2828/J XXIV. GP

Eingelangt am 10.07.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Erwin Spindelberger, Dietmar Keck,

Christian Faul,

GenossInnen und Genossen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Pensionskassengesetz 1990 - genehmigte Ertragserwartungen?“

Viele nach dem Pensionskassengesetz 1990 gestaltete beitragsorientierte Pensionen, d. h. Firmenpensionen, sind im Jahr 2009 stark gekürzt worden. Auch in den vorhergehenden Jahren gab es bereits starke Verluste. In vielen Veranlagungs- und Risikogemeinschaften ergeben sich nun Pensionsminderungen bis zu 45 Prozent gegenüber der Anfang dieses Jahrzehnts genannten nominellen Pensionshöhe. Bei Berücksichtigung der Geldentwertung bedeutet dies insgesamt Verluste in der Kaufkraft von mehr als 60 Prozent.

Ursache dieses Wertverfalls war die Annahme von zu hohen Ertragserwartungen für das an die Pensionskassen übertragene Kapital und haarsträubende Versprechungen der Anbieter. Der entscheidende Rechnungsparameter dafür ist ausschließlich der Rechnungszinssatz. Je höher der Rechnungszinssatz, umso geringer kann das Kapital sein, das für die Erzielung einer bestimmten Pension nötig ist. In den späten 1990iger Jahren wurden Rechnungszinssätze bis zu 6,5 Prozent von den Pensionskassen für erreichbar gehalten und in den Anwartschaftsverträgen (Pensionskassenverträgen) festgeschrieben sowie vom Bundesministerium für Finanzen genehmigt. Um nominell gleich bleibende Pensionen auszahlen zu können, muss aber bei diesen Versicherungsgemeinschaften im Durchschnitt ein jährlicher rechnungsmäßiger Überschuss von 8,5 Prozent erwirtschaftet werden, da von diesem Überschuss auch die Verwaltungs- und Vermögensverwaltungskosten bezahlt werden müssen und für die versicherungstechnische Bewertung der Längerlebigkeit (Aktualisierung der Sterbetafeln alle 9 bis 10 Jahre und versicherungstechnisches Ergebnis p.a.) vorgesorgt werden muss. Soll auch noch eine Schwankungsrückstellung aufgebaut und die Geldentwertung ausgeglichen werden, muss der rechnungsmäßige Überschuss noch um 2 bis 3 Prozent höher sein.

So genehmigte in den 1990iger Jahren beispielsweise das Bundesministerium für Finanzen:

              den Beitritt der Pensionisten der Chemie Linz AG (heute Agro-Linz AG) im Jahr 1996 zur Pensionskasse APK mit einem Rechnungszins von 6,5 Prozent,

             den Beitritt des technischen und Bodenpersonals der AUA im Jahr 1995 zur Pensionskasse VBV mit einem Rechnungszins von 6,5%,

             den Beitritt von Pensionisten und/oder aktiv Beschäftigten der Firma Alcatel in den Jahren 1993, 1997 und 1999 zur Pensionskasse ÖPAG mit einem Rechnungszinssatz von 6,5%.

Dem Bundesministerium für Finanzen kommt nach § 33 Pensionskassengesetz 1990 die Aufsicht über die Pensionskassen zu. Dieses hatte die Einschätzungen und Ertragsprognosen der Pensionskassen und ihrer Veranlagungs- und Risikogemeinschaften zu prüfen, zu genehmigen oder zurückzuweisen, falls diese dem Bundesministerium nicht plausibel und erreichbar erschienen:

             Nach § 20 Abs. 4 PKG 1990 in der historischen Fassung ist die Bewilligung des Geschäftsplanes einer Pensionskasse daran geknüpft, dass "die Belange der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten ausreichend gewahrt werden und insbesondere die Verpflichtungen aus den Pensionskassenverträgen als dauernd erfüllbar anzusehen sind".

             § 15 Abs. 4 Pensionskassengesetz (PKG) (in der historischen Fassung) legt fest, dass der Bundesminister für Finanzen eine Pensionskasse mit der Verbesserung des Vertrages zu beauftragen hat, sofern dieser nicht den Vorschriften des PKG entspricht: "Entspricht der Pensionskassenvertrag nicht den Vorschriften dieses Bundesgesetzes..., so hat der Bundesminister für Finanzen die Pensionskasse mit der Verbesserung des Vertrages zu beauftragen ...".

Die unterfertigten Abgeordneten stellen an den Bundesminister für Finanzen daher folgende


Anfrage:

1.     Nach § 20 Abs. 4 PKG 1990 ist die Bewilligung des Geschäftsplanes einer Pensionskasse daran geknüpft, dass "die Belange der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten ausreichend gewahrt werden und insbesondere die Verpflichtungen aus den Pensionskassenverträgen als dauernd erfüllbar anzusehen sind". Aufgrund welcher Annahmen hat das Bundesministerium für Finanzen Geschäftspläne von Pensionskassen bewilligt, die es für möglich hielten, für Pensionisten von Chemie Linz, AUA und Alcatel einen durchschnittlichen rechnungsmäßigen Überschuss von 8,5 Prozent und mehr dauerhaft zu erwirtschaften, der erreicht werden musste, um nominell gleichbleibende Pensionshöhen zu erzielen (ersucht wird um Übermittlung dieser Annahmen in schriftlicher und nachvollziehbarer Form)?

2.           Hat das Bundesministerium für Finanzen jemals geprüft, ob die den MitarbeiterInnen und BetriebsrätInnen von Chemie Linz, AUA, Alcatel u. a. hinsichtlich der Performance ihrer Pensionskassen gemachten Versprechungen sich in den Pensionskassenverträgen wiederfinden?

3.           Welche Verpflichtungen im Sinne von § 20 Abs.4 PKG in der historischen Fassung von 1990 nahmen die Pensionskassen APK, VBV und ÖPAG hinsichtlich der Erreichung von rechnungsmäßigen Überschüssen von 8,5 Prozent pro Jahr in den Pensionskassenverträgen auf sich?

4.           War dem Bundesministerium für Finanzen bekannt, dass zum Ausgleich einer Geldentwertung von jährlich 2 Prozent für die Pensionsberechtigten von Chemie Linz, AUA und Alcatel Jahr für Jahr ein rechnungsmäßiger Überschuss von 10,5 Prozent erwirtschaftet werden musste, um in der Kaufkraft gleich bleibende Pensionen zu gewährleisten?

5.           Welchen Betrachtungszeitraum hat das Bundesministerium für Finanzen bei der Prüfung der Frage herangezogen, ob im Zeitraum der Restlebenserwartung der beim Beitritt von Chemie Linz, AUA und Alcatel zu Pensionskassen knapp vor ihrer Pensionierung stehenden MitarbeiterInnen dieser Unternehmungen durchschnittliche rechnungsmäßige Überschüsse von 8 ,5 Prozent pro Jahr und mehr zu erzielen sein würden (ersucht wird um Übermittlung dieser Unterlagen, Berechnungen und/oder Expertisen im Volltext)?


6.           Hat das Bundesministerium für Finanzen jemals eine Pensionskasse mit der Verbesserung des Vertrages“ im Sinne des § 15 Abs. 4 PKG in der historischen Fassung beauftragt, weil dem Bundesministerium für Finanzen ein angenommener Rechnungszinssatz zu hoch erschienen war? (Wenn ja, wird um namentliche Bekanntgabe dieser Pensionskassen und der betreffenden Veranlagungs- und Risikogemeinschaften ersucht sowie auch um das Jahr der Anordnung einer Vertragsverbesserung).

7.           Welcher Rechnungszinssatz war in den Jahren seit 1990 der höchste, und welcher war der niedrigste Rechnungszinssatz, der vom Bundesministerium für Finanzen bzw. der Aufsicht genehmigt wurde (ersucht wird um jahreweise Darstellung des im jeweiligen Jahr genehmigten kleinsten und größten Rechnungszinssatzes)?

8.          Welche Zinssätze zahlte die Republik Österreich seit dem Jahr 1990 für Emissionen auf dem Geldmarkt (Aufschlüsselung auf Jahre mit den jährlichen Durchschnittswerten)?

9.          War dem Bundesministerium für Finanzen im Jahr 1990 und den darauffolgenden Jahren bekannt, dass der Dow Jones Industrial Average Index seit seinem Beginn am 17. Februar 1885 eine durchschnittliche Jahressteigerung von rund 4,5 Prozent aufweist, also um rund 4 Prozent weniger als der für die Pensionsberechtigten von Chemie Linz, AUA und Alcatel angesetzte und vom Bundesministerium für Finanzen genehmigte rechnungsmäßige Überschuss von 8,5 Prozent?
Welchen Einflu
ß hatte dies aus Sicht des Ressorts für die Pensionskassenverträge?

10.      War dem Bundesministerium für Finanzen bei Genehmigung der Pensionskassenverträge von Chemie Linz, AUA und Alcatel bewusst, dass der Dow Jones Industrial Average Index seinen Wert vom Tag vor dem schwarzen Donnerstag“ - 24. Oktober 1929 - nominell erst wieder am 6. Jänner 1954 erreichte, also 25 Jahre später, und bei Berücksichtigung der Geldentwertung erst wieder im Jahr 1961? Ist dem Bundesministerium für Finanzen bekannt, dass der Dow Jones Industrial Average Index seinen Wert vom 1. Jänner 1973 -1051 Punkte - erst wieder am 2. Jänner 1983 erreichte, also zehn Jahre später - so dass die historische Erfahrung nahelegt, dass es selbst bei grundsätzlich steigender Tendenz von Aktienkursen sogar jahrzehntelange Perioden von Stagnation und Rückgang derselben geben kann?

Welchen Einfluß hatte dies aus Sicht des Ressorts für die Pensionskassenverträge?

11.   Aus welchen Gründen hat sich das Bundesministerium für Finanzen bei Genehmigung der oben genannten Pensionskassenverträge für Chemie Linz, AUA und Alcatel entschlossen, die historische Erfahrung nicht zu beachten, dass der Dow Jones Industrial Average Index a) seit seinem Bestehen um durchschnittlich nicht mehr als 4,5 Prozent pro Jahr gestiegen ist und b) es auch jahrzehntelange Perioden von Rückgängen und Wertverlusten gegeben hat, und Geschäftspläne genehmigt, die Jahr für Jahr einen durchschnittlichen Ertrag von 8,5 Prozent für gleichbleibende Pensionshöhe voraussetzen?

12.   Welche Maßnahmen werden seitens des Ressorts zum Schutz der Anwartschafts- und Pensionsberechtigten getroffen, um derartige Ertragserwartungen der Pensionskassen auszuschließen und Leistungszusagen einzuhalten?