Wie viele Lehrlinge sind zur Lehrabschlussprüfung gar nicht erst angetreten? Bzw. wie hoch war die Antrittsquote pro Lehrberuf und pro Jahr? Bitte um Angaben der absoluten Zahlen sowie der prozentuellen Durchfallquoten getrennt nach Geschlecht und Bundesland für alle Lehrberufe und Branchen für die Jahre 2008-2012. Sind Ihnen Ursachen für Nicht-Antritte bekannt? Wenn ja, bitte um Auflistung.
4) Wie viele Lehrlinge treten nach dem erstmaligen Durchfallen nicht mehr zur Lehrabschlussprüfung an? Bitte um Angaben der absoluten Zahlen sowie der prozentuellen Durchfallquoten getrennt nach Geschlecht und Bundesland für alle Lehrberufe und Branchen für die Jahre 2008-2012.Sind Ihnen Ursachen für Nicht-Antritte bekannt? Wenn ja, welche sind das? Wenn nein, warum sind Ihnen diese nicht bekannt?
5) Wie viele Lehrlinge treten nach dem erstmaligen Durchfallen ein zweites Mal zur Lehrabschlussprüfung an und wie viele davon schaffen dann die Prüfung? Bitte um Angaben der absoluten Zahlen sowie der prozentuellen Durchfallquoten getrennt nach Geschlecht und Bundesland für alle Lehrberufe und Branchen für die Jahre 2008-2012.
6) Wie viele Lehrlinge, die seit 2005 ihre Lehre begonnen haben, haben diese auch tatsächlich beendet? Wie viele haben sie aus welchen Gründen und in welchem Lehrjahr abgebrochen? Bitte um Angaben der absoluten Zahlen sowie der prozentuellen Durchfallquoten getrennt nach Geschlecht und Bundesland für alle Lehrberufe und Branchen für die Jahre 2008-2012.
7) Bereits 2012 wurde seitens der Sozialpartner angekündigt genauere Hintergrunddaten zu Lehrabschlussprüfungen zu erheben bzw. die Ursachen der hohen Durchfallquoten zu evaluieren. Ist dies bereits umgesetzt? Wenn ja, sind Ihnen hier Ergebnisse bekannt? Wenn nein, warum nicht?
8) Wie stehen Sie zu den Forderungen einer sowohl fachlichen als auch pädagogischen Verbesserung der Ausbildung der AusbildnerInnen und einer regelmäßigen Überprüfung der Ausbildungsbetriebe?
9) Im Sozialpartnerpapier („Bildungsfundamente- Ziele und Maßnahmen für eine zukunftsorientierte Bildungsreform“, Februar 2013) sind unter dem Punkt „Qualitätssicherung Lehrlingsausbildung“ fünf Vorschläge aufgelistet. Wie stehen Sie zu jedem einzelnen dieser Vorschläge? Und wie werden Sie die Vorschläge der Sozialpartner unterstützen?