2192/J XXIV. GP

Eingelangt am 27.05.2009
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Gesundheit

 

betreffend die Kostentragung allgemein empfohlener Impfungen in Zusammenhang mit der „Nordamerikanischen Neuen Influenza“ Infektion und in Zusammenhang mit verpflichtenden Vereinbarungen mit der WHO.

 

 

Entsprechend bestätigter H1N1 Influenza Fälle in den USA scheint diese neue Influenza Infektion nicht so pathogen zu sein, wie zunächst zu befürchten war.

 

Es ist auch noch nicht klar, ob und in welchem Ausmaß Personen die bereits mit H1N1 Impfstämmen (A/Brisbane/59/2007) partiell geschützt sind oder weniger Komplikationen im Infektionsfall erleiden.

 

Klar ist jedoch, dass die im Österreichischen Pandemieplan vorgesehene Erhöhung der generellen Durchimpfungsrate mit saisonalem Influenza Impfstoff nicht stattgefunden hat und sogar seit der Saison 2006/7 in der Saison 2007/8 noch zurückgegangen (17,8% auf 16,0%) ist.

Die österreichische Durchimpfungsrate von Personen über 65 Jahren ist 2006/7 mit 37% weit unter dem mit der WHO vereinbartem Ziel von 50% per Ende 2006 (Resolution of the World Health Assembly, May 2003 „Better use of influenza vaccines for seasonal epidemics will help to ensure that manufacturing capacity
meets demand in a future pandemic, as well as preventing numerous deaths“) und wird auch das auch von Österreich beschlossene Ziel von 75% per 2010 weit verfehlen.

 

 Damit hat Österreich in der EU eine der schlechtesten Influenza- Durchimpfungsraten in der EU- jedoch mit weit höherem Bruttonationalprodukt als die 2 noch schlechteren Länder. Ein Grund für eine niedrige  (siehe z B Endrich MM und Szucs T et al Vaccine May 2009 in press) ist das Faktum, dass Influenza Impfstoffe (und andere allgemein empfohlenen Impfstoffe) auch für Senioren nicht kostenfrei angeboten werden.

 

Für eine Pandemische Situation hat Österreich einen Vertrag mit der Fa Baxter, es sollen alle Österreicher mit dem pandemischen Impfstoff geimpft werden. Ein entsprechender Musterimpfstoff ist als Ganzvirus-Impfstoff (7,5 µg in 10-Dosen Behältern) ist von EMEA unter dem Namen Celvapan zugelassen worden. Die Zulassung umfasst aber lediglich Personen >18 Jhr. Ein Impfstoff für Kinder ist nicht zugelassen, nach Pandemieplan sollten aber auch Kinder als die Triebkräfte der Infektion geimpft werden. Dazu kommt, dass es bekannt ist, dass Ganzvirusimpfstoffe für Kinder schlechter verträglich sind als split- oder subunit Impfstoffe (siehe zB Bernstein DI, Pediatrics 1982). Unserer Information nach wurde die Entwicklung eines saisonalen Ganzvirusimpfstoffes auf Vero Zell Basis wegen Reaktogenität von Baxter abgebrochen.

 

Sehr häufig ist die primäre Influenza Infektion etwa eine Woche später mit einer bakteriellen Superinfektion aggraviert, an der dann Patienten auch häufig versterben.

Diese bakterielle Superinfektion wird sehr häufig durch S. pneumoniae verursacht. Auch aus diesem Grund ist die 23-valente Pneumokokkenimpfung für Personen über 60 Jahren in Österreich allgemein empfohlen, wird aber auch nicht kostenfrei angeboten- daher Schutzrate gering. Mindestrentner müssten in den ersten 5 Jahren ihrer Pension etwa 500 € für allgemein empfohlene Impfungen aufbringen- eine klassische 2-Klassenmedizin.

 

In der USA werden seit 2000/01 flächendeckend und kostenfrei Säuglinge nach dem 3+1 Schema mit einem konjugierten Pneumokokkenimpfstoff geimpft. Das hat dazu geführt, dass nach kurzer Zeit eine Herdenimmunität eingetreten ist, die Kleinkinder nicht mehr mit diesen Keimen kolonisiert sind, und daher auch andere (Eltern, Grosseltern !) nicht mehr anstecken können (Anonymous MMWR 54(36);893-97 16.9.2005).

Die durch den Impfstoff abgedeckten invasiven Erkrankungen und Lungenentzündungen sind daher auch bei Ungeimpften drastisch eingebrochen. Durch die weit höhere Durchimpfungsrate in der USA mit Influenza Impfstoffen (allgemeine Impfung bei Kindern bis 18 Jahren + Ältere ) und durch die konjugierte Pneumokokkenimpfung sind daher in allen Altersgruppen bei der saisonalen Influenza Epidemie weit weniger Infektionen und auch Komplikationen zu erwarten. Dies trifft auch für eine mögliche Pandemie zu.  Für den Fall einer denkbaren Pandemie mit der „Neuen Influenza“ oder einem anderen Stamm wären daher für Österreich mehr Infektionen und Komplikationen bei Kindern und Senioren zu erwarten, bevor ein pandemischer Impfstoff zur Verfügung steht.

 

Die Durchimpfungsrate mit konjugiertem Pneumokokkenimpfstoff –obgleich seit Dezember 2002 allgemein empfohlen ist sehr niedrig (kostenfrei nur für Risikokinder), weil nicht kostenfrei nach Impfkonzept, wie es BM Hostasch 1998 vorgesehen hat: Daher ist hier keinerlei Herdeneffekt zu erwarten, so dass auch in Abwesenheit einer Pandemie die Infektionsrate (mit Todesfällen und schweren Behinderungen bei Kindern) durch Pneumokokkeninfektionen nicht rückgängig ist. Auch hier eine klassische Zweiklassenmedizin- Eltern müssen derzeit für nach Impfplan allgemein empfohlenen Impfstoffen privat etwa 1400 € bis zum 14 Lj aufbringen. Auch hier werden Kriterien für Impfstrategien zur Einführung neuer Impfstoffe wie es die WHO vorsieht verletzt. Andere Länder mit weit schlechterer Finanzsituation wie zB Ungarn oder die Türkei bieten die kostenfreie konjugierte Pneumokokkenimpfung flächendeckend an.

Österreich hat sich verpflichtet bis 2010 Masern und Röteln zu eliminieren (d.h. < 1 Masern/Rötelnfallfall pro Mio Einwohner) sowie zur Prävention von Rötelnembryopathien (< 1 CRS pro 100.000 Geburten).http://www.euro.who.int/Document/E87772G.pdf?language=german

Um dieses Ziel zu erreichen sind auch Impflücken zu schließen und zur Umsetzung zusätzliche Impfangebote durchzuführen. Österreich hatte letztes Jahr 443 Masernfälle und derzeit einen Rötelnausbruch in der Steiermark (bislang 161 Fälle per 16.4.09 siehe AGES) inklusive einer Primärinfektion in der Frühschwangerschaft, Betroffen sind in jedoch häufig junge Männer die nicht Röteln geimpft sind..

 

 

Zu den Kosten für Impfprogramme:

Der allgemein empfohlene konjugierte Pneumokokkenimpfstoff ist wie zahlreiche Studien belegen zwar hochpreisig aber dennoch kostensparend. Ebenso wie die teure Impfung gegen Cervixkarzinom und Genitalwarzen. Dennoch werden solche kostensparenden Gesundheitsmaßnahmen mit denen viele Todesfälle, dauernde Behinderungen, Pflegefälle und Komplikationen verhindert werden könnten nicht kostenfrei angeboten.

Pro vermiedenem Todesfall durch welch Präventivmassnahme auch immer sollte gleich viel Geld aufgewendet werden.

 So wird für jeden vermiedenem Todesfall im Strassenverkehr bis zu 1,5 Mio € investiert, für jeden vermiedenen Lawinentodesfall werden bis 3 Mio € als sehr kostenwirksam bezeichnet (http://www.sils-ch.ch/doc/Vortrag_kLAL-Gonda.pdf). In Österreich könnten jährlich durch Impfung etwa 120 Zervixkarzinomtodesfälle (100% Frauen) verhindert werden, wären das vermeidbare Lawinentote (80% Männer) würden 360 Mio € als sehr kostenwirksam investiert, eine Impfung (eines Geburtsjahrganges –auch Buben) mit dem HPV-4 Impfstoff würde etwa 25 Mio € kosten.

Herkömmliche Kosten/Nutzen Rechnungen, die zeigen, dass allgemein empfohlene Impfungen auch kostenmäßig sinnvoll sind haben ihre Grenzen und sollen nicht mehr verwendet werden bei möglichen Pandemien. Im übrigen ist Rotavirusimpfstoff (als einziger seit 1998 zusätzlich kostenfreier Impfstoff) maximal grenzwertig hinsichtlich Kostenersparnis und wird daher in DE und CH nicht kostenfrei angeboten. Kosten dürfen jedoch nicht das einzige Argument für ein Gesundes Österreich sein.

Sie selbst haben hier mehrfach bei hochpreisigen Impfstoffen von Abzocke gesprochen. Faktum ist, dass Fabriksabgabepreis des HPV-4 Impfstoffes 110 € pro Dosis, der Apothekenabgabepreis aber 190,65 € beträgt. Impfstoffe sind rezeptpflichtig, werden aber regelmäßig gegen das AMG und mit Unterbrechung der Kühlkette (Unterbrechung der Qualitätssicherung) von Apotheken ohne Rezept abgegeben

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1)     Warum hat das Ministerium die WHO Resolution aus 2003 hinsichtlich einer Durchimpfungsrate bei Senioren von mindestens 50% nicht umgesetzt?

 

2)     Welche zusätzlichen Maßnahmen werden gesetzt, um das angestrebte Ziel, bis 2010 eine Durchimpfungsrate von 75% gemäß WHO Resolution zu erreichen? Wenn keine Maßnahmen gesetzt werden, warum nicht?

 


3)     Warum lehnen Sie eine Zwei-Klassen Medizin zwar ab, lassen eine solche aber bei allgemein nach Impfplan empfohlenen Impfungen (Erlass des BM) sowohl bei Kindern, als auch bei Erwachsenen und SeniorInnen zu?

 

4)     Planen sie eine öffentliche Kostenübernahme dieser und zusätzlicher Impfung durch die Öffentlichkeit (z.B. Bundesministerium, Länder, Hauptverband etc.), um endlich diese Zwei-Klassenmedizin zu beenden und für die Gesundheit der in Österreich lebenden Menschen positiv beizutragen? Wenn nein, warum nicht?

 

5)     Warum ergreift das Ministerium keine Maßnahmen, damit die volkswirtschaftlich kostensparenden, allgemein empfohlenen Impfungen kostenfrei angeboten werden?

 

6)     Wir schlagen vor, quer durch alle Ressorts eine Erhebung über die Kosten jeglicher Präventionsmaßnahmen (vermiedene Todesfälle im Hochwasserschutz, Lawinenschutz, Straßenverkehr, Impfwesen) pro vermiedenem Todesfall durchzuführen und danach die preiswertesten Präventionsmaßnahmen für Menschen in Österreich kostenfrei erheben. Die durch Public Health vermiedenen Todesfälle dürfen nicht immer die „billigsten“ sein. Sind Sie bereit, dies zu initiieren, wenn nein, warum nicht?

 

7)     Haben Sie vor, die Firma Baxter mit einer klinischen Verträglichkeitsstudie für Kinder bis 18 Jahren zu beauftragen oder eine solche Studie selbst in Österreich anzuordnen (beispielsweise doppelt blind Musterpandemieimpfstoff versus saisonalen Impfstoff 2009/10, dann crossover)? Wenn nein, warum nicht?

 

8)     Wollen sie zulassen, dass im Pandemiefall ein für diese Altersgruppe nicht geprüfter, wahrscheinlich reaktogener, Impfstoff für Kinder bis 18 Jahren verwendet wird? Wenn ja, warum?

 

9)     Der Baxter Pandemie Impfstoff wird in 10 Dosen Behältern angeboten, es werden also keine entsprechenden Nadeln und Spritzen mitgeliefert, wie es bei Fertigspriten automatisch der Fall wäre. Wurde hier Vorsorge für 16 Mio. Nadeln und Spritzen getroffen, wenn nein, warum nicht?

 

10)    Welche Motive haben das Gesundheitsministerium seit Zulassung des Pneumokokkenimpfstoffes daran gehindert, die flächendeckende, kostenfreie Impfung für Säuglinge einzuführen, obwohl sich durch diese Maßnahme kostenintensive Krankheitsfolgen reduzieren ließen und die Komplikationen (Pneumokokken Pneumonie) im Fall einer Influenza Pandemie bei Kindern, aber auch bei ungeimpften jenseits des Kindesalters, erheblich weniger wären?

 

11)    Sind sie hinsichtlich des Gender Effekts (siehe Kosten für vermiedene Lawinentote versus Cervixkarzinomtote) gewillt, zumindest für Frauen die kostenfreie HPV-4 Impfung durchzusetzen? Wenn nein, warum nicht?

 

12)    Welche zusätzlichen Impfangebote haben sie geplant, um 2010 die Eliminationsziele der WHO hinsichtlich Masern und Röteln zu erreichen und zu erhalten? Wenn Sie keine Maßnahmen geplant haben, warum nicht?

 


13)    Haben Sie Maßnahmen geplant, um im Sommer ins Urlaubsland kommende Touristinnen mit möglichem Kinderwunsch wenigstens vor der Rötelnepidemie zu warnen? Wenn nein, warum nicht?

 

14)    Halten Sie es generell für zulässig, wenn Österreich jeweils bei der Generalversammlung der Weltgesundheitsorganisation Beschlüsse mit trägt, bzw. sich zu Maßnahmen, die speziell für das öffentliche Gesundheitswesen  extrem wichtig sind, verpflichtet, dann aber nichts zur Umsetzung beiträgt? Wenn ja, warum?

 

15)    Planen Sie Änderungen, um WHO Beschlüsse auch zeitgerecht umzusetzen, wenn ja welche, wenn nein, warum nicht?

 

16)    Planen Sie Änderungen der Apothekenspanne nach unten? Wenn ja wann, und in welchem Ausmaß, wenn nein, warum nicht?

 

17)    Wie und wann wollen Sie die gesetzeswidrige Situation der Impfstoff Abgabe  ohne Rezept in Apotheken, die zudem der Qualitätssicherung (Kühlkette) zuwiderläuft, abstellen?