3149/J XXIV. GP
Eingelangt am 30.09.2009
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ANFRAGE
der Abgeordneten Schwentner, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Gesundheit
betreffend die Bedeutung des Gesundheitswesens bei der Erkennung, Hilfestellung, Dokumentation, Spurensicherung und Prävention von „Gewalt in der Familie“
Eine Voraussetzung der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist, dass häusliche Gewalt, und zwar psychische, physische und sexualisierte Gewalt, als Probleme der öffentlichen Gesundheit gesehen werden. Da viele Frauen, z.B. aus Angst vor weiterer Gewalt oder aus Scham- und Schuldgefühlen, die Ursachen ihrer Verletzungen bzw. psychosomatischen Beschwerden verschweigen, kommt es immer wieder vor, dass sie nicht als Opfer von Gewalt erkannt werden. Diese Frauen brauchen jedoch medizinische Hilfe, weil sie die gesundheitlichen Auswirkungen von Gewalt nicht mehr bewältigen können.
Angehörige von Gesundheitsberufen nehmen bei der Erkennung von Gewalt, der ersten Hilfestellung und der Prävention von weiterer Gewalt an Frauen und Kindern eine zentrale Rolle ein. Trotzdem sind diese Inhalte bis jetzt nicht flächendeckend in der Aus-, Fort- und Weiterbildung dieser Berufsgruppen verankert.
Das Nichterkennen der Verbreitung und der Erscheinungsformen von Gewalt im Geschlechterverhältnis sowie deren Rolle bei der Entstehung gesundheitlicher Störungen und Krankheiten ist mit massiven Kosten für die Gesellschaft verbunden.
Es werden wiederholte Behandlungen akuter Verletzungen sowie die
medikamentöse/operative Behandlung von Folgeschäden nötig. Bei den Betroffenen kommt es oft zu einer Chronifizierung von Beschwerden und negativen psychosozialen Folgen. Eine Studie des Konfliktforschungsinstituts geht bei den Folgekosten von Gewalt gegen Frauen und Kinder von einer unteren Kostenschätzung von jährlich 14 Mio. Euro für das Gesundheitswesen aus.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wird angesichts der Bedeutung und Komplexität dieser Querschnittsmaterie angedacht, eine interministerielle Arbeitsgruppe (BMG, BMJ, BMI, BMWFJ, BMWF und BKA Frauenangelegenheiten und Gleichstellung) unter Beteiligung von ExpertInnen einzurichten, um ein einvernehmliches Vorgehen und eine breite Akzeptanz der getroffenen Maßnahmen zu erreichen?
2. Welche Maßnahmen (zB Prävalenzstudien) sind geplant, um das tatsächliche, überwiegend im Dunkelfeld verbleibende, Ausmaß von „Gewalt in der Familie“ im Gesundheitswesen besser abschätzen zu können?
3. Sind von Seiten des Ressorts derzeit einschlägige Informations- bzw. Aufklärungskampagnen, angepasst an verschiedene Zielgruppen, in Vorbereitung, um Betroffene von häuslicher Gewalt über die vielfältigen Hilfsangebote zu informieren bzw. letztendlich auch das Dunkelfeld im Bereich „Gewalt in der Familie“ aufzuhellen?
6. Ist daran gedacht, die Versorgung gewaltbetroffener Frauen als zentrales Anliegen im „Österreichischen Strukturplan Gesundheit 2008“ (u.a. in den Bereichen Gynäkologie/Geburtshilfe, Unfallchirurgie, Psychosomatik, Psychiatrie und interdisziplinäre Schmerztherapie) zu verankern?
7. Ist an die Entwicklung einer „Bundesqualitätsleitlinie zur Versorgung gewaltbetroffener Frauen“ unter Einbeziehung aller Versorgungsbereiche und von ExpertInnen aus dem Gewaltbereich (Opferschutzeinrichtungen, Fortbildungsinitiativen aus den Bundesländern, klinikinterne „Opferschutzgruppen“ u.a.) gedacht?
8. Welche kurz-, mittel- bzw. längerfristige Planung wird angestrebt, damit bereits bestehende Curricula zur Versorgung gewaltbetroffener Frauen in die Lehrpläne von Universitäten, Fachhochschulen und Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege (z.B. Ärzte/Ärztinnen, Psychologen/Psychologinnen, Psychotherapeuten/Psychotherapeutinnen, Gesundheits- und Krankenpflegeberufe, Hebammen, physiotherapeutische Dienste, Sanitätsdienste) u.a. Ausbildungsstätten verbindlich aufgenommen werden?
9. Werden die notwendigen finanziellen Mittel für die berufsgruppenspezifische Anpassung der Curricula an die Inhalte des erwähnten Leitfaden "Gesundheitliche Versorgung gewaltbetroffener Frauen" (einheitliche Standards in der Lehre) zur Verfügung gestellt werden?
10. Wurde die Wiener Gesetzesinitiative bzgl. der Schaffung von „Opferschutzgruppen“ auf Bundesebene entsprechend beachtet, bzw. wird daran gedacht, dieses Konzept (z.B. mittels einer „Bundesqualitätsleitlinie“/Aufnahme in den „Österreichischen Strukturplan Gesundheit 2008“) auf alle Bundesländer zu übertragen?
11. Inwieweit ist die Einrichtung der „Opferschutzgruppen“ auf Bundesebene und in den einzelnen Bundesländern, insbesondere in Wien, fortgeschritten und welche Erfahrungen wurden bei der Umsetzung gemacht, bzw. welche Fehler sollte man künftig vermeiden?
12. In welcher Zeitperspektive wird die Implementierung von „Opferschutzgruppen“ in Wien sowie auf der gesamten Bundesebene als umsetzbar erachtet?
13. Ist künftig an eine (Teilzeit-)Freistellung/Schaffung von Stabsstellen für die Mitarbeiter/innen von „Opferschutzgruppen“ gedacht? Wird es Möglichkeiten für Schulungen/Supervision sowie einen standardisierten Leitfaden (vgl. gesetzlich geregelte Standards im Bereich der Kinderschutzgruppen) geben?