2926/J XXIV. GP
Eingelangt am 01.09.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler
Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend
betreffend den Bau der Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene
Herr Erwin H. ist Landwirt. Sein Grund ist unmittelbar von der Trassierung der Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene betroffen. Diese Leitung mit 800 mm Durchmesser soll vom Großraum Gänserndorf vorerst bis Bruck/Mur führen und in weiterer Folge als Gastransitroute zwischen Deutschland und Italien fungieren.
Im Jahr 2007 explodierte in Hessen eine 600 mm Hochdruckleitung mit verheerenden Folgen. Da es sich bei der geplanten Gasleitung um eine Leitung mit 800 mm Durchmesser und ca. 70 - 100 Bar Druck handelt, wäre bei einem ähnlichen Defekt mit noch schlimmeren Konsequenzen zu rechnen.
Zudem soll die geplante Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene über weite Strecken beinahe direkt unter einer 110 KV Hochspannungsleitung des Verbundes verlegt werden. Ein erhöhtes Sicherheitsrisiko wird somit von den Verantwortlichen bewusst in Kauf genommen.
Das Grundstück des Erwin H., welches er für die Trasse der geplanten Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene zur Verfügung stellen soll, liegt auf einem sogenannten „Rutschhang“. Dies stellt eine weitere veritable Gefährdung dar.
Überdies soll die geplante Gasleitung Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene in unmittelbarer Nähe zu bewohntem Gebiet verlaufen. Für die Menschen in den betroffenen Gebieten stellt dies abgesehen von den oben genannten Gefahrenquellen eine weitere ständige Bedrohung darstellen. Da sie selbst jedoch teilweise nicht Grundeigentümer sind, sondern ihre Häuser auf angrenzenden Grundstücken liegen, hätten sie zudem im Schadensfall keinerlei rechtlichen Anspruch auf Entschädigung. Diese Umstände haben bei der Bevölkerung verständlicherweise eine skeptische Haltung in Bezug auf die geplante Gastransitroute bewirkt.
Die berechtigten Ängste der Bevölkerung werden jedoch von den Verantwortlichen schlichtweg ignoriert.
Herrn Erwin H. sind mehrere Fälle bekannt, in denen ein Angestellter der EVN Grundbesitzer nach einem kurzen Telefonat und ohne vorab erfolgte Information aufgesucht, und die schriftliche Einwilligung zur Grundablöse eingefordert hat. Dies geschah teils zwischen Tür und Angel, teils nach mehrstündigen, von den Angestellten der EVN mit äußerstem Nachdruck geführten Gesprächen.
Verweigerten die Grundbesitzer dennoch ihre schriftliche Einwilligung, wurde vonseiten des Mitarbeiters der EVN mit Enteignung gedroht. Dies sei aufgrund „öffentlichen Interesses“ gerechtfertigt, wurde den Grundbesitzern gegenüber behauptet. Tatsächlich ist jedoch keiner der in § 57 GWG aufgezählten Enteignungsgründe erfüllt:
§ 57. (1) Eine Enteignung durch die Entziehung oder die Beschränkung von Grundeigentum oder Rechten ist zulässig, wenn dies für die Errichtung der Fern- oder Verteilerleitung erforderlich und im öffentlichen Interesse gelegen ist. Ein öffentliches Interesse liegt jedenfalls dann vor, wenn die Erdgasleitung in der langfristigen Planung (§ 12e) vorgesehen ist. Bei Erdgasleitungsanlagen, die nicht Gegenstand der langfristigen Planung sind, liegt ein öffentliches Interesse jedenfalls dann vor, wenn die Errichtung dieser Anlage zur Erreichung der Zielsetzung dieses Bundesgesetzes, insbesondere der in den §§ 3 und 12e umschriebenen Ziele, erforderlich ist. Für Erdgasleitungsanlagen mit einem Druckbereich bis einschließlich 0,6 MPa können private Grundstücke nur enteignet werden, wenn öffentliches Gut in dem betreffenden Gebiet nicht zur Verfügung steht oder die Benutzung öffentlichen Gutes dem Erdgasunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zugemutet werde kann.
(2) Die Enteignung umfasst:
1. die Einräumung von Dienstbarkeiten an unbeweglichen Sachen;
2. die Abtretung von Eigentum an Grundstücken;
3. die Abtretung, Einschränkung oder Aufhebung anderer dinglicher Rechte an unbeweglichen Sachen und solcher Rechte, deren Ausübung an einen bestimmten Ort gebunden ist.
(3) Von der im Abs. 2 Z 2 angeführten Maßnahme darf nur in fällen Gebrauch gemacht werden, wenn die übrigen im Abs. 2 angeführten Maßnahmen nicht ausreichen.
Auch wurde Herrn Erwin H. gegenüber fälschlich behauptet, dass er „der Letzte sei, der noch nicht unterschrieben habe“. Mehrere andere Grundbesitzer wurde ebenfalls mit der unrichtigen Behauptung, sie seien die Letzen, die noch nicht unterschrieben hätten, eingeschüchtert. Mit derartigen Methoden sollte die schriftliche Einwilligung zur Abtretung der betreffenden Grundstücke erlangt werden.
Weiters werden, bzw. wurden bei diesen Besuchen vollständig ausgefüllte Dienstbarkeitsverträge zur Einverleibung in das Grundbuch mit dem Hinweis vorgelegt, dass ein Notar die Verbücherung vornehmen möge.
Die Verhandlungen über die Ablösehöhe wurden dabei von der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer ohne Wissen der betroffenen Grundeigentümer durchgeführt.
Diese äußerst bedenkliche Vorgehensweise erscheint noch umso suspekter, als vonseiten der EVN behauptet wird, dass ihr keine genauen Informationen darüber vorliegen, welche Kraftwerke durch die geplante Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene versorgt werden sollen.
Von Herrn Erwin H. schriftlich eingebrachte Fragen an die EVN bezüglich des geplanten Trassenverlaufes blieben unbeantwortet und wurden erst geraume Zeit später bei einer „Informationsveranstaltung“ in Raach am 8. April 2009 beantwortet. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, an dem bereits ein großer Teil der betroffenen Grundbesitzer die Einwilligungserklärungen unterschrieben hatten.
Die Ablösen wurden somit ohne vorhergehende Information durch die EVN oder die involvierten Gemeinden vorgenommen. Laut Vertretern der Heimatgemeinde von Herrn Erwin H., wurden die dortigen politischen Verantwortlichen durch die EVN nur vage über den geplanten Leitungsbau informiert.
Unerklärlicherweise findet die geplante Gasleitung auch in den Medien kaum Erwähnung. Dies ist insofern interessant, als die Heimatgemeinde von Herrn Erwin H., wie aus der Erdbebenchronik des Niederösterreichischen Zivilschutzverbandes hervorgeht, ein nicht unerhebliches Erdbebenrisiko aufweist. Dieser Umstand wurde bislang im Zusammenhang mit der geplanten Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene selbst in den lokalen Medien nicht thematisiert.
Seitens der EVN will man vor Baubeginn ein Beweisverfahren durchführen. Diese Beweissicherung soll jedoch in kürzester Zeit abgehandelt werden. Dass die Aussagekraft dieser Beweissicherung unter einer solchen Vorgehensweise massiv leiden wird, scheint gewiss.
Das offenkundige Ziel der EVN bei den Grundablösen ist es, möglichst viele Grundbesitzer ohne ihnen zuvor den Zugang zu objektiven Informationen betreffend der geplanten Gastransitroute ermöglicht zu haben, zur Abtretung ihrer Grundstücke, bzw. zur Zustimmung zum Leitungsbau zu bewegen. In Niederösterreich ist dieser Plan bislang auch aufgegangen.
Erwin H. gehört zu den wenigen Betroffenen, die dem Druck auch weiterhin standhalten und zu Recht ihre Bedenken vorbringen. Im Falle des Erwin H. würde die geplante Schneise den Zufluss zu einer Quelle, die für die Versorgung seines Viehbestandes mit Wasser unerlässlich ist, vollständig abschneiden. Zudem haben bereits die Großeltern von Herrn H. negative Erfahrungen mit derartigen Großprojekten gemacht.
In den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden seine Großeltern im Zuge der Errichtung einer Hochspannungsleitung vom Verbund mit einer minimalen Ablösesumme für ihren Grund abgespeist und zudem zahlreiche Belastungen im Grundbuch eingetragen. Nun steht die Familie H. wieder vor einer ähnlichen Situation. Der Grund von Herrn H. ist bereits jetzt fast wertlos. Ein Befahren der Leitungstrasse mit landwirtschaftlichen Maschinen ist unmöglich. Ebenso ist an den Bau einer Forststrasse, wie von Herrn H. schon seit längerem beabsichtigt, nicht mehr zu denken. Die Trasse soll mitten durch sein Grundstück verlaufen. Der bewaldete Teil wäre damit vollständig vom restlichen Grundstück abgeschnitten, die Liegenschaft somit de facto unbrauchbar.
Das Land Niederösterreich hält 51% an der EVN und profitiert somit direkt von den Gewinnen des Unternehmens. Gleichzeitig werden die Genehmigungsverfahren für die gegenständlichen Leitungsabschnitte der geplanten Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene vom Land Niederösterreich abgewickelt. Das Land Niederösterreich ist selbstverständlich verpflichtet, ein völlig unabhängiges und objektives Genehmigungsverfahren betreffend den geplanten Bau der Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene durchzuführen. Den Ansuchen der betroffenen Grundstückseigentümer an die politisch Verantwortlichen im gegenständlichen Fall zu einer für alle Beteiligten akzeptablen Lösung beizutragen wurde nicht nachgekommen.
Die EVN hat jedoch mittlerweile auf die von Herrn H. vorgebrachten Bedenken reagiert. Man will Herrn H. vor Gericht enteignen lassen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend nachstehende
Anfrage
1.) Ist Ihnen bekannt, dass die EVN versucht, die Eigentümer der Grundstücke auf denen die Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene verlaufen soll, mit unrichtigen Behauptungen zur schriftlichen Einwilligung in eine Grundablöse zu drängen?
a.) Falls ja, warum haben Sie bislang die Öffentlichkeit nicht über diesen Sachverhalt informiert und warum haben sie noch keine Schritte unternommen um diese Vorgänge zu unterbinden und gegen die Verantwortlichen Anzeige erstattet?
b.) Falls nein, wann werden Sie sich über die erhobenen Vorwürfe eingehend informieren und die Anfragesteller über die Ergebnisse ihrer Nachforschungen in Kenntnis setzen?
2.) Ist es zutreffend, dass gegenwärtig eine Enteignung von Grundstückseigentümern, die ihre Zustimmung zur Abtretung ihrer Grundstücke für den geplanten Bau der Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene nicht erteilen, in keinem einzigen Fall durch die in §57 des Gaswirtschaftsgesetzes festgelegten Bestimmungen gedeckt wäre?
a.) Falls ja, werden Sie die von einem gerichtlichen Enteignungsverfahren bedrohten Grundstückseigentümer von diesem Umstand in Kenntnis setzen und welche Schritte werden Sie unternehmen um zu verhindern, dass die betroffenen Grundstückseigentümer weiterhin mit einer nicht gerechtfertigten Enteignung bedroht werden?
b.) Falls nein, in welchen konkreten Fällen ist eine solche Enteignung durch die in §57 des Gaswirtschaftsgesetzes enthaltenen Bestimmungen gedeckt? Es wird um genaue Bekanntgabe der betreffenden Grundstückseigentümer und der jeweils zur Anwendung gelangenden Rechtsvorschrift nach §57, durch die eine Enteignung gedeckt wäre, ersucht.
3.) Auf welcher Rechtsgrundlage, abgesehen von §57 des Gaswirtschaftsgesetzes basiert eine etwaige Enteignung der oben genannten Grundstückseigentümer?
4.) Wie viele Enteignungsverfahren die oben genannten Grundstückseigentümer betreffend sind anhängig, bzw. wurden bereits entschieden?
5.) Im Dienstbarkeitsvertrag der Herrn Erwin H. zur Unterschrift vorgelegt wurde ist festgehalten, dass die EVN das Recht erhalten soll, jederzeit in den zu verlegenden Leerrohren Lichtwellenleiterkabel einzubringen und zu Telekommunikationszwecken zu nutzen. Ist eine Enteignung rechtlich gedeckt, sollte sich Herr Erwin H. weigern, das derartige Kabel verlegt werden?
a.) Falls ja, um welche rechtlichen Bestimmungen handelt es sich dabei?
6.) Warum ist es Ihres Wissens nach nicht möglich, den betreffenden Teilabschnitt der Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene neben dem Grundstück des Erwin H. zu verlegen?
7.) Wie soll Ihres Wissens nach bei einem Bau der geplanten Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene eine gleichbleibende Qualität und Schüttungsmenge des Wassers aus den Hausbrunnen von Herrn Erwin H. sichergestellt werden?
8.) Erachten Sie die Verlegung der Teilstrecke einer Hochdruckgasleitung wie der Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene auf stark erdbebengefährdetem Terrain für unbedenklich?
a.) Falls ja, wie begründen Sie diese Einschätzung?
b.) Falls nein, wie begründen sie diese Einschätzung und was werden sie unternehmen um die Errichtung der Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene auf stark erdbebengefährdetem Terrain zu verhindern?
9.) Erachten Sie die Verlegung der Teilstrecke einer Hochdruckgasleitung wie der Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene auf einem sogenannten „Rutschhang“ für unbedenklich?
a.) Falls ja, wie begründen Sie diese Einschätzung?
b.) Falls nein, wie begründen sie diese Einschätzung und was werden sie unternehmen um die Errichtung einer Teilstrecke der Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene auf einem sogenannten „Rutschhang“ zu verhindern?
10.) Welche geologischen Untersuchungen wurden vorgenommen um unter anderem auszuschließen, dass eine Teilstrecke der geplanten Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene auf einem sogenannten „Rutschhang“ verläuft und welche Ergebnisse brachten diese Untersuchungen?
11.) Welche Sicherheitsvorkehrungen werden ihres Wissens nach aufgrund der erhöhten Erdbebengefahr auf Teilabschnitten des Terrains der geplanten Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene getroffen?
12.) Sind Ihnen abgesehen von dem in Planung befindlichen Gaskraftwerk Mellach andere Abnehmer auf österreichischem Bundesgebiet bekannt, die mit Erdgas aus der Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene versorgt werden sollen?
a.) Wenn ja, existieren bereits gültige Liefer- und Abnahmeverträge und welche Menge an Erdgas gemessen in Nm³ soll an die jeweiligen Abnehmer abgegeben werden und welchem Prozentsatz an der jährlichen Gesamttransportkapazität der Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene entsprechen diese Mengen jeweils?
13.) Eine wie große Menge an Erdgas gemessen in Nm³ soll in dem in Planung stehenden Gaskraftwerk Mellach verstromt werden, welcher Menge der jährlichen Gesamttransportkapazität der Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene entspricht diese Mengen und mit welchen neuen Stromkunden gibt es gegenwärtig bestehende Abnahme- bzw. Lieferverträge?
14.) Eine wie große Menge an Erdgas gemessen in Nm³ soll aus dem in Planung stehenden Gaskraftwerk Mellach nach Italien exportiert werden und welcher Menge der jährlichen Gesamtproduktionskapazität des geplanten Gaskraftwerk Mellach entspricht diese Menge?
15.) Inwiefern werden österreichischen Abnehmer vom Bau der geplanten profitieren und um welche Abnehmer handelt es sich dabei?
16.) In welcher langfristigen Planung zur österreichischen Energieversorgung ist die Errichtung der Transit-Hochdruckgasleitung Südschiene vorgesehen?
17.) Wie rechtfertigen Sie im Zeitalter der Erschließung bzw. Förderung erneuerbarer Energiequellen den Bau einer neuen Erdgasleitung?