Eingelangt am 10.06.2009
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ANFRAGE
des
Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde
an den
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Bienensterben aufgrund der Saatgutbehandlung mit neonicotinoidhältigen Saatgutbeizen und
tatenloses Zusehen der Behörden
Beim Maisanbau wurde auch
heuer wieder jenes gefährliche Saatgutbeizmittel mit dem Pestizidwirkstoff
Clothianidin (Handelsbezeichnung „Poncho“) aus der Gruppe
der Neonicotinoide eingesetzt. Es hatte bereits im Vorjahr zu einem
massenhaften Bienensterben in Deutschland (im Raum Baden Würtemberg fielen
diesem rund 11.500 Bienenvölker zum Opfer) geführt. Auch in
Österreich sind bereits im Vorjahr in agrarisch intensiv genutzten
Gebieten Vergiftungserscheinungen bei rund 3.500 Bienenvölkern aufgetreten
und auch heuer wurden von den Imkerverbänden bedenkliche Bienenverluste
gemeldet. Rund 30 Bienenproben wurden bereits zur Zeit der Maisaussaat an die AGES
geschickt, doch es liegen angeblich immer noch keine Untersuchungsergebnisse
vor.
Bei der Saatgutbeize wird
Clothianidin direkt auf das Maiskorn aufgetragen, um die Maispflanzen vor
Insekten wie dem Maiswurzelbohrer zu schützen. Clothianidin wirkt als
Nervengift. Für Bienen dürfte neben dem giftigen Beizstaub, der bei
der Aussaat freigesetzt wird, nach neusten Erkenntnissen auch die
Maisjungpflanze noch wochenlang eine Giftquelle darstellen.
Die Imkereibetriebe melden folgende
Symptomatik bei den Bienen:
-
Gehäuftes Sterben von
Flugbienen, Verlust der Volksstärke
-
Starke Völker degenerieren zu
Kümmerern, die nicht mehr trachttauglich sind
-
Krabbelnde Bienen, die eindeutige
Symptome von Vergiftungen zeigen.
Die
AGES versprach den ImkerInnen die Durchführung eines Projekts namens
MELISSA
(„Untersuchungen
zum Auftreten von Bienenverlusten in Mais und Rapsanbaugebieten
Österreichs und möglicher Zusammenhänge mit Bienenkrankheiten
und dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln“). Angeblich wurde das AGES-Projekt
jedoch bisher nicht genehmigt und die Entscheidung darüber auf Juli
verschoben.
Zur
Abklärung des Bienensterbens wurden von der AGES, unabhängig von der
Projektgenehmigung, bis heute 80 Verdachtsproben genommen, die nach wie vor auf
eine Untersuchung warten. Bei einigen Probenahmen waren angeblich auch
Mitarbeiter von Pflanzenschutzmittelfirmen anwesend (BAYER und SYNGENTA) nahmen
ebenfalls Proben. Offenbar ist der AGES die Zusammenarbeit mit den
Pestizidherstellern wichtiger als jene mit den ImkerInnen.
Die unterfertigten
Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
- Warum haben Sie die
Zulassung des bienengefährlichen Pestizidwirkstoffs Clothianidin trotz
aller Warnungen der ImkerInnen und der wissenschaftlichen Erkenntnisse aus
anderen Ländern nicht aufgehoben?
- Wie ist zu erklären,
dass die von der AGES verhängten "neuen Auflagen für
insektizide Beizmittel zum Schutz der Umwelt" im Vergleich mit den in
Deutschland verhängten Auflagen hinsichtlich der Qualität der
Beizung deutlich niedrigere Qualitätsstandards verlangen (erlaubter
Abrieb in Österreich: 1,3 g Abrieb/100.000 Körner; in Deutschland:
0,75 g Abrieb/100.000 Körner)?
- Wie ist zu erklären,
dass die von der AGES verhängten "neuen Auflagen für
insektizide Beizmittel zum Schutz der Umwelt" hinsichtlich der
Verwendung "abdriftmindernder Sätechnik", also der
Umrüstung der Sämaschinen auf eine staubabdriftmindernde
Technik, die ja in Deutschland bereits für die Maisaussaat 2009
verpflichtend war, in Österreich im Jahr 2009 aufgrund von
Übergangsfristen nicht verpflichtend war?
- Wie sind die – verglichen
mit den in Deutschland geltenden Auflagen - deutlich niedrigeren
Sicherheitsanforderungen in Österreich (siehe Frage 2 und 3) zu
rechtfertigen, insbesondere da in Deutschland 2009 ausschließlich
das insektitzide Maisbeizmitel Mesurol flüssig zugelassen war,
während in Österreich neben Mesurol flüssig auch die in
Deutschland als bienengefährlich eingestuften Beizmittel Poncho,
Gaucho 600 FS und Cruiser 350 FS, angewendet werden durften und auch
angewendet wurden?
- In der Anfragebeantwortung
820/AB (XXIV. GP) vom 27. März 2009 erklären Sie, dass es in Österreich kein gehäuftes,
durch ein entsprechendes Probenaufkommen dokumentiertes bzw. durch
entsprechende Ergebnisse von Rückstandsuntersuchungen
abgesichertes Bienensterben durch Saatgutbeizmittelwirkstoffe gab und leugnen
einen kausalen Zusammenhang. Da die eingesandten Proben nicht einmal
untersucht werden und das Projekt MELISSA gar nicht – wie
angekündigt – durchgeführt wird, worauf bezieht sich dann
Ihre Behauptung?
- Wurden die im Jahr 2008 von
den österreichischen Imkern bei der AGES eingesendeten Proben
getöteter Bienen auf Pestizide, insbesondere auf Clothianidin,
untersucht? Falls ja, wie viele der eingesendeten Proben wurden
untersucht? Wo lagen die Nachweisgrenze und die Bestimmungsgrenze der Methode?
- Wann und in welcher Anzahl wurden
2009 an die AGES Bienenproben bzw. Pollen oder Bienenbrot wegen Verdachts
auf Pestizidvergiftungen an die AGES geschickt?
- Wurden die Proben von der
AGES selbst gezogen? Gibt es inzwischen Untersuchungsergebnisse? Wenn ja, wie
viele, was ist das Ergebnis und wo liegen die Nachweis- und die
Bestimmungsgrenze der Methode? Wenn nein, warum nicht?
- Stimmt es, dass Sie bis
dato kein Geld freigegeben haben für das Projekt MELISSA („Untersuchungen
zum Auftreten von Bienenverlusten in Mais und Rapsanbaugebieten
Österreichs und möglicher Zusammenhänge mit
Bienenkrankheiten und dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln“) und
dass die Entscheidung über dieses wichtige Projekt auf Juli
verschoben wurde? Wenn ja, mit welcher Begründung? Wenn nein, wann
wurde das Geld für das Projekt freigegeben und wie viele Mittel
sollen dafür zur Verfügung gestellt werden?
- Wie erklären Sie, dass
bei den Probenahmen von getöteten Bienen durch die AGES auch
MitarbeiterInnen der Pflanzenschutzmittelfirmen BAYER und SYNGENTA
anwesend waren?
- Stimmt es, dass die Pflanzenschutzmittelfirmen
BAYER und SYNGENTA auch Untersuchungen durchgeführt haben? Wenn ja,
mit welcher Begründung?
- Sind Sie bzw. ist die AGES
in Kenntnis über die bisherigen Untersuchungsergebnisse der
genannten Pflanzenschutzmittelfirmen? Wurde bei diesen
Untersuchungen der Wirkstoff Clothianidin nachgewiesen?
- Wie erklären Sie, dass
den ImkerInnen und der Öffentlichkeit die Untersuchungsergebnisse vorenthalten
werden, während gleichzeitig mit den Firmen kooperiert wird?
- Werden Sie in Hinkunft mit Clothianidin
gebeiztes Saatgut sowie sämtliche Saatgutbeizmittel aus der Gruppe
der Neonicotinoide verbieten? Wenn nein, wie ist das zu verantworten?
- Welche sonstigen risikomindernden
Maßnahmen zum Schutz der Bienen (außer ein paar technischen Auflagen
bezüglich der Handhabung, die niemand kontrolliert) werden Sie
setzen?
- Eine wirksame Alternative
gegen Schädlinge wie den Maiswurzelbohrer ist die altbewährte
Fruchtfolgewirtschaft. In den maisstärksten Bundesländern wird jedoch
durchschnittlich auf 41% der Maisflächen Mais auf Mais angebaut,
in der Steiermark sogar auf 67% und in Kärnten 57% der
Maisflächen. Werden Sie in den Mais-Monokultur-Anbaugebieten eine
verpflichtende Fruchtfolgewirtschaft vorschreiben? Wenn nein, welche
sonstigen Maßnahmen werden Sie treffen? Welche Unterstützungen
werden Landwirten/innen angeboten, wenn sie auf Fruchtfolgewirtschaft
umstellen?
- Ist der Anbau von Mais auf
Mais, bzw. ein 66%iger Anteil von Mais an der Gesamtackerfläche mit
der Teilnahme am ÖPUL vereinbar? Wenn ja, wie lässt sich das mit
den Zielen des Agrarumweltprogramms argumentieren? Auf wie viele
ÖPUL-Betriebe trifft der hohe Anteil an Mais-Monokulturen zu? Wie
viele Förderungen stehen für diese Betriebe zur Verfügung?