2948/J XXIV. GP
Eingelangt am 01.09.2009
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Anfrage
des Abgeordneten Mag. Harald STEFAN
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Überprüfung von Geschworenenurteilen
In Ihrer Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 1583/J, XXIV. GP, führten Sie (zur Zahl 1615/AB XXIV. GP, BMJ-Pr7000/0113-Pr 1/2009) aus, dass gegen Geschworenengerichtsurteile weniger umfassende Rechtsmittel zur Bekämpfung der Tatfrage bestehen als gegen andere Urteile. So erläuterten Sie, dass gegen Urteile der Bezirksgerichte und der Landesgerichte als Einzelrichter mit der sogenannten Schuldberufung auch Fehler in der Beweiswürdigung, die zur Feststellung von tat- und schuldrelevanten Tatsachen geführt haben, geltend gemacht werden können, während bei Geschworenenurteilen diese Möglichkeit nicht in gleicher Weise besteht, zumal derzeit nach der österreichischen Bundesverfassung und nach der Strafprozessordnung im Geschworenenprozess die Entscheidung über die Schuld den Geschworenen überantwortet ist und eine Überprüfung der Beweiswürdigung in einem Spannungsverhältnis zu dieser Wertung des Gesetzgebers stünde. Zwischenzeitig wurden Sie in den Medien (z.B. Kurier vom 12. August 2009) mit der Aussage zitiert, dass künftig eine Begründung und eine damit einhergehende umfassende Anfechtungsmöglichkeit auch von Geschworenenurteilen anzustreben sei. Damit im Einklang stehend, führten Sie auch in Ihrer eingangs erwähnten Anfragebeantwortung aus, dass Sie in Kenntnis der in der Einleitung der parlamentarischen Anfrage 1583/J, XXIV. GP, genannten kritischen Schrifttumshinweise (Bertel, Burgstaller, Hollaender, Rzeszut, Schroll) stehen und Ihnen die Reform der Geschworenengerichtsbarkeit ein besonderes Anliegen sei, wobei es Ihnen in erster Linie darum gehe, künftig zu ermöglichen, dass auch Geschworenen-urteile in einer Art und Weise verfasst werden müssen, die eine nachprüfende inhaltliche Auseinandersetzung und Kontrolle ermöglicht.
Im Hinblick auf diesen legistischen Reformbedarf stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende
Anfrage
1.) Wenn ein Einzelrichter oder ein Bezirksrichter die Tatfrage in einem Strafprozess bejaht oder verneint, lässt sich das Urteil dann im Rechtsmittelverfahren nach der bisherigen und derzeitigen Rechtslage sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht umfassend anfechten?
2.) Wenn hingegen ein Geschworenengericht die Tatfrage in einem Strafprozess bejaht oder verneint, lässt sich das Urteil dann nach der bisherigen und derzeitigen Rechtslage im Rechtsmittelverfahren – im Vergleich zu den in Anfragepunkt 1 genannten Verfahrensarten – weniger umfassend und in erster Linie nur in rechtlicher Hinsicht (nicht aber in tatsächlicher Hinsicht) wirksam und umfassend – somit also gerade nicht in Form einer in anderen Strafverfahrensarten zu Gebote stehenden Schuldberufung, mit der die Tatfrage bekämpfbar ist – anfechten?
3.) Erachten Sie es folglich für notwendig, dass künftig auch Geschworenengerichtsurteile sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht umfassend bekämpfbar gemacht werden, um auf diese Weise künftig auch in Bezug auf Geschworenengerichtsurteile ein vollumfängliches „efficient remedy of law“ im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Weltpakts für bürgerliche und politische Rechte vom 16. 12. 1966 (Resolution der UN-Generalversammlung, UN Doc. 2200/A [XXI], samt nachfolgendem Fakultativprotokoll) sicherzustellen?
4.) Beabsichtigen Sie bei der in Ihrer letzten Anfragebeantwortung angekündigten Bildung einer Expertengruppe zur Reform der Geschworenengerichtsbarkeit die in der Einleitung der parlamentarischen Anfrage 1583/J, XXIV. GP, genannten Experten, deren zu diesem Thema veröffentlichtes Schrifttum Sie in Ihrer Anfagebeantwortung als Ihnen bekannt bestätigten, zur Mitwirkung in der Expertengruppe einzuladen?
5.) Welche weiteren Experten beabsichtigen Sie in zur Mitwirkung in der Expertengruppe einzuladen und wann wird diese Expertengruppe einberufen werden?
6.) Da überdies gerade bei im Rahmen der Geschworenengerichtsbarkeit gefällten Urteilen oftmals die Problematik von Beweisthemenverboten zu zeitgeschichtlichen Themen Anlass zur Diskussion gegeben hat, erhebt sich weiters die Frage, ob Beweisthemenverbote grundsätzlich in der österreichischen Strafprozessordnung explizit statuiert sein müssen oder ob es nach der aktuellen Rechtslage zulässig ist, auch Beweisthemenverbote anzunehmen, die nicht ausdrücklich in der Strafprozessordnung normiert sind?
7.) Welche Beweisthemenverbote sind derzeit in der österreichischen Strafprozessordnung normiert?
8.) Stellt das Beweisthemenverbot bei „zeitgeschichtlichen Prozessen“ ein absolutes (zwingendes) Recht dar oder ist dies vom jeweiligen Gericht zu beurteilen?
(Anmerkung: Es wird im Interesse der effizienten Ausübung des parlamentarischen Interpellationsrechts um jeweils einzelne Beantwortung der vorstehenden Fragen ersucht statt – wie in der Beantwortung der Voranfrage – einer bloß pauschalen Beantwortung mehrerer im Zuge der Anfragebeantwortung global zusammengefasster Anfragepunkte.)