3596/J XXIV. GP

Eingelangt am 06.11.2009
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Strutz

Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend fragwürdige Vorgangsweise in Zusammenhang mit der Entscheidung über das österreichische Mitglied in der Europäischen Kommission

 

 

Als hätte Österreich keine anderen Probleme werden die Österreicherinnen und Österreicher nunmehr seit fast zwei Jahren mit einem Regierungsstreit gequält, bei dem es fernab von Fragen nach Qualität und Qualifikation zunächst darum ging, welche Partei das „Recht“ haben soll den Kommissar zu benennen bzw. wer konkret nominiert werden sollte.

Die Diskussion rund um die Neubestellung der Mitglieder der Europäischen Kommission hat einmal mehr offenbart, dass hier weniger fachliche Qualifikationskriterien für potentielle Kandidaten eine Rolle spielen sondern vielmehr auch die Besetzung dieser Funktion zugegeben völlig offen auf der politischen Spielwiese und nach politischer Farbenlehre erfolgt.

Nachdem die SPÖ in Person des Bundeskanzler Faymann bereits im Februar dieses Jahres auf die Besetzung dieser Funktion öffentlich verzichtete, - Er werde keinen Protest anmelden, wenn der künftige Kommissar wieder von der ÖVP gestellt werde. - womit ganz offensichtlich zum Ausdruck gebracht wurde, worum es hier eigentlich geht – nämlich um die Verteidigung oder in diesem Fall eben um die Aufgabe parteipolitischer Besitzstände, war damals schon klar, dass dieser Posten nun wohl der ÖVP zu kommen wird.

Leicht irritiert oder vielmehr amüsiert war der politisch Interessierte spätestens dann, als die Bundesgeschäftsführerin der SPÖ Laura Rudas ihre Position zum Thema EU-Kommissar, wohl in der Absicht, den Geruch parteipolitischer Agitation in diesem Zusammenhang damit abzustreifen versuchte, dass sie im Ö1 Morgenjournal am 17. 02.2009, wie nachfolgend wörtlich zitiert, die fachliche Qualifikation möglicher Kandidaten ihrer eigenen Partei ganz offensichtlich in Abrede stellte:

„Rudas Laura (SPÖ)

Das was der Herr Bundesparteivorsitzende gesagt hat, ist, dass es also eine qualifizierte Person sein soll, und wenn das auf eine Vertreterin oder auf einen Vertreter der ÖVP zutreffen solle, dann sehen wir kein Problem darin. Das ist in vielen Bereichen so, dass auch Menschen anderer Parteien Funktionen besetzen. Da soll man nicht ganz stur sein.“


Der EU-Wahlkampf brachte wieder eine Wende der SPÖ in dieser Angelegenheit, wenn der SPÖ-Spitzenkandidat Hannes Swoboda – entgegen der von Faymann vorgegebenen Parteilinie - gegenüber der Tageszeitung Österreich kürzlich festhielt: „Ich bin dafür, dass ein Sozialdemokrat Kommissar wird, und ich sehe auch gewisse Chancen dafür. Es gibt absolut keine Erbpacht der ÖVP.“

Die jüngsten Entwicklungen in der Frage „schwarzer oder roter Kommissar“ stellt jedoch die bisherigen Geschehnisse in den Schatten.

Der Bundeskanzler Faymann änderte zwar nichts an seiner grundsätzlichen Haltung, den Kommissar der ÖVP zu überlassen, brachte aber in den Bereich Postenschacher eine völlig neue Facette.

In Ermangelung anderer inhaltlicher Ideen im Interesse der österreichischen Bürgerinnen und Bürger schlug Faymann in der Folge die derzeitige Kommissarin Ferrero Waldner für eine weitere Periode vor.

Dies lehnte andererseits wieder die ÖVP ab, die Molterer favorisierte, der aber bei der SPÖ nicht durchzubringen war.

Als kleinsten gemeinsamen Nenner einigte man sich nun in der Bundesregierung auf den derzeitigen Wissenschaftsminister Hahn. Dies obwohl Kommissionspräsident Barroso Österreich dem Vernehmen nach im Vorfeld das Landwirtschaftsressort zugesagt hatte, für den Fall das Österreich den ehemalige Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer nominieren würde.  

 

Aus den genannten Gründen richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler nachstehende

 

Anfrage:

 

1) Haben Sie mit dem amtierenden Kommissionspräsidenten Barroso Gespräche über die Nominierung eines österreichischen Mitglieds der Europäischen Kommission geführt?

 

Wenn ja, wann?

 

Welche waren die konkreten Inhalte dieser Gespräche?

 

2) Welche waren insbesondere die konkreten Inhalte Ihres Gesprächs mit Kommissionspräsidenten Barroso am 17. September 2009?

 

3) Hat damals Kommissionspräsidenten Barroso tatsächlich gesagt, dass gerade für eine Frau die Chancen ein bedeutendes Ressort zu bekommen besonders gut wären?

 

4) Sind Ihnen Informationen bekannt, denen zufolge Kommissionspräsident Barroso am Rande des letzten EU-Gipfels in Brüssel seiner Verwunderung darüber Ausdruck verlieh, warum Österreich auf Molterer verzichtete, zumal dieser das Agrarressort erhalten hätte?

 

5) Laut Ihrer Sprecherin Angelika Feigl soll dem Kommissionspräsidenten ursprünglich eine Liste mit Molterer und Hahn übermittelt worden sein.

Ist dies richtig?

Was geschah mit dieser Liste?

Welche waren die Reaktionen darauf von Kommissionspräsidenten Barroso?