15832/J XXIV. GP

Eingelangt am 13.08.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Daniela Musiol, Freundinnen und Freunde an den Bundeskanzler

betreffend Richterbestellungen für das Bundesverwaltungsgericht

BEGRÜNDUNG

 

Gemäß Art 134 Abs 3 B-VG idF BGBl I 2012/51, gültig ab 1. 1. 2014,  ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung neben den Leitungsorganen auch die Mitglieder der Bundesverwaltungsgerichte. Die Übergangsbestimmung in Art 151 Abs 51 Zif 2 ermöglicht Ernennungen auch bereits vor dem 1. 1. 2014 (mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2014), jedoch sind dafür keine Dreiervorschläge der Vollversammlung oder eines von dieser zu wählenden Ausschusses des Bundesverwaltungsgerichts einzuholen (die Verwaltungsgerichte des Bundes existieren ja formal erst ab 1. 1. 2014). Das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz sieht – neben der „Übernahme“ der Mitglieder des Asylgerichtshofs und der Senatsvorsitzenden des Bundesvergabeamtes in der Übergangsbestimmung in § 28 vor, dass die Ausschreibung für neue Richterstellen durch den Präsidenten/die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts zu erfolgen hat. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Verwaltungsgerichte des Bundes  hat der Nationalrat in seiner Entschließung vom Mai 2012[1] folgende weitere  Vorgaben gemacht:

„(f)ür die Neubestellung von Richterinnen und Richtern der Verwaltungsgerichte des Bundes vor dem 1.1.2014 (ist) ein objektives und nicht-diskriminierendes Verfahren vorzusehen, das jedenfalls eine Ausschreibung,  ein    Assessmentcenter  und  eine  Bewertung  der  fachlichen  und  persönlichen  Eignung durch  eine  Kommission  vorsieht,  die  aus  Präsidentin/Präsident,  Vizepräsidentin/Vizepräsident  des jeweiligen Gerichtes und einer Vertreterin/einem Vertreter des BKA und des BMF gebildet wird. Es ist sicherzustellen, dass bei der Neubestellung von Richterinnen und Richtern in ausreichender Zahl Bewerberinnen und Bewerber berücksichtigt werden, die in den wesentlichen Zuständigkeitsbereichen (insb. Umweltrecht, Sozialrecht, Dienstrecht, Wirtschafts- und Regulierungsrecht) des Bundesverwaltungsgerichts über fundierte juristische Erfahrung verfügen. Der Kommission werden Vertreterinnen/Vertreter der hauptbetroffenen Ressorts beratend beigezogen.“

Am 22. 7. 2013 hat der Ministerrat nun auf Vorschlag des Bundeskanzlers 80 Personen zur Ernennung vorgeschlagen (BKA-124.070/0025-I/2/A/2013). Die Ernennung durch den Bundespräsidenten erfolgte am 24. 7. 2013.

Zum Auswahlverfahren hält der Vortrag an den Ministerrat fest:

Auf  der  Grundlage  dieser  Ausschreibung  sind  insgesamt  538  Bewerbungen  von  266 Bewerberinnen und 272 Bewerbern eingelangt. 

33  Bewerbungen  erfüllen  die  Ernennungsvoraussetzungen  nicht, 3  Bewerbungen  sind verspätet, nämlich nach dem 1.3.2013, eingelangt.

Vom  Präsidenten  des  Bundesverwaltungsgerichtes  wurden  in  Anlehnung  an  das Ausschreibungsgesetz  Sektionschefin  Mag  Angelika  Flatz,  Sektionschefin  Mag Elisabeth  Udolf-Strobl  sowie  der  Vizepräsident  des Bundesverwaltungsgerichtes eingeladen, in einer Begutachtungskommission mitzuwirken.  

Für  das  Auswahlverfahren  wurde  beschlossen,  die  Bewerberinnen  und  Bewerber  um zusätzliche  Informationen  zu  ihren  konkreten  Verfahrenserfahrungen  zu  ersuchen.

Sodann wurden entsprechend der Ausschreibung alle verbliebenen Bewerberinnen und Bewerber eingeladen, ein Assessment zu absolvieren, welches von einem international anerkannten  Personal-Rekrutierungs-Unternehmen  durchgeführt  wurde.  Ziel  dieses Assessments  war,  konkrete  Anhaltspunkte  für  die  persönlichen  Eigenschaften  und Fähigkeiten  (soft-skills)  der  Bewerberinnen  und  Bewerber  in  den  Bereichen Kommunikationsfähigkeit, Selbstorganisation und Entschlusskraft zu erhalten.  

In  jenen  Fällen,  in  denen  die  bisherigen  Verfahrenserfahrungen,  insbesondere  im Bereich  des  Allgemeinen  Verwaltungsverfahrensgesetzes  oder  Verfahrens  nach  dem Verwaltungsstrafgesetz,  sowie  die  Ergebnisse  des  Assessment-Centers  sehr  gute  bis optimale Voraussetzungen für die Funktion einer/eines Richterin bzw. Richters erwarten lassen,  wurden  die  Bewerberinnen  und  Bewerber  zu  einem  Hearing  eingeladen,  um auch  einen  persönlichen  Eindruck,  etwa  über  die  Bewerbungsmotivation,  den persönlichen  Zugang  zum  Richteramt  und  die  bisherigen  beruflichen  Erfahrungen  der Bewerberinnen und Bewerber zu erhalten.

Ebenfalls zu einem Hearing eingeladen wurden Bewerberinnen und Bewerber, die bei einem  vergleichsweise  geringem  Maß  an  Verfahrenserfahrungen  ein  hohes  Maß  an persönlicher  Eignung  für  ein  Richteramt  aufweisen,  oder  deren  Eigenschaften  und Fähigkeiten  in  den  Bereichen  Kommunikation,  Selbstorganisation  und  Entschlusskraft vergleichsweise ein durchschnittliches Niveau zeigten, deren aktuelles Aufgabengebiet hingegen ein hohes Maß an Fachkompetenz erwarten läßt.

Insgesamt  wurde  mit  201  Bewerberinnen  und  Bewerber  ein  Hearing  vor  der Begutachtungskommission durchgeführt.

Auf  der  Grundlage  der  Bewerbungen,  der  persönlichen  zusätzlichen  Angaben  über konkrete  Verfahrenserfahrungen,  dem  Ergebnis  des  Assessment-Centers  sowie  der Hearings ergibt sich, dass die im folgenden aufgeführten Bewerberinnen und Bewerber - nach  der einstimmigen  Beurteilung  der Begutachtungskommission  -  im  höchsten  Maß geeignet  erscheinen,  die  Aufgabenstellungen  einer  Richterin  bzw.  eines  Richters  des Bundesverwaltungsgerichtes bestmöglich und erfolgreich bewältigen zu können..“

Im Vorfeld der Beschlussfassung im Ministerrat war gerüchteweise von einer „roten Liste“ und einer „schwarzen Liste“ die Rede. Nach Bekanntwerden der Namen wurde insbesondere daran Anstoß genommen, dass die Kabinett-Chefin des Gesundheitsministers und die Vizekabinett-Chefin des Wirtschaftsministers Richterinnen werden sollten. Der Präsident der Richtervereinigung kritisierte, dass der Personalsenat des Asylgerichtshofs nicht einbezogen wurde. Dies führe zu einer schlechten Optik („Die Auswahl passt – die Optik nicht“ zitierte Der Standard am 26. 7. 2013). Auch die Vereinigung der  UVS-Mitglieder äußerte sich sehr kritisch (Ö 1 Morgenjournal vom 25. 7. 2013).

Es ist davon auszugehen, dass der Großteil der ausgewählten Personen für das anstehende Richteramt sehr qualifiziert ist. Sehr fraglich ist jedoch, ob die 80 best geeignetsten Personen aus den 502 möglichen Personen ausgewählt wurden. Es könnte daher eine Reihe von Personen geben, die sich als zu Unrecht übergangen erachten. Die Prüfung durch das Assessment Center ist als rudimentär einzustufen: Eine „Postkorbübung“ und eine Diskussionsaufgabe im Team, wobei das Thema (Wie kann man Verfahren vor den Verwaltungsgerichten beschleunigen?) immer dasselbe blieb. Die Kommission selbst war löblicherweise geschlechtsparitätisch besetzt, brachte aber selbst auch nur äußerst bedingt Kenntnisse in allen Rechtsbereichen mit, in denen die RichterInnen dann entscheiden werden. Soweit ersichtlich, wurden die Fachressorts nicht – wie in der Entschließung zur fachlichen Beurteilung der KandidatInnen vorgesehen – zu den Hearings beigezogen. Soweit eine Einbindung der Ministerien und anderer öffentlicher Stellen erfolgte, stand diese eher im Lichte der personalpolitischen Interessen dieser Stellen – so zumindest der Eindruck von außen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE

 

1.    a) Aus welchen Gründen wurde das beauftragte Assessment Center für diese Aufgabe ausgewählt?

 

b)    Welches Budget stand für die Beauftragung eines Assessment Centers zur Verfügung, wie hoch waren die tatsächlichen Ausgaben dafür?

 

c) Wie viel Geld wurde daher zur Einschätzung eines einzelnen Kandidaten/einer einzelnen Kandidatin ausgegeben, liegt dies über oder unter dem Durchschnitt für gehalts- und verantwortungsmäßig vergleichbare Organe?

 

d) Warum wurde auf ein anspruchsvolles Assessment, das auch die juristische Qualifikation einschließt, verzichtet?

 

2.    Die Entschließung vom Mai 2012 erwähnt den Präsidenten/die Präsidentin und den Vizepräsidenten/die Vizepräsidentin als Kommissionsmitglieder, darüber hinaus hinsichtlich des Bundesverwaltungsgerichts für Finanzen ein/e/n Vertreter/in des BMF und hinsichtlich des Bundesverwaltungsgerichts ein/e/n Vertreter/in des BKA. Tatsächlich waren noch die Leiterin der Sektion Öffentlicher Dienst und Verwaltungsinnovation im Bundeskanzleramt und die Leiterin der Sektion Tourismus im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend Teil der Kommission für das Bundesverwaltungsgericht. Nach welchen Kriterien wurden diese weiteren Kommissionsmitglieder ausgewählt?

 

3.    a) Mussten alle BewerberInnen die gleichen Verfahrensschritte im Auswahlverfahren durchlaufen oder gab es Ausnahmen? Wenn ja, aus welchen Gründen?

 

 b) Wurden auch Personen vorgeschlagen, die kein Hearing durchliefen? Wenn ja, warum?

 

4.    a) Warum wurden die Fachressorts nicht zu den Hearings  beigezogen, wie in der Entschließung vorgegeben, um die fachliche Eignung der KandidatInnen besser beurteilen zu können?

 

b) Auf welche andere Weise wurde die fachliche Eignung der KandidatInnen beurteilt?


c) Mit welchen Stellen hat sich die Kommission im Zuge der Entscheidungsfindung beraten und welche Gesichtspunkte flossen auf diese Weise in die Entscheidungsfindung ein?

 

5.    a) Enthält der Vorschlag der Kommission eine Begründung für jede einzelne Person?

 

b) Wurden/werden die Absagen im Einzelfall begründet?

 

c) Wohin können sich BewerberInnen wenden, wenn sie sich im Vergleich zu den Aufnahmen als zu Unrecht übergangen erachten?

 

d) Können die nicht aufgenommenen BewerberInnen in ihre  Assessment-Ergebnisse Einsicht nehmen?

 

6.    a) Wie viele RichterInnen (der ordentlichen Gerichtsbarkeit) und wie viele RechtsanwältInnen haben sich beworben, wie viele davon sind in die Hearing-Runde gekommen und wie viele davon wurden zu RichterInnen letztlich ernannt?

 

b) Sollten diese Berufsgruppen bei den Ernennungen unterrepräsentiert sein, welche Gründe können Sie dafür anführen?

 

7.    Wurden für den Bereich des Fremden- und Asylrechts neue RichterInnen gesucht oder wird man hier mit den Mitgliedern des Asylgerichtshofs das Auslangen finden?

 

8.    Auch Mitglieder der politischen Kabinette der Ressorts können die Voraussetzungen für ein Richteramt mitbringen, allerdings sind an solche Bestellungen erhöhte Anforderungen hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit gegeben. Welche Qualifikationen bringen die ausgewählte Kabinettschefin des Bundesministers für Wirtschaft, Jugend und Familie und die ausgewählte Vizekabinettschefin des Bundesministers für Gesundheit für das Richteramt mit?



[1] http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_01771/fname_252092.pdf