222/J XXIV. GP

Eingelangt am 24.11.2008
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

 

ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Inneres

 

betreffend polizeiliche Überwachung des Kunstprojektes "Schubhaft"

 

Von 6.12.2001 bis 1.9.2002 wurde durch den Tiroler Künstler Franz Wassermann ein Kunstprojekt mit dem Titel „Schubhaft“ durchgeführt. Auf seiner Internetseite (www.mylivingroom.org) beschreibt der Künstler das Projekt wie folgt:

 

Das Konzept
Menschen, die eingesperrt in Schubhaft leben müssen, haben nichts verbrochen, außer daß sie den willkürlichen Kriterien des Systems nicht entsprechen. Schubhaft ist Zwangsisolation. 4 Menschen werden eingesperrt in einer 12m2 kleinen Gefängniszelle. 24 Stunden bis zu 6 Monate lang. In der Zelle sind 4 am Boden festgeschraubte Betten, 4 am Boden festgeschraubte Stühle, 1 am Boden festgeschraubter Tisch, 1 Waschbecken und 1 Klo, abgetrennt mit einem Vorhang.
2 mal in der Woche ist es erlaubt den Duschraum zu benützen. Das Festschrauben der Betten, der Stühle und des Tisches wird mit dem Schutz vor Selbstverstümmelung begründet. Wer sich widersetzt, kommt einzeln und nackt in die Korrekturzelle, einer Gummizelle ohne Fenster.

 

Plakataktion
Urlaub bei Freunden.
Ich gehe ins Gefängnis zu Menschen, die in Schubhaft gehalten werden, tausche mit ihnen neue Kleider gegen ihre persönlichen Kleidungsstücke, die ich anziehe und mich damit fotografiere. In diesen Fotos verwende ich Zitate aus Originalbriefen, die die Gründe für die Flucht erklären und formuliere sie zu Hafterklärungen um: "Ich bin in Schubhaft, weil ich gefoltert und vergewaltigt wurde.", "Ich bin in Schubhaft, weil ich Christ bin." usw. Ich übertrage die Schubhaft von Innen nach Außen.
Als Gegenüberstellung zu den oben genannten Portraitaufnahmen fotografiere ich Motive aus Zeitungen, Fernsehen, Internet sowie Szenen und Situationen aus dem Alltag und verbinde diese mit Werbesprüchen über Heimat, Freiheit, Freundschaft usw., die durch diese Konfrontation eine bestimmte Aufladung erfahren, anders funktionieren bzw. irritieren: "Urlaub bei Freunden", "So schmeckt die Freiheit, der Präsident" usw. Aus diesen verschiedenen Aufnahmen und Materialien werden Plakate angefertigt und im öffentlichen Raum installiert.

 

Ausstellung in einem Kunstraum
Made in Austria.
Zu den Aktionen im öffentlichen Raum soll eine Ausstellung Schubhaft Ýin einem offiziellen Kunstraum stattfinden, in dem Installationen mit den eingetauschten Kleidungsstücken, Schließfächern, Videos, Fotos und einer Zeltstadt geplant sind.

 

Wohnmobil
Alltag raus ,Österreich rein.
Urlaub als Flucht vor dem Alltag. Das Wohnmobil - Symbol für Erholung, Urlaub, Familie, Freiheit, Ungebundenheit - wird Ýgeweiht und erhält damit die Funktion eines Kirchenraumes. Dieser wird dadurch zu einer mobilen Herberge und somit zu einem mobilen Schutzraum vor Verfolgung, Vertreibung, Vergewaltigung, Ermordung, Haft, Verschleppung, Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Ausweglosigkeit. Als historisch legitimierter Schutzraum entzieht sich ein Kirchenraum dem Zugriff der Staatsgewalt und gewährt Asylsuchenden Sicherheit vor Verfolgung.

So schmeckt die Freiheit, der Präsident. Flucht um zu Überleben als Alltag. Das geweihte Wohnmobil wird zum subversiven Mahnmal, das ortsungebunden immer und überall für vertriebene und abgeschobene Menschen einsatzbereit ist, die den willkürlichen Kriterien des Systems nicht entsprechen können.

 

Zur Umsetzung des Projektes wurde am 6.12.2001 eine Pressekonferenz vor der Bundespolizeidirektion Innsbruck abgehalten, es kam zur öffentlichen Weihe des Wohnmobils (22.12.2001) sowie zu Zeltaktionen in Feldkirch (19.6.2002) und am Grenzübergang Brenner (29.8.-1.9.2002).

 

Es gibt Hinweise darauf, dass das Kunstprojekt – zumindest in Teilen – polizeilich überwacht wurde.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.      Haben Dienststellen des Bundesministeriums für Inneres die Durchführung des Kunstprojektes „Schubhaft“ des Tiroler Künstlers Franz Wassermann in behördlicher Funktion wahrgenommen?

2.      Kam es diesbezüglich zu aktenmäßigen Bearbeitungen des Kunstprojektes?

3.      Falls ja: auf welcher Rechtsgrundlage?

4.      Mit welchem Inhalt?

5.      Kam es zu polizeilichen Observationen oder anderen Überwachungsmaßnahmen des Kunstprojektes?

6.      Falls ja: Welche Teilaspekte des Kunstprojektes wurden überwacht?

7.      Welche Überwachungsmaßnahmen wurden gesetzt?

8.      Durch welche Dienststellen?

9.      Auf welcher Rechtsgrundlage?

10. Aus welchen Gründen?

11. Auf wessen Anordnung?

12. Kam es in der Vorbereitungsphase oder während der Durchführung des Kunstprojekts zu Überwachungen der Telekommunikation von Franz Wassermann?

13. Wurde die gerichtliche Anordnung von Überwachungsmaßnahmen beantragt?

14. Erfolgte eine Beurteilung der polizeilichen Maßnahmen im Hinblick auf das Grundrecht der Freiheit der Kunst?

15. Falls ja: durch wen?

16. Mit welchem Ergebnis?