3556/J XXIV. GP
Eingelangt am 05.11.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Dringliche Anfrage
des Abgeordneten Pilz, Freundinnen
und Freunde
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Regierungsjustiz und Ministerblockade
Am 10. Juli 2009 beschloss der
Nationalrat die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses zur Untersuchung von Abhör- und
Beeinflussungsmaßnahmen im Bereich des Parlaments.
Gegenstand der
Untersuchung ist unter anderem die Aufklärung, ob
politische Mandatare in der XXIII.
Und
XXIV. Gesetzgebungsperiode
gesetzwidrig überwacht wurden.
Der
Untersuchungsausschuss fasste zu diesem Teilbereich der Untersuchung in
seiner
Sitzung vom 17. Juli 2009 folgenden Beweisbeschluss:
2.1. Aufklärung darüber, ob und gegebenenfalls welche
Abgeordneten zum
Nationalrat oder zum Bundesrat in der XXIII. oder XXIV. Gesetzgebungsperiode
durch Maßnahmen nach dem XII. Hauptstück der StPO (aF) bzw. dem 8.
Hauptstück der StPO (nF) betroffen waren,
ob die Abgeordneten dabei als
Zeugen oder Beschuldigte geführt wurden, welche Umstände dazu führten, ob
dabei die gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben eingehalten
wurden, wie mit den ermittelten Daten weiter verfahren wurde, welche
Bedeutung sie im jeweiligen Strafverfahren erhielten, ob die Rechte der
betroffenen Abgeordneten verletzt wurden, und welche Konsequenzen im
Bereich des Bundesministeriums für Justiz allenfalls aus solchen Vorfällen
gezogen wurden, wobei jedenfalls aber nicht nur folgende Fälle untersucht
werden sollen:
a)
die Einholung von Auskünften über Daten
einer
Nachrichtenübermittlung
betreffend den Abgeordneten Ing. Peter
Westenthaler für einen bestimmten Zeitraum am 14.8.2008
und
allenfalls damit zusammenhängende weitere Maßnahmen;
b)
die
Anregung der Beschlagnahme von Datenträgern des
Abgeordneten Dr. Peter Pilz in einem
Ermittlungsauftrag der
Staatsanwaltschaft Wien an das Büro für interne Angelegenheiten;
c)
das
Verfahren 322 St 7/08z der Staatsanwaltschaft Wien und
allenfalls weitere damit zusammenhängende
Verfahren gegen den
Abgeordneten
Dr. Peter Pilz und dort allenfalls gegen Dr. Pilz oder
weitere Personen verhängte Maßnahmen.
2.2. Aufklärung darüber, ob und gegebenenfalls welche
Abgeordneten zum
Nationalrat oder zum Bundesrat in der XXIII. oder XXIV. Gesetzgebungsperiode
durch Maßnahmen nach dem 3. oder 4. Teil
des SPG betroffen waren, welche
Umstände dazu führten, ob dabei die gesetzlichen und
verfassungsrechtlichen
Vorgaben eingehalten wurden, wie mit den ermittelten Daten weiter verfahren
wurde, welche Bedeutung sie im jeweiligen Verfahren erhielten, ob die Rechte
der betroffenen Abgeordneten verletzt wurden, und welche Konsequenzen im
Bereich des
Bundesministeriums für Inneres allenfalls
aus solchen Vorfällen
gezogen wurden.
2.3.
Aufklärung darüber, ob und gegebenenfalls welche
Abgeordneten zum
Nationalrat oder zum Bundesrat in der XXIII. oder XXIV. Gesetzgebungsperiode
in Schriftstücken des Heeresnachrichtenamtes oder des
Heeres-Abwehramtes
oder allfälliger
weiterer mit nachrichtendienstlicher Tätigkeit oder
ihrer Kontrolle
betrauter
Dienststellen des Bundesministeriums für Landesverteidigung (und
Sport) erwähnt wurden, von diesen Stellen überwacht wurden, von der
Erfassung oder Speicherung personenbezogener Daten bei diesen Stellen
betroffen waren oder außerhalb der dafür vorgesehenen parlamentarischen
Ausschüsse geheime Informationen von
diesen Stellen oder einzelnen
Bediensteten erhielten, welche Vorgeschichte und Umstände jeweils dazu
führten, ob dabei die gesetzlichen
und verfassungsrechtlichen Vorgaben
eingehalten wurden, wie mit den gegenständlichen Daten weiter verfahren
wurde, welche Bedeutung sie im Weiteren
erhielten, ob die Rechte der
betroffenen Abgeordneten verletzt wurden, und welche Konsequenzen im
Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung (und Sport) allenfalls
aus solchen Vorfällen gezogen
wurden.
2.4.
Aufklärung darüber, ob und gegebenenfalls welche
Abgeordneten zum
Nationalrat oder zum Bundesrat in der XXIII. oder XXIV. Gesetzgebungsperiode
allenfalls nach
anderen Bestimmungen oder ohne gesetzliche Grundlage von
staatlichen Überwachungen ihres
Aufenthaltsortes, ihrer Kommunikation, ihres
Verhaltens oder ihrer persönlichen Gegenstände betroffen waren, welche
Umstände dazu führten, wer diese Überwachung anordnete und durchführte,
ob dabei die gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben eingehalten
wurden, wie mit den ermittelten Daten weiter verfahren wurde, welche
Bedeutung sie im jeweiligen Verfahren
erhielten, ob die Rechte der betroffenen
Abgeordneten verletzt wurden, und welche Konsequenzen im Bereich des
Bundesministeriums für Justiz, des Bundesministeriums für Inneres oder des
Bundesministeriums für Landesverteidigung (und Sport) allenfalls aus solchen
Vorfällen gezogen
wurden.
Bis
heute hat der Untersuchungsausschuss in diesem Zusammenhang insbesondere
die in Ziffer 2.1.
erwähnten Strafverfahren, weiters zwei
Strafverfahren betreffend
Presseaussendungen eines Parlamentsklubs und ein Strafverfahren wegen
Verleumdung gegen einen Abgeordneten wegen dessen Tätigkeit im vertraulichen
ständigen Unterausschuss des
Landesverteidigungsausschusses durch
Beischaffung von Akten und Einvernahme von Auskunftspersonen untersucht.
Dabei haben sich zahlreiche Missstände in der Führung von Strafverfahren mit
Berührungspunkten
zu Abgeordneten des Nationalrates, vor allem auch im Bereich
der sogenannten „politischen Abteilung" der
Staatsanwaltschaft Wien, gezeigt,
welche umfassend im abschließenden
Bericht des Untersuchungsausschusses zu
würdigen und zu beurteilen sein werden.
Als wesentliche Mängel lassen sich jedoch bereits jetzt festhalten:
- Im Fall der Rufdatenerfassung von
Ing. Peter Westenthaler zeigte sich, dass
die Eingriffsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft gegenüber Dritten
wie etwa
Zeugen zu weit
gefasst sind, und dass auf die Wahrung der Rechte solcher
Dritter nicht ausreichend Bedacht genommen
wird. Dies bestätigte sich auch
bei der versuchten Beschlagnahme
eines Datenträgers von Dr. Peter Pilz.
Dieses Problem betrifft alle Bürgerinnen und Bürger.
-
In diesen wie
auch in anderen Fällen zeigte sich die Problematik
der
Abgrenzung zwischen Beschuldigten und Zeugen, wobei der Eindruck
entstand, dass durch die Benennung als
Zeuge Immunitätsrechte umgangen
werden
sollten.
-
Bei Verfahren
gegen mehrere Beschuldigte sind die Auswirkungen von
Ermittlungshandlungen gegen einzelne
Beschuldigte auf die Verfahren gegen
andere Personen problematisch. Auch dieses Problem betrifft alle
Bürgerinnen und
Bürger.
-
Die verfassungsrechtlichen
Regelungen über die Immunität (insb. die Art 33
und 57 B-VG) sind nicht allen beteiligten
Personen bei Staatsanwaltschaft und
Polizei in all ihren Konsequenzen bewusst.
-
In mehreren Verfahren hat sich der Verdacht einer politisch einseitig
agierenden Staatsanwaltschaft erhärtet.
-
Massive Verfehlungen von Staatsanwälten („übersehene"
Anzeige, Bruch der
Immunitätsbestimmungen) wurden nicht oder zu spät entdeckt und blieben
bisher ohne Konsequenzen.
-
Weitere Probleme ergeben sich im Zusammenhang mit der Einschaltung von
BIA und LVT auch abseits der vorgesehenen Zuständigkeiten.
Die Ergebnisse der bisherigen
Befragungen ermöglichen einen vorläufigen Befund:
Vom Bereich der Staatsanwaltschaft Wien bis zu den Ermittlungsbehörden des
Innenministeriums hat sich ein System der
Regierungsjustiz gebildet. Seine Aufgabe
ist einerseits der Schutz von Regierungsmitgliedern vor Strafverfolgung
und
andererseits die Verfolgung von
Abgeordneten der Opposition weit über die Grenzen
von Gesetzen und Verfassung hinaus.
Da es sich offensichtlich nicht um
Einzelfälle handelt und die systematische
Regierungsjustiz bis zum Beginn der Arbeit des Untersuchungsausschusses auf
allen Ebenen geduldet und gedeckt wurde,
gibt es eine zentrale Person, die nach
den Gründen für die Duldung dieser Zustände befragt werden kann: die
Bundesministerin für Justiz. Genau das wollen aber
die Regierungsparteien
verhindern.
Dabei brechen ÖVP und SPÖ auch die Vereinbarung, die am Beginn des
Ausschusses zwischen allen Fraktionen geschlossen wurde: dass nämlich wie in
früheren Untersuchungsausschüssen am Ende des jeweiligen Beweisthemas
das
jeweils zuständige Regierungsmitglied befragt
wird. Aus parteipolitischem Kalkül
verhindert wird auch die für die
Untersuchung wesentliche Ladung des ehemaligen
Innenministers Dr. Ernst Strasser.
Eine
Befragung im Rahmen einer Dringlichen Anfrage kann natürlich eine
Befragung
unter
Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss nicht ersetzen. Sie kann nur
eines sein: ein erster Schritt, mit dem die
Opposition der Regierung klar macht, dass
die Sabotage der parlamentarischen Kontrolle durch die Ministerblockade
nicht
akzeptiert wird.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
A) Verfahren 503 UT 1/09 x (17 UT 1438/08y) der StA Wien
Causa „Westenthaler- Rufdatenrückerfassung“
1. Mit
Schreiben vom 10.7.2009 an die Nationalratspräsidentin
haben Sie im
Wesentlichen die
Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft in diesem
Verfahren als rechtmäßig
verteidigt. Bleiben Sie auch nach den bisherigen
Ergebnissen den
Untersuchungsausschusses bei dieser Beurteilung?
2.
Wie beurteilen Sie den Umstand, dass dem Abgeordneten Westenthaler bis
zuletzt der Beschluss
über die Rufdatenrückerfassung gesetzwidrig nicht
zugestellt wurde, so dass ihm die gesetzlich vorgesehenen
Rechtsschutzmöglichkeiten verwehrt blieben?
3.
Der Fall zeigt deutlich, dass die Möglichkeiten
der Gerichte, Maßnahmen nach
dem 8. Hauptstück gegenüber bloßen „Zeugen" anzuordnen zu weit gehen.
Hätte es im gegenständlichen Fall das Ermittlungsverfahren
beeinträchtigt,
wenn der „Zeuge“ Westenthaler vor
Anordnung der Rufdatenrückerfassung
über das
Verfahren informiert und um Kooperation gebeten worden wäre, bzw.
wenn ihm ansonsten
noch vor Durchführung der Maßnahme der Beschluss
über die Anordnung zugestellt
worden wäre, so dass angemessener
Rechtsschutz ermöglicht
worden wäre?
4.
Wäre ein solches „zeugenfreundliches
Vorgehen“ gesetzlich gedeckt
gewesen?
5. Falls ja: weshalb wurde es nicht gewählt?
6.
Falls nein: Werden Sie eine Überprüfung der
diesbezüglichen Rechtslage im
Hinblick auf
gesetzgeberischen Änderungsbedarf vornehmen, um
Zeugen
nicht unnötig und ohne adäquate Rechtsschutzmöglichkeit
Überwachungsmaßnahmen auszusetzen?
7.
Können Sie ausschließen, dass die Einstufung des Abgeordneten
Westenthaler als „Zeuge“
statt als „Beschuldigter“ (angesichts einer zumindest
denkbaren Beitragstäterschaft) zur Umgehung immunitätsrechtlicher
Vorschriften herangezogen wurde?
8.
Welche Maßnahmen der Dienstaufsicht wurden aufgrund
der Vorfälle in
diesem Verfahren
bisher gesetzt?
B) Verfahren 502 St 20/08k und 502 St 26/08k der StA Wien
Causa „Westenthaler – Presseaussendungen“
9. Im Verfahren 502 St 20/08k musste der Staatsanwalt
Mag. Kronawetter im
Zuge seiner Befragung im
Untersuchungsausschuss eingestehen, dass sich
seine Ermittlungen wegen des Verdachts der üblen
Nachrede auch auf eine
wahrheitsgetreue
Presseaussendung über eine Rede des Abgeordneten
Westenthaler im Plenum des Nationalrates erstreckten, und dass er somit
gegen
den Art 33 B-VG verstoßen hat. Welche Konsequenzen haben Sie aus
diesem eingestandenen
Verfassungsbruch bisher gezogen?
10. Wurde gegen
Mag. Kronawetter ein dienstrechtliches bzw.
Disziplinarverfahren
eingeleitet?
11. Falls nein: weshalb nicht?
12. Falls ja: in welchem Stadium befindet sich dieses?
13. Das Verfahren richtete sich
weiters gegen Pressemitarbeiter des BZÖ-
Parlamentsklubs. Können Sie
ausschließen, dass diese Beschuldigten zur
Umgehung immunitätsrechtlicher Vorschriften herangezogen
wurden?
14. Im Verfahren 502 St 26/08t wurde
ein Zeuge einvernommen bevor ein
Auslieferungsantrag gegen den Abgeordneten Westenthaler gestellt wurde,
obwohl zu diesem Zeitpunkt klar sein musste, dass sich die Ermittlungen
inhaltlich gegen den Abgeordneten
Westenthaler richteten, da dieser auch in
der zugrundeliegenden Sachverhaltsdarstellung als Beschuldigter behandelt
wurde und das OLG Wien in einem Beschluss ausdrücklich auf
Art 57 B-VG
hingewiesen hatte.
Diesbezüglich wurde durch die
Oberstaatsanwaltschaft
Wien eine Rechtsverletzung festgestellt. Stimmen Sie dieser Beurteilung
durch die OStA zu?
15. Welche Konsequenzen wurden daraus bisher gezogen?
16. Sehen Sie gesetzgeberischen Änderungsbedarf, um in Zukunft die Wahrung
der immunitätsrechtlichen Vorschriften durch
die Staatsanwaltschaften zu
ermöglichen,
oder genügt nach Ihrer Auffassung die derzeitige Rechtslage für
eine
verfassungskonforme Verfahrensführung?
C) Verfahren 501 UT 10/08g und 501 UT 19/08p der StA
Wien
Causa „Strasser-Mails“
17.
In diesem
Verfahren musste der ermittelnde Staatsanwalt Mag. Walzi
eingestehen, eine Anzeige samt E-Mail-Beilagenkonvolut von über hundert
Seiten über mehrere Monate hinweg im Akt „übersehen“ zu haben, weshalb
Vorwürfe des Amtsmissbrauches bei
Postenbesetzungen im Kabinett des
früheren
Innenministers Ernst Strasser letztlich aufgrund von Verjährung nicht
mehr eingehend untersucht werden konnten. Hat nach Ihrer Beurteilung Mag.
Walzi das Verfahren
korrekt geführt?
18. Mag. Walzi gestand im
Untersuchungsausschuss auch ein, dass seine
Vorgehensweise bezüglich der
vom ehemaligen Innenminister Ernst Strasser
in einer Anzeige
angeregten „Beschlagnahme" eines Datenträgers des
Abgeordneten Pilz sich mit den Wünschen
des Ex-Innenministers gedeckt
habe. Durch welche organisatorischen Maßnahmen werden Sie derartige
parteipolitisch motivierte „Wunscherfüllungen“ in Zukunft verhindern?
19. Im Berichtsweg hat auch die
Oberstaatsanwaltschaft die nicht geführten
Ermittlungen gegen Strasser „übersehen“.
Handelt es sich Ihrer Ansicht nach
auch hier um ein zufälliges „Übersehen“?
20. Parallel zu StA Walzi hat auch das
BIA die Ermittlungen gegen Strasser
„übersehen“. Auch hier wurde
nur den Wünschen des Ex-Innenministers
gemäß ermittelt.
Es scheint wenig wahrscheinlich, dass erfahrene polizeiliche
und
gerichtliche Ermittler gleichzeitig ein berichtspflichtiges Verfahren von
großer öffentlicher Bedeutung „übersehen“. Haben Sie Ermittlungen
eingeleitet um zu klären, ob das „Übersehen“ zugunsten von Ex-
Bundesminister Strasser auf allen Ebenen bewusst und vorsätzlich war?
21. Auch in
diesem Verfahren wurde der Abgeordnete Pilz nicht als Beschuldigter,
sondern als Zeuge geführt. Können Sie ausschließen, dass diese Einstufung
(angesichts einer zumindest denkbaren Beitragstäterschaft) zur Umgehung
immunitätsrechtlicher Vorschriften
herangezogen wurde?
22. Wurde aufgrund der Vorfälle ein Dienst- bzw. Disziplinarverfahren eingeleitet?
23. Falls nein: weshalb nicht?
24. Falls ja: Gegen wen und in welchem Stadium befindet sich dieses?
25. Wurde im Zuge der Beurteilung der
Verjährungsfrage überprüft, ob allenfalls
noch gleichgelagerte Delikte nach dem Zeitraum, aus dem die
gegenständlichen
E-Mails stammten, im Kabinett des ehemaligen (oder auch
späterer)
Innenministers bzw. in der Personalabteilung des BMI insbesondere
durch den
Parteibuchspezialisten Mag. Kloibmüller
gesetzt wurden, so dass
eine Verjährung nicht eingetreten ist?
26. Falls nein: Wird eine derartige Prüfung noch nachgeholt werden?
27. Konnten Sie
aus den sogenannten „Strasser-Mails“ Hinweise für die
Vorgehensweise bei
parteipolitisch motivierter Umfärbung
von
Bundesbehörden
gewinnen?
28. Besteht ein
Zusammenhang zwischen diesen Erkenntnissen und der zuletzt
bekannt gewordenen
Auflassung der Sektion II im Justizministerium, deren
Leiter sich nach Medienberichten kritisch gegenüber der Einstellung von
Ermittlungen gegen einen Richter geäußert haben soll und darüber hinaus
noch von Ihrer SPÖ-Vorgängerin im Justizressort berufen wurde?
29.
Werden Sie Ihre Arbeitsweise im Justizressort auch in anderen Bereichen
an
jener des früheren Innenministers Ernst Strasser
orientieren?
30. Sehen Sie
nicht auch ein organisatorisches und rechtliches Problem darin,
dass in Zukunft die politisch brisanten, berichtspflichtigen Verfahren (auch)
gegen Abgeordnete von
derselben Sektion und denselben Personen im
Justizministerium betreut werden sollen,
die zugleich gemeinsam mit dem
Nationalrat an der Gestaltung der Rahmenbedingungen des Strafrechts
arbeiten werden?
D) Verfahren 501 UT 42/08p der StA Wien
Causa „Pilz-Haidinger“
31. Ausgangspunkt auch dieses
Verfahrens ist eine Anzeige durch einen Politiker
der ÖVP, den damaligen Abgeordneten
Kukacka. Auch hier hat der
Staatsanwalt alle „Anregungen“ des ÖVP-Politikers befolgt. Im Verfahren
wurde zunächst gegen den Abgeordneten Pilz
wegen des Verdachts der
Beitragstäterschaft zum Verrat des
Amtsgeheimnisses ermittelt. Dieses
Verfahren sollte abgebrochen werden, da der
Nationalrat einer Verfolgung des
Abgeordneten die Zustimmung nicht erteilte. Dazu kam es jedoch nicht, da die
diesbezügliche Genehmigung des
Vorhabensberichtes über mehrere Monate
verzögert blieb. In der Zwischenzeit wurde der
Abgeordnete Pilz jedoch als
Zeuge einvernommen, was nach der Einschätzung des
BMJ rechtswidrig war
und gegen Art 57 B-VG
verstieß. Durch welche organisatorischen
Maßnahmen möchten Sie derartige Rechtsverletzungen in
Zukunft
verhindern?
32.
Teilen Sie diese rechtliche Beurteilung des Vorganges durch Beamte des
BMJ?
33. Wurde aufgrund der Vorfälle ein Dienst- bzw. Disziplinarverfahren eingeleitet?
34. Falls nein: weshalb nicht?
35. Falls ja: Gegen wen in welchem Stadium befindet sich dieses?
D) Oberstaatsanwaltschaft
36. Nur ein einziger der oben beschriebenen Verstöße gegen
Bundesverfassung,
Gesetze und Verfahrensvorschriften wurde von der im Berichtsweg befassten
Oberstaatsanwaltschaft erkannt. Verwechselte Aktenzahlen und „übersehene“
Anzeigen und Tatbestände wurden ebenso übersehen wie gesetz- und
verfassungswidrige Ermittlungen. Warum hat die Kontrolle der Tätigkeit der
Staatsanwaltschaft durch die Oberstaatsanwaltschaft in fast allen genannten
Fällen versagt?
E) Regierungsjustiz
37. Während in den bekannten Verfahren
Abgeordnete der Opposition weit über
den Rahmen von Gesetzen und Verfassung hinaus verfolgt wurden, konnten
Mitglieder der ÖVP-Bundesregierungen seit dem Jahr
2001 mit
größtmöglicher staatsanwaltschaftlicher Milde
rechnen. Das „übersehene“
Strasser-Verfahren bildet den vorläufigen
Endpunkt einer Kette von Verfahren,
in denen die
politische Abteilung der Staatsanwaltschaft Wien wie im
Verfahren „Grasser-Homepage“ ausschließlich die Interessen verdächtiger
oder beschuldigter Minister vertreten hat. Warum gelten im Bereich der
Staatsanwaltschaft für Verfahren gegen
Oppositionsabgeordnete andere
Regeln als für Verfahren gegen Mitglieder einer
ÖVP-Bundesregierung?
38. Sind die Berichte zutreffend,
wonach auch die sogenannte „BUWOG-Affäre“
rund um den ehemaligen Finanzminister Mag.
Karl-Heinz Grasser bereits seit
mehreren Monaten in der Staatsanwaltschaft bekannt war jedoch nicht
bearbeitet wurde, obwohl möglicherweise
auch hier Verjährung drohen
könnte?
F) Konsequenzen
39. Welche
Konsequenzen beabsichtigen Sie aus den bisherigen
Untersuchungsergebnissen
zu ziehen?
40. Sie haben wiederholt medial die
Arbeit des Untersuchungausschusses
kritisiert und die Arbeit der Staatsanwälte
verteidigt (vgl. etwa „Die Presse“,
14.9.2009). Wie begründen Sie diese Kritik, wenn die oben
aufgelisteten,
durch den Untersuchungsausschuss aufgedeckten Fehlleistungen und Versäumnisse im
Bereich des Justizministeriums trotz mehrstufiger
Kontrollverfahren
unentdeckt bzw. ohne Konsequenzen blieben?
41.
Wie soll nach Ihrer Auffassung die offenbar dringend notwendige
Kontrolle der
Staatsanwaltschaften
in Zukunft ausgestaltet werden?
42.
Weshalb lehnen
Sie die Einrichtung einer weisungsfreien Spitze der
Staatsanwaltschaft ab (wie Sie übrigens von
Ihnen selbst noch vor mehreren
Jahren gefordert wurde)?
43.
Mit welchen Maßnahmen im Bereich der Justiz kann der
Rechtsschutz der
BürgerInnen
vor Überwachungsmaßnahmen, die
insbesondere auch gegen
bloße ZeugInnen verhängt werden können und - wenn überhaupt - erst im
Nachhinein mitgeteilt werden, verbessert werden?
44. Wird die „politische Abteilung“ der Staatsanwaltschaft Wien abgeschafft?
45.
Inwieweit wird im Rahmen der Kontrolle durch das BMJ in berichtspflichtigen
Angelegenheiten auch
das Kabinett der Bundesministerin informiert?
46. Wie wurde dies in den oben genannten Verfahren gehandhabt?
47.
Wie werden Sie eine parteipolitische Einflussnahme auf „politische
Causen“ in
Zukunft vermeiden?
In formeller
Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf § 93
Abs 1 GOG verlangt.