184/J XXIV. GP

Eingelangt am 19.11.2008
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend Falterbericht über mögliche Misshandlung des Häftlings Roland F.

 

In der Wochenzeitung Falter vom 5.11.2008 ist nachstehender Artikel erschienen:

„Gegen die Wand gelaufen“

Stets hatte ein Oberst der Polizei der Justiz vertraut. Bis sein psychisch kranker Neffe aus dem Gefängnis kam.

Gerhard Schicho ist ein gesetzestreuer Bürger. 40 Jahre diente er als Kriminalbeamter. Doch nun verliert der pensionierte Oberst langsam sein Vertrauen in den Rechtsstaat.

Schicho hält Fotos seines Neffen Roland F. in Händen. Sie zeigen großflächige Hämatome am Oberarm des 46-Jährigen. Die schweren Verletzungen entstanden im Gefängnis. Der Häftling sei, so wird ein Staatsanwalt in einem Anwaltsbrief zitiert, während eines epileptischen Anfalls „mehrmals gegen die Wand gelaufen“.

Oberst Schicho winkt ab: „Diese Begründungen kenne ich von früher zur Genüge. Hier liegt mit Sicherheit eine Misshandlung vor. Der Fall wurde hergerichtet.“

Der Fall des Roland F. zeigt die Nöte psychisch kranker Häftlinge in Gefängnissen und die Überforderung der Justizwache mit dieser Klientel. Verwunderlich an diesem Fall ist aber auch das Desinteresse der Staatsanwaltschaft Wien, die den schweren Vorwürfen nicht nachgehen will, „weil wir diesen Fall im Zweifel ohnedies einstellen müssen und zuwenig Ressourcen haben“, wie Sprecher Gerhard Jarosch sagt.

Einen „Giftler“ würde die Öffentlichkeit Roland F. wohl nur nennen. Für Renate Klima, die Schwester des Kriminalbeamten Schicho, ist er der wichtigste Mensch im Leben. Er ist ihr Sohn, sie sorgt sich um ihn, wenn er sich im Wahn wieder einmal die Arme aufschneidet oder von inneren Stimmen kommandiert wird. Ihr Sohn, das weiß Frau Klima, wird nie wieder gesund werden. Er leidet an Psychosen und Schizophrenie, sein Gehirn ist durch Drogen beschädigt.

Roland F. sollte acht Monate sitzen – weil er größere Mengen Haschisch bei sich in der Wohnung hatte. Zwei Gerichtsgutachter, die Psychiater Harald David und Heinz Pfolz, warnten davor. Der Knast sei für F. lebensgefährlich, er brauche seine gewohnte Umgebung, er sei schwer krank. Pfolz schreibt: „Nicht strafvollzugstauglich.“ David: „Nicht haftfähig.“

Die Richterin bleibt hart. F. kommt in die Justizanstalt Josefstadt. Rund 1000 Häftlinge kommen hier auf eine Psychiaterin und zwei halbtags beschäftigte Ärzte in Ausbildung. Ab Freitagmittag bis Montag früh sind die Zellen geschlossen. Auch die Anstaltsleiterin sagt, dass ihr Haus eigentlich nicht für Psychiatriepatienten da ist.

Beim ersten Besuch versichert Roland F. seiner Mutter durch die Glasscheibe: „Mama, ich druck’s schon durch.“ Beim zweiten Besuch ist er bereits völlig verwirrt. Beim dritten Mal bringt er seine Augen nicht mehr auf. Beim nächsten Mal wartet die Mutter vergebens. Ihr Sohn sei zu schwach, um aufzustehen sagen die Beamten.

Der Grund für den Verfall: F. verweigerte die Einnahme der Psychopharmaka. Es sind innere Stimmen, die es ihm befehlen. Seine Mutter kennt das. Es ist eine mühselige Prozedur, den Sohn von der Medizin zu überzeugen. Im Gefängnis haben die Beamten dafür keine Zeit. F. liegt wie gelähmt auf der Krankenabteilung, er bewegt sich kaum. Er ist offenbar so krank, dass er in eine videoüberwachte Zelle verlegt wird.

Die Mutter wittert Lebensgefahr, sie will, dass er auf die Psychiatrie kommt. Stattdessen schickt ihn die Justizverwaltung nach Krems-Stein – zu Österreichs Schwerverbrechern. Noch am selben Tag wird er von dort wieder zurückgeschickt.

Am 29. April 2007 tritt ein, was alle Gutachter prophezeiten. F. verfällt in eine Psychose. Er wird bewusstlos, er droht zu ersticken, Schaum quillt aus seinem Mund. In letzter Sekunde wird er intubiert und wiederbelebt.

Jetzt erst kommt F. in ein richtiges Spital. Unansprechbar liegt er zunächst auf der Intensivstation der Rudolfstiftung, die Augen nach oben verdreht. F. landet schließlich im Otto-Wagner-Spital. Sein Zustand bessert sich. Er liegt im Netzbett, seine Mutter will ihm das Nachthemd wechseln. Da sieht sie seine blutunterlaufenen Oberarme. Er stöhnt vor Schmerz, auch eine Gelenkskapsel der Schulter ist eingerissen.

Frau Klima fotografiert die Verletzungen mit ihrem Handy. Woher die Blutergüsse stammen, fragt sie. F. behauptet, Justizbeamte hätten ihm die Hände am Rücken gefesselt, ihn grob an den Armen gepackt und hochgerissen, um ihn zu holen. Er sei dabei zusammengebrochen, habe nur noch die Worte „Der F. kratzt uns ab!“ vernommen und sei dann „kalt abgebraust“ worden.

Eine haltlose Unterstellung eines psychisch Verwirrten? Die Staatsanwaltschaft wäre nach der Anti-Folter-Konvention verpflichtet solche Vorwürfe umfassend zu klären. Doch der zuständige Staatsanwalt hat weder den Häftling Roland F. vernommen noch einen Gerichtsmediziner bestellt. Er gibt sich lieber mit einer Stellungnahme der Justizanstalt zufrieden und stellte den Fall „im Zweifel“ ein. F. habe sich die Verletzungen bei seinem epileptischen Anfall zugezogen. Vermutlich sei er dabei in einem toten Winkel der videoüberwachten Zelle gelegen, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Eltern werden davon nicht informiert.

Vielleicht sollte das Justizministerium einfach nur den Arztbrief des Otto-Wagner-Spitals in dieser Sache zur Kenntnis nehmen.

„Unseres Erachtens“, so diktierten die Ärztinnen Veronika Dorda und Christine Andreas, „kam es durch die mehrwöchige Haftstrafe, ohne Einnahme von Psychopharmaka, zu einer bedrohlichen Verschlechterung seiner seit vielen Jahren bestehenden psychischen Erkrankung.“

Genau davor hatten Gerichtsgutachter gewarnt. Die Justiz nahm es billigend in Kauf. „In diesem Fall“, sagt Oberst Gerhard Schicho, der Onkel von Roland F., „deckt jetzt einer den anderen.“

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Wurden die Verletzungen des Häftlings Roland F., die offensichtlich im Rahmen des Strafvollzugs erlitten wurden, in irgendeiner Form von der zuständigen Justizanstalt dokumentiert?

 

  1. Wurde im Rahmen der Strafvollzugsverwaltung untersucht, wie es zu den Verletzungen des Roland F. gekommen ist?

 

  1. Wenn ja, welches Ergebnis haben diese Untersuchungen ergeben?

 

  1. Wenn nein, warum nicht?

 

  1. Wurde im Zusammenhang mit den im Artikel angesprochenen Verletzungen des Roland F. Anzeige erstattet?

 

  1. Wenn ja, gegen wen?

 

  1. In welchem Verfahrensstand befindet sich diesbezüglich das Strafverfahren?

 

  1. Wurde von der Staatsanwaltschaft der Vorwurf der Misshandlung aufgegriffen?

 

  1. Welche genauen Ermittlungsschritte wurden von der Justiz zur Klärung des Sachverhalts die Verletzungen des Roland F. betreffend gesetzt?

 

  1. Ist es richtig, dass im vorliegenden Fall weder Roland F. einvernommen wurde, noch ein Gerichtsmediziner bestellt wurde?

 

  1. Wenn ja, warum nicht?

 

  1. Wie beurteilen sie diesen Umstand?

 

  1. Wurde die Haftfähigkeit des Roland F. überprüft?

 

  1. Wenn ja, durch wen und wie lautet das Ergebnis dieser Überprüfung?

 

  1. Ist es richtig, dass zwei Gerichtsgutachter Roland F. Haftunfähigkeit attestiert haben?

 

  1. Wenn ja, wieso ist Roland F. in Haft genommen worden?

 

  1. Welche weiteren Schritte und Konsequenzen werden sie in diesem Fall setzen?