1901/J XXIV. GP

Eingelangt am 29.04.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Brosz, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport

 

betreffend „ Ist dem  Sportressorts eine Liste von Dopingkunden bekannt?“

 

In der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ erschien am 2. 4. 2009 ein ausführlicher Artikel zum Dopingmissbrauch in Österreich, der dieser Anfrage angeschlossen ist.

Darin findet sich eine bemerkenswerte Passage über einen Vorfall, der noch unter Bundeskanzler Klima stattgefunden haben soll. Demnach wurde bei der Durchsuchung im Hause von Matschiner-Partner Manfred Kiesl, dem Ehemann der Olympiadritten 1996 über 1.500 Meter und heutigen ÖVP-Landtagsabgeordneten, Theresia Kiesl, auch eine Liste gefunden, auf der die Namen vieler Dopingkunden gestanden seien – ein Gerücht, das von Kiesls Anwalt bestätigt worden sei. Aus staatspolitischen Gründen habe damals Bundeskanzler Viktor Klima striktes Stillschweigen über die Abnehmer verordnet. Sein damaliger Sportreferent Robert Pelousek ist heute Sektionschef bei Sportminister Darabos. Im vergangenen Jahr sei ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet – und wieder abgebrochen worden. Laut dem Artikel, weil er gedroht hat, die Kundenliste zu veröffentlichen.

Österreichs Spritzensport

Von Gerd Millmann | © DIE ZEIT, 02.04.2009 Nr. 15

Acht Verhaftungen, neue Geständnisse und Verdächtige: Die Dopingaffäre in Österreich zieht immer weitere Kreise. Vertuschung wird nun nicht mehr funktionieren.

Endlich wird wirklich etwas gegen Doping getan!« Roland Gusenbauer, langjähriger Generalsekretär des Österreichischen Leichtathletik-Verbands, atmet auf. Der leidgeprüfte Funktionär weiß, in welchem Umfang österreichische Spitzensportler zu verbotenen leistungssteigernden Substanzen greifen. Und er weiß auch um die Rücksichtslosigkeit, die in der Dopingbranche herrscht. »Würde ich auspacken, wäre ich wohl bald tot«, sagt der ehemalige Trainer und Exmann der Hochsprung-Europameisterin Ilona Gusenbauer: »Diese Leute sind skrupellos, es geht um sehr viel Geld.«


Nun geht es aber Schlag auf Schlag in der Dopingaffäre, bei der seit zwei Wochen langsam Licht in die Netzwerke der Spritzensportler und ihrer Hintermänner dringt. Zuletzt schlugen die Fahnder in Laakirchen in Oberösterreich zu. In der Nacht von Montag auf Dienstag verhafteten sie den Sportmanager Stefan Matschiner, kaum dass er von einem Ausflug nach Florida in die Heimat zurückgekehrt war, durchsuchten das Gebäude und beschlagnahmten Computer. Es war die insgesamt achte Verhaftung in der laufenden Untersuchung. Von ihrem jüngsten Fang erhoffen sich die Beamten der neuen Soko Doping Einblicke in die Machenschaften des lukrativen Gewerbes. Noch leugnet der einstige Mittelstreckenläufer jedoch die zentralen Punkte der Vorwürfe.

Matschiner, der ehemalige Manager des Radprofis Bernhard Kohl, der im vergangenen Jahr, beschleunigt durch das Glykoprotein-Hormon Epo, auf den dritten Gesamtrang der Tour de France gestrampelt war, soll allerdings eine der Schlüsselfiguren der Szene sein und sogar über ein eigenes Labor für Eigenblutdoping verfügen. Das hat sein Exschützling Kohl nun auch erstmals öffentlich bestätigt. Seit 2005 soll ihn Matschiner mit Dopingprodukten versorgt haben. Damit schließt sich Kohl den Behauptungen der Triathletin Lisa Hütthaler an. Die 25-jährige Niederösterreicherin, derzeit selbst wegen Epo-Konsums gesperrt, erzählte vergangene Woche Details aus ihrer Dopingkarriere. An den Sportmanager und Epo-Lieferanten Matschiner (Übergabe auf Autobahnparkplätzen bei Linz) sei sie über Vermittlung von Andreas Zoubek, einem Arzt am Wiener St. Anna Kinderspital, geraten. Der habe ihr die ersten Spritzen in seinem Spitalszimmer verpasst. Gratis. »Er hat allerdings auch nichts dafür bezahlt, weil die Präparate aus dem Krankenhaus stammten«, sagt Michael Dimmel, der Extrainer von Hütthaler.

»Zoubek kannte aber auch seine Grenzen und hat Lisa weitervermittelt«, erzählt Dimmel. Der umtriebige Manager Matschiner ist von einem ganz anderen Kaliber als der altruistische Mediziner. »Lisa war stolz, dort mit einem Weltmeister an einem Tisch sitzen zu dürfen«, berichtet Dimmel. Matschiner, der unter anderem viele kenianische Langstreckenläufer unter Vertrag hat, muss seit mehreren Jahren einschlägig aktiv gewesen sein. Der ZEIT liegt die eidesstattliche Erklärung eines Sportlers aus dem Jahr 2003 vor: »Ich riskierte einen Blick in den Kühlschrank (von Matschiner, Anm. d. Red.). Und tatsächlich: Ich fand 3 Spritzen mit folgender Aufschrift: NeoRecormon 10000 IV/IE/UI Epoetin beta .« Ein anderer Zeuge will bei dem 33-jährigen Oberösterreicher sogar bereits 2001 Epo-Ampullen entdeckt haben.

Erstmals können Dopingfahnder nun Dealer observieren und abhören

Matschiner dürfte tatsächlich eine zentrale Figur sein - »Spinne im Dopingnetz« nannte ihn die FAZ. Bis 2004 leitete er gemeinsam mit Manfred Kiesl die International Sports Agency AG. Kiesl musste 2001 eine Finanzstrafe entrichten, nachdem Wachstumshormone und Anabolika in dem gemeinsamen Haushalt sichergestellt wurden, in dem er mit seiner Frau, der heutigen oberösterreichischen Landtagsabgeordneten und Olympiadritten über 1500 Meter von 1996, Theresia Kiesl, lebt. Bei den Olympischen Winterspielen von Turin 2006 war Matschiner als Gast von Walter Mayer, dem angeblichen »Vater des Langlaufwunders«, anwesend, als eine Razzia der Carabinieri im Quartier der österreichischen Langläufer die heimische Sportszene in ein schiefes Licht brachte. Im Vorjahr wurde einem weiteren Klienten Matschiners, dem niederländischen Europarekordler über 3000 Meter Hindernislauf, Simon Vroemen, der Gebrauch eines anabolen Steroids nachgewiesen.

Matschiners Geschäfte waren seit Jahren bekannt. Doch erst das Antidopinggesetz vom vergangenen August ermöglichte es, dem verschwiegenen Treiben auf die Schliche zu kommen. »Endlich können wir jetzt die Dealer observieren und ihre Telefone abhören«, sagt ein Fahnder. Er war bis Ende des Vorjahrs als Einziger im Bundeskriminalamt für Dopingdelikte zuständig. Seit Januar arbeiten nun zehn Mitarbeiter einer Soko an den Fällen. Außerdem verfügt jetzt die Antidopingagentur Nada über die Möglichkeit, ertappten Dopern bis zu drei Viertel ihrer Sperre nachzulassen, wenn sie plaudern.

Öffentlichkeit und Funktionäre haben begonnen umzudenken. Doping gilt nicht länger als Kavaliersdelikt, sondern als gewerbsmäßiger Betrug. Auch Norbert Darabos, der neue Sportminister, legt überraschende Härte an den Tag. Ertappte Dopingathleten müssen nun ihre staatlichen Fördergelder zurückzahlen, und der unscheinbare Burgenland-Kroate will zudem eine heilige Kuh des Sportrechts schlachten: »Auch Sportler sollen strafrechtlich verfolgt werden können.« Eine Reform, die von allen fünf Parlamentsparteien vehement abgelehnt wird, obwohl beispielsweise die italienische ebenso wie die französische Justiz Dopingsündern mit Haftstrafen droht.

»Ich verstehe nicht, was er damit will. Wir wollen keine Sportler in Handschellen«, meint SPÖ-Sportsprecher Hermann Krist. Auch der Präsident der mächtigen Bundessportorganisation, Peter Wittmann, ebenfalls ein Parteifreund des Ministers, widerspricht: »Dem werden wir niemals zustimmen.« Zwischen Darabos und Wittmann, berichten Ohrenzeugen, sei es in dieser Frage wiederholt zu Schreiduellen gekommen.

»Wenn jetzt die Politik nicht interveniert, dann fliegt das ganze Dopingsystem auf. Dann werden noch viel mehr verhaftet«, hofft indes ein Ermittler. Dann würden endlich auch die merkwürdigen Vorgänge und Vertuschungsmanöver der vergangenen Jahre aufgedeckt werden können. Etwa jene von Salt Lake City, wo 2002 im Olympiaquartier österreichischer Langläufer Blutbeutel gefunden wurden. Oder jene rund um den Schweigegeldkreislauf rund um die Olympiabewerbung von Salzburg 2007. Ein großes Geheimnis war die Betrugspraxis jedenfalls nie. Als die ZEIT vor zwei Jahren über ein Blutdopinglabor in Wien berichtete, meinte Karl Schweitzer, einst Sport-Staatssekretär im Kabinett von Wolfgang Schüssel: »Natürlich kenne ich das, es waren ja alle dort.«

Hinter vorgehaltener Hand berichten die Dopingfahnder aber von einem gewichtigen Grund, weshalb eine politische Intervention doch noch die rückhaltlose Aufklärung verhindern könnte. Bei der Durchsuchung im Hause von Matschiner-Partner Manfred Kiesl sei auch eine Liste gefunden worden, auf der die Namen vieler Dopingkunden gestanden seien – ein Gerücht, das Kiesls Anwalt bestätigt. Aus staatspolitischen Gründen habe damals Bundeskanzler Viktor Klima striktes Stillschweigen über die Abnehmer verordnet. Sein damaliger Sportreferent Robert Pelousek ist heute Sektionschef bei Sportminister Darabos. Im vergangenen Jahr wurde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet – und wieder abgebrochen. »Weil er gedroht hat, die Kundenliste zu veröffentlichen«, sagt ein Mitarbeiter des Bundeskanzleramts.

Wer auspackt, fürchtet, dass ihm etwas zustoßen könnte

Der erste Prominente, der in der neuen Affäre in Untersuchungshaft wanderte, war der frühere Langlauftrainer Walter Mayer, der Mann, der den Weltmeistertitel seiner Schützlinge im Jahr 1999 so begründete: »Weil meine Frau Gerlinde so gute Kraftnahrung für sie kocht.« Im selben Gebäude, der Justizanstalt Wien-Josefstadt, sitzt derzeit auch ein Kärntner Apotheker wegen des Verdachts auf Dopinghandel. Diese Verhaftung wegen des schwunghaften Geschäfts mit verbotenen Leistungssteigerern ist ein absolutes Novum in Österreich. Noch schweigt Mayer. Der Extrainer könnte allerdings Licht in das Netz der Dopingkunden bringen, die weiterhin unbehelligt bleiben. Das wissen die Fahnder.

Der Gesetzgeber hat nämlich Dopingathleten eine Hintertür offen gelassen. Die Staatsanwaltschaft darf der Antidopingagentur Nada die Namen von Beziehern verbotener Pharmazeutika nicht verraten, sollte sie diese in Erfahrung bringen. »Weil die Nada keine Behörde ist«, erklärt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, Gerhard Jarosch. Er räumt jedoch ein: »Wenn die Kundenliste in einer Zeitung abgedruckt ist, dann könnte die Nada von sich aus aktiv werden.«

Selbst wenn Mayer oder Matschiner über die Dopingpraktiken von Sportlegenden auspacken sollten, so steht dann wohl Aussage gegen Aussage. Kein Athlet würde sich vermutlich mit einem Geständnis selbst belasten, solange ihm der Missbrauch nicht durch Laborergebnisse nachgewiesen werden kann.

Falls Mayer überhaupt aussagt. »Die Österreicher haben ihre neuen Dopingmethoden immer von den Russen bekommen«, erzählt ein Insider, der seit vielen Jahren in der Szene recherchierte, aber seine Erkenntnisse nie veröffentlichen konnte: »Mit denen will sich keiner anlegen.« Auch nicht mit dem Österreichischen Skiverband. »Als ein Journalist einer heimischen Tageszeitung Näheres über den Unfall eines immer noch aktiven Ski-Idols erfahren wollte, hat er die Recherchen nach Morddrohungen beendet«, weiß Michael Dimmel, Extrainer der Kronzeugin Hütthaler. Er – ebenfalls Triathlet – ist einer der wenigen, die ihre Dopingvergangenheit offenlegten. Er war es auch, der die Ermittlungen gegen Zoubek beim Bundeskriminalamt durch eine Anzeige ins Rollen brachte. Und er fürchtet um sein Leben: »Ich rechne damit, dass mir etwas passiert.«

http://www.zeit.de/2009/15/Doping?page=1

Völlig unbeachtet blieb bisher die Rolle, die Ärzte in der Dopingbranche spielten. Sie durften bis zur Gesetzesreform theoretisch Sportlern Blut abnehmen, es mit roten Blutkörperchen anreichern und vor Wettbewerben wieder zuführen. In Wien soll das über Jahre hinweg geschehen sein. Kinderarzt Zoubek ist der Einzige, gegen den offiziell ermittelt wird. Andere Sportmediziner spielen aber eine weit wichtigere Rolle. Bernd Pansold etwa hat als Sportarzt in der DDR jugendliche Sportler ohne deren Wissen gedopt und ist dafür vor zehn Jahren in Berlin wegen »schwerer Körperverletzung an Jugendlichen« verurteilt worden. Heute arbeitet er als Sportarzt bei Red Bull. Helmut Stechemesser, der im Rehab-Zentrum Aspach wirkt, lernte sein Handwerk in Leipzig und betreute unter anderem die wegen Dopings gesperrten Läuferinnen Jolanda Ceplak und Susanne Pumper. Als der Wiener Leistungsdiagnostiker Wilhelm Lilge ihn in einem Radiointerview mit Doping in Verbindung brachte, reichte Stechmesser Klage ein und lehnte ein Vergleichsangebot ab. Er hätte es annehmen sollen. Lilge wurde in erster Instanz freigesprochen. Der Leistungsdiagnostiker habe den Nachweis erbringen können, dass in Österreich ein mafiaähnliches Dopingnetzwerk existiere und Stechemesser einer der Hintermänner sei, hieß es in der Urteilsbegründung.

Die Epo-Sünderin Pumper plant derweil den Start in ein neues Leben. Demnächst eröffnet sie einen Schönheitssalon in der Wiener Innenstadt. Dort will sie auch Hormontherapien anbieten.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.      Liegen im Ministerium Informationen über die angesprochene Liste von Dopingkunden vor, über die vom damaligen Bundeskanzler Klima Stillschweigen verordnet worden sein soll?

a.      Wenn ja, welche Informationen?

b.      Wenn ja, welche Namen von Dopingkunden stehen auf dieser Liste?

2.      Wurden im Ministerium Untersuchungen eingeleitet, um Informationen über die angesprochene Liste zu erhalten?

a.      Wenn ja, wann und mit welchen Ergebnissen?

b.      Wenn nein, warum nicht?

3.      Wurde Sektionschef Pelousek befragt, ob er im Besitz der Liste ist?

a.      Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

b.      Wenn nein, warum nicht?

4.      Wurde gegen Sektionschef Pelousek ein Disziplinarverfahren eingeleitet?

a.      Wenn ja, aus welchen Gründen?

                                                  i.      Wurde das Disziplinarverfahren eingestellt?

1.      Wenn ja, aus welchen Gründen?

2.      Wenn nein, zu welchem Ergebnis führte das Disziplinverfahren?

5.      Hat Sektionschef Pelousek im Rahmen des Disziplinverfahrens mit der Veröffentlichung der angesprochenen Liste gedroht?