1704/J XXIV. GP

Eingelangt am 20.04.2009
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Inneres

 

betreffend Verfassungsschutz-Todesliste

 

 

Ute Bock hat auf ihrer Homepage am 8.4.2009 berichtet:

 

Tschetschenen auf der Todesliste


Nach dem Mordfall an dem Tschetschenen Umar I. gab es ja Gerüchte, es würde da eine Todesliste kursieren. Auf dieser Liste sollen etwa 50 Leute stehen, die gefährdet sind. Dann gibt es ja auch Geschichten, dass unsere Polizei angeblich entsprechende Unterlagen nach Moskau liefert. Ob das stimmt, weiß ich nicht - aber die genannte Liste gibt es offensichtlich schon.

Warum ich das weiß? Die Polizei war bei mir. Die Liste hatten sie dabei. Und sie haben überprüft, wer von den bei mir obdachlos gemeldeten Menschen aus Tschetschenien da drauf steht. Und die Polizei hat von mir verlangt, dass ich den Betroffenen sage, dass sie auf dieser Liste sind. Dann hat man mir auch noch einen Fragebogen mit fünf Fragen gegeben, den die Leute ausfüllen sollen. Um festzustellen, ob die Betroffenen wissen, dass sie auf der Liste stehen, und ob sie sich verfolgt fühlen oder schon irgendwas bemerkt haben. Falls es Probleme gebe, sollen sie sich an die Polizei wenden.

Ob diese Vorgehensweise der Polizei gescheit ist? Ich bin mir nicht sicher. Ich weiß nur, dass die Betroffenen sich jetzt gar nirgends mehr hin trauen. Und so grauslich das klingt, bin ich mir nicht sicher, ob es für die Betroffenen so gut ist, wenn sie das mit der Liste wissen. Die Polizei kann dann, wenn was passiert, nämlich sagen, die hätten das ja eh' gewusst, und "hätten sie halt besser aufgepasst".

Die Polizei lässt also durch mich den Leuten ausrichten, dass sie in Gefahr sind, aber so richtig helfen können sie nicht, quasi erst, wenn es zu spät ist. Wie sollen sich denn die Leute schützen? Schutzhaft oder ähnliches wird nicht überlegt. Wichtiger wäre es wohl, die zu finden, die die Leute umbringen wollen - und auf entsprechende Hinweise besser zu achten.“

 

Dazu hat die Bundesministerin für Inneres in der Sitzung des Innenausschusses am 14.4.2009 festgestellt, dass ihre Beamten im genannten Fragebogen nicht auf eine Todesliste Bezug genommen hätten. Damit hat sie in einem Ausschuss des Nationalrats die Unwahrheit gesagt.

 

Der Fragebogen, der tschetschenischen Flüchtlingen vorgelegt worden ist, beginnt mit der Journalnummer des Wiener Landesamtes für Verfassungsschutz 31310-74035. Dann heißt es:

 

„Mir wird zur Kenntnis gebracht, dass mein Name auf einer unter www.chechenpress.info/events/2008/02717/2f.shtml veröffentlichten Liste (sog. Todes-Liste) als mögliche gefährdete Person aufscheint.“

 

Die Flüchtlinge werden also darauf aufmerksam gemacht, dass sie auf einer Todesliste stehen und möglicherweise ermordet werden sollen.

 

Statt ihnen Schutz anzubieten, werden sie von den Beamten aufgefordert, fünf Fragen zu beantworten:

 

1. Haben Sie Kenntnis von der oder über die Liste?

2. Haben Sie Kenntnis, dass Ihr Name auf der Liste steht?

3. Sind Sie diese auf der Liste angeführte Person?

4. Sind Sie auf Grund der Liste einer Gefahr ausgesetzt oder fühlen Sie sich bedroht?

5. Haben Sie bereits verdächtige Wahrnehmungen gemacht?

 

Der Fragebogen schließt mit einer Aufforderung, der Flüchtling möge sich für den Fall der Wahrnehmung des eigenen Mörders an die Polizei wenden:

 

„Mir wird zur Kenntnis gebracht, dass ich mich im Falle von verdächtigen Wahrnehmungen oder einer akuten Bedrohung umgehend an die nächste Polizeiinspektion wenden bzw. den Polizeinotruf 133 anrufen soll.“

 

Weil derart menschenverachtender Unfug nicht widerspruchslos hingenommen werden kann, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Warum haben Sie dem Innenausschuss erklärt, die Beamten des LVT hätten auf keine Todesliste Bezug genommen?

 

  1. Wie viele dieser Fragebogen sind an wie viele Flüchtlinge verteilt worden?

 

  1. Wie vielen dieser – laut LVT - „möglichen gefährdeten Personen“ ist Personenschutz angeboten worden?

 

  1. Wie viele dieser Flüchtlinge haben daraufhin Personenschutz erhalten?

 

  1. Wie verantworten Sie den Umstand, dass tschetschenische Flüchtlinge von Beamten des LVT darauf hingewiesen werden, dass sie mögliche Mordopfer sind?

 

  1. Halten Sie es für sinnvoll und vertretbar, dass tschetschenische Flüchtlinge aufgefordert werden, für den Fall der Begegnung mit ihrem Mörder die nächste Polizeiinspektion aufzusuchen?

 

  1. Können Sie ausschließen, dass es dann bereits zu spät ist?

 

  1. Warum liefern Sie und Ihre Beamten nach Umar Israilov weitere tschetschenische Flüchtlinge schutzlos ihren möglichen Mördern aus?

 

  1. Werden Sie jetzt sämtlichen laut LVT - „möglichen gefährdeten Personen“ Personenschutz anbieten?

 

  1. Wer trägt für die oben genannten Vorfälle die politische Verantwortung?

 

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die von den Abgeordneten übermittelte Anlage steht nur als Image (siehe Anfrage gescannt) zur Verfügung.