2909/J XXIV. GP

Eingelangt am 13.07.2009
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Korun, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Inneres

 

betreffend Vergabe der Rückkehrberatung an VMÖ

 

Die überbordende Anwendung von Schubhaft in Österreich wird seit Jahren immer wieder von ExpertInnen und von Höchstgerichten kritisiert. Ungeachtet dessen sieht der Entwurf der Fremdenrechtsnovelle von Juni 2009 neuerlich eine Ausweitung der Schubhafttatbestände (§ 76 FPG) vor. Zugleich wird vom BMI der Trend der Monopolisierung der Schubhaftbetreuung durch die Neuvergabe der Schubhaftbetreuung an den Verein Menschenrechte Österreich („VMÖ“) fortgesetzt: Überall dort, wo der VMÖ sich im Zuge der Neuausschreibung um die Rückkehrberatung (ehemals „Schubhaftbetreuung“) beworben hatte, hat das BMI langjährig tätigen und anerkannten NGOs wie die Caritas, Diakonie die Rückkehrberatung bzw. Schubhaftbetreuung entzogen und dem VMÖ zugesprochen. Dies, obwohl in den letzten Jahren wiederholt Fragen über die Arbeitsmethoden des VMÖ – die Rede war u.a. von schweren Betreuungsmängeln (Profil vom 1.10.2007) – laut wurden. Da es sich bei der Schubhaft um eine menschenrechtlich sensible Situation handelt, ist die Rückkehrberatung oft der einzige Ankerpunkt der Inhaftierten. Somit ist die Vergabe der Betreuung an unabhängige und professionelle NGOs nach objektiven Kriterien auch aus menschenrechtlicher Sicht ein Muss.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1. Was war der Grund für die Umänderung  der (ehemaligen) Schubhaftbetreuung in die sog. Rückkehrberatung?

 

2. Aus welchen Geldern und Mitteln wurde die Schubhaftbetreuung finanziert?

 

3. Aus welchen Geldern und Mitteln wird nunmehr die Rückkehrberatung finanziert?

4. Für welche Zielgruppen galt die Förderung im Rahmen der Schubhaftbetreuung durch den EEF und das BMI?

 

5. Für welche Zielgruppen gilt die nunmehrige Förderung der Rückkehrberatung durch den Rückkehrfonds?

 

6. Werden Asylwerber aus EU Ländern, welche zuvor im Rahmen der Schubhaftbetreuung mit umfasst waren, ebenfalls im Rahmen der Rückkehrberatung einbezogen?

 

7. Welche Kriterien waren für die Projektvergabe der Rückkehrberatung 2009 maßgeblich?

 

8. Welche dieser Kriterien hat die Diakonie nach Meinung des BMI nicht erfüllt?

 

9. Welche dieser Kriterien hat die Caritas nach Meinung des BMI nicht erfüllt ?

 

10. Welche dieser Kriterien hat der VMÖ vollständig erfüllt?

 

11. Welche Gründe haben das BMI letztendlich dazu bewogen, dem VMÖ den Zuschlag zu erteilen?

 

12. Welche Gründe haben Sie dazu veranlasst in den letzten Jahren, stets überall, wo der VMÖ sich um die Schubhaftbetreuung bewarb, dem VMÖ den Zuschlag vor allen anderen NGOs zu erteilen?

 

13. Wurde bei der Zuschlagserteilung auch das Kriterium der einschlägigen Berufsausbildung (z.B. ausgebildete SozialarbeiterInnen und JuristInnen) bzw. Berufserfahrung der jeweiligen Mitarbeiter der NGOs berücksichtigt?

 

a. Wenn ja, inwiefern?

b. Wenn nein, weshalb nicht?

 

14. Bildete bei der Zuschlagserteilung auch die Vernetzung der jeweiligen NGOs mit anderen Betreuungseinrichtungen ein maßgebliches Kriterium?

 

a. Wenn ja, inwiefern?

b. Wenn nein, weshalb nicht?

 

15. Bildete bei der Zuschlagserteilung die langjährige Praxis und Berufserfahrung der jeweiligen NGOs im Bereich der Schubhaftbetreuung ein maßgebliches Kriterium?

 

a. Wenn ja, inwiefern ?

b. Wenn nein, weshalb nicht?

 

16. Bildete bei der Zuschlagserteilung die Rückkehrquoten der jeweilig betreuten Schubhaftzentren ein maßgebliches Kriterium?

 

a. Wenn ja, inwiefern?

b. Wenn nein, weshalb nicht?

17. Wie wurde durch das BMI das Kriterium der „Effizienz“ der Rückkehrberatung beurteilt?

 

18. Inwiefern werden beim Kriterium der „Effizienz“ auch die jeweils durch die NGOs erzielten Rückkehrzahlen mitberücksichtigt?

 

19. Aufgrund welcher Erfahrungen bzw. Evaluierungen wurde die Erfüllung/Nichterfüllung der obengenannten Kriterien vom BMI festgestellt?

 

20. Werden diese Evaluierungen auch von unabhängigen Beratungsgremien, wie z.B. dem Menschenrechtsbeirat, eingesehen?

 

a. Wenn ja, von welchen?

b. Wenn nein, weshalb nicht?

 

21. VMÖ Chef Günther Egger führt die Neuvergabe darauf zurück, dass die anderen NGOs „schlechter und teurer“ wären (Standard, 3. Juli.2009). Was ist Ihre Stellungnahme hierzu?

 

22. Wie hoch war bzw. ist das Fördervolumen jeweils des VMÖ, der Caritas und der Diakonie aufgeschlüsselt auf verschiedene Projekte unter Angabe der Projekttitel im Rahmen des Europäischen Flüchtlingsfonds bzw. des BMI seit 2004?

 

23. Wie hoch war bzw. ist das Fördervolumen jeweils des VMÖ, der Caritas und der Diakonie aufgeschlüsselt auf verschiedene Projekte unter Angabe der Projekttitel im Europäischen Rückkehrfonds seit 2008?

 

24. In welchen PAZ wurden, aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2004, die Schubhaftbetreuung bzw. Rückkehrberatung von

 

a. VMÖ

b. Caritas

c. Diakonie

 

durchgeführt?

 

25. Wie hoch war bzw. ist das Fördervolumen dieser jeweiligen PAZ, aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2004?

 

26. Wie viele Schubhaftplätze gibt es, verteilt auf die jeweiligen PAZ?

 

27. Wie waren die Auslastungszahlen der jeweiligen PAZ, aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2004?

 

28. Welche Behörde weist die Schubhäftlinge den jeweiligen PAZ zu?

 

29. Wie hoch waren die tatsächlichen Kosten der Unterbringung in Schubhaft (Personal/Verpflegung) in den jeweiligen PAZ?

 

a. Falls das BMI hierzu keine Statistik führt, weshalb nicht?

30. Wie hoch war der Anteil der eingebrachten Eigenmittel durch jeweils den VMÖ, die Caritas, die Diakonie für die Schubhaftbetreuung bzw. Rückkehrberatung, aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2004?

 

31. Wie hoch war der Anteil der von dem VMÖ, Caritas bzw. Diakonie in die Schubhaftbetreuung bzw. Rückkehrberatung eingebrachten Drittmittel, aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2004?

 

32. Wie viele asylrechtliche Berufungsverzichte wurden, aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2004, in welchen PAZ abgegeben?

 

a. Falls das BMI hierzu keinerlei Statistik führt, weshalb nicht?

 

33. Wer leistet in Fällen eines asylrechtlichen Berufungsverzichts die vorherige notwendige Rechtsberatung?

 

34. Wird bei einem asylrechtlichen Berufungsverzicht vorher von den Mitarbeitern der Rückkehrhilfe aktiv auf die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit einem Rechtsberater, NGO oder Anwalt hingewiesen?

 

35. Wird bei Einweisung eines Schubhäftlings in ein PAZ aktiv von den Mitarbeitern der Rückkehrberatung auf die Möglichkeit eines Rechtsmittels bzw. einer rechtlichen Beratung mit einem Rechtsberater, einer NGO oder einem Anwalt hingewiesen?

 

a. Falls nein, weshalb nicht?

b. Falls ja, in welcher Form?

 

36. Wie definiert das BMI den Inhalt einer „Rechtsinformation“ in der Rückkehrberatung?

 

37. Worin liegt der Unterschied zu einer asylrechtlichen „Rechtsberatung“?

 

38. Welche Möglichkeiten einer Rechtsberatung haben jene Schubhäftlinge bzw. Asylwerber, welche sich nicht im Zulassungsverfahren befinden?

 

39. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Schubhäftlinge bei Einlieferung in das PAZ das sog. „Erstinformationsblatt“ mit den Kontaktdaten der Rechtsberater tatsächlich erhalten?

 

40. Können Sie uns das sog. „Erstinformationsblatt“ beilegen?

 

41. Wie wollen Sie sicherstellen, dass der VMÖ als betreuende NGO den Schubhäftlingen tatsächlich

 

a. das Erstinformationsblatt

b. die entsprechende Rechtsinformation

 

zugänglich macht?


42. Wie wollen Sie sicherstellen, dass der VMÖ als betreuende NGO den Schubhäftlingen tatsächlich die Kontaktaufnahme mit einem Rechtsberater, anderen NGO oder Anwälten ermöglichen?

 

43. Wie wollen Sie sicherstellen, dass der Mindeststandard einer Rechtsberatung im Sinne des Art. 13 der EU- Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG) bei Erteilung bloßer „Rechtsinformation“ in Schubhaft gewahrt bleibt?

 

44. Da die Rechtsberatung iSd. Art. 13 der EU-Rückführungsrichtlinie, nach eigenen Angaben Ihres Pressesprechers Gollia (Standard, 3. Juli 2009), „etwas weiter gefasst ist, als die Information über den Verfahrensstand“, wie gedenken Sie die derzeitige Vorgehensweise einer bloßen „Rechtsinformation“ mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen?

 

45. Was genau planen Sie bis 2010 an der bestehenden Rückkehrberatung (insbesondere der mangelnden Rechtsberatung) zu ändern, um Art 13. der EU-Rückführungsrichtlinie umzusetzen?