3733/J XXIV. GP

Eingelangt am 18.11.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

Gemäß § 93 Abs. 2 GOG-NR

 

 

des Abgeordneten KO Heinz-Christian Strache und weiterer Abgeordneter

an den Bundeskanzler

betreffend das völlige Versagen Faymanns in der aktuellen EU-Politik

In den letzten Wochen haben mehrere Entscheidungen des Bundeskanzlers in Sachen EU-Politik für Aufsehen im negativen Sinne gesorgt. Angefangen bei der Frage des österreichischen Mitglieds der EU-Kommission, ebenso wie in Sachen Vertrag von Lissabon bis hin zu der - finanziell für Österreich wichtigen - Frage der EU-Steuern, lässt Bundeskanzler Werner Faymann derzeit keine Gelegenheit aus seine Überforderung unter Beweis zu stellen.

So ist mit der Nominierung von Johannes Hahn durch die Bundesregierung für den österreichischen Kommissionsposten ein monatelanges Hickhack in der rot- schwarzen Koalition mit einem Kompromiss zu Ende gegangen. Ein Kompromiss, der nichts Gutes zu verheißen mag, zumal Hahn als Wissenschaftsminister als gescheitert zu betrachten ist, sieht man sich die derzeitige Situation auf den österreichischen Universitäten an. Die Richtigkeit der Forderung der Opposition, v.a. der FPÖ, die Besetzung der Kommission zu objektivieren, wurde durch diese Vorgänge unterstrichen.

Selbst in der ÖVP wird die Entscheidungsfindung durch SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann und seinen ÖVP-Vizekanzler Josef Pröll, sowie das Auftreten von Johannes Hahn als nicht optimal" bezeichnet (Ex-ÖVP-Vizekanzler Erhard Busek). Man ist der Meinung, dass man sich vor dem interkoalitionärem Streit über Personen überlegen hätte müssen, welche Bereiche für Österreich wichtig sind. So droht jetzt die Gefahr, dass Österreich eines der kleinen Ressorts zufällt, wie beispielsweise das Bildungsressort. Die Berufung von Hahn zum EU-Kommissar dürfte also eine nachhaltige Beschädigung österreichischer Interessen zur Folge haben, zumal anderen Österreichern, wie zum Beispiel Wilhelm Molterer, Wolfgang Schüssel oder Alfred Gusenbauer deutlich bessere Chancen auf deutlich wichtigere Funktionen zugeschrieben werden.


Negativ aufgefallen ist auch das Schweigen des Kanzlers zur Frage der Einführung einer eigenen EU-Steuer. Anfang November berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung", die Kommission schlage vor, der EU direkte, eigene Einnahmen zu verschaffen, sprich: eine eigene Steuer einzuführen, die direkt an Brüssel geht. Ein adäquater Beitrag des Bundeskanzlers, der deutlich erkennen ließe, dass Steuererhöhungen den Österreicherinnen und Österreichern nicht mehr zumutbar sind ist ebenso ausgeblieben wie eine Klarstellung, dass eine solche EU-Steuer - vor dem Hintergrund der Nettozahlereigenschaft Österreichs - generell nicht in Frage kommen darf.

Wohl als schwerwiegendstes Unvermögen aber ist der Kurs des Kanzlers in Sachen Vertrag von Lissabon zu bezeichnen. Nachdem die SPÖ gemeinsam mit der ÖVP in Österreich eine Volksabstimmung über dessen Ratifizierung verhindert hat, und der Vertrag zwischenzeitlich in Irland gescheitert ist, sahen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union - unter ihnen eben auch der österreichische SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann - den Reformprozess als nicht beendet an und waren bemüht, den Vertrag von Lissabon trotz der Ablehnung durch die Iren durchzusetzen, was zumindest insofern gelungen ist, als dass die Iren bekanntlich in einem neuerlichen Volksentscheid am 2. Oktober 2009, unter massivem Druck durch das EU-Establishment, einer EU-Propaganda- Show der Sonderklasse und nach verschiedenen Zugeständnissen, doch mehrheitlich mit Ja" für den Vertrag von Lissabon votierten.

Doch war das für das Vertragswerk nicht die letzte Hürde, behielt sich doch der tschechische Präsident Vaclav Klaus vor, den Vertrag mit seiner Unterschrift auch für die Republik Tschechien endgültig zu ratifizieren. Das lag zum einen daran, dass in Tschechien erst am 3. November 2009 über die weitere Behandlung einer Klage gegen den Vertrag von Lissabon entschieden wurde, zum anderen daran, dass Klaus das Vertragswerk grundlegend für nicht gut" hält, zumal die tschechischen Benes-Dekrete durch ein Inkrafttreten des Vertrages Lissabon gefährdet erschienen und Restitutionsforderungen von Vertriebenen drohten. Daher forderte der tschechische Präsident eine Garantieerklärung, bzw. Sonderklausel für die Republik Tschechien, die die Erhaltung der Benes-Dekrete gewährleistet.

Die Benes-Dekrete, mit denen nach Kriegsende Millionen Sudetendeutsche, aber auch Hunderttausende Ungarn in der damaligen Tschechoslowakei enteignet, entrechtet und vertrieben worden waren, sind und bleiben aber ein Unrecht, welches unabhängig vom Vertrag von Lissabon aufgearbeitet und wieder gut gemacht werden muss.

Mittlerweile wurde der Vertrag von Lissabon vom tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus unterschrieben. Einerseits, weil am 3. November 2009 eine Klage gegen den Vertrag in Tschechien abgewiesen wurde, andererseits, weil der Europäische Rat (bei dem Österreich von SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann und ÖVP- Außenminister Michael Spindelegger vertreten wird) der Republik Tschechien eine Ausnahmeklausel für die Grundrechtecharta garantiert hat, die indirekt die Benes- Dekrete sanktioniert. Damit wird der Vertrag von Lissabon wohl am 1. Dezember 2009 in Kraft treten.


Das hat doppelte Brisanz, weil SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann und ÖVP- Außenminister Michael Spindelegger im Vorfeld des Europäischen Rates - im Rahmen des EU-Hauptausschusses - zusagten, dass aus ihrer Sicht eine Änderung des vorliegenden Vertragstextes und ein neuer Ratifizierungsprozess auszuschließen sind und eine Sanktionierung der Benes-Dekrete für Österreich eine unüberwindbare Hürde darstellt.

In   diesem   Zusammenhang   stellen   die   unterfertigten   Abgeordneten   an   den Bundeskanzler daher folgende

Dringliche Anfrage

01)Ist es richtig, dass Sie der ÖVP das Recht zur Nominierung eines, von Österreich vorzuschlagenden EU-Kommissars im Tausch für den Zugriff auf den ORF-Chef zugesagt haben?

02)Warum ist für Sie ausgerechnet Johannes Hahn die derzeit bestqualifizierte Person für das österreichische Mitglied in der EU- Kommission?

03)Warum ist für Sie Wilhelm Molterer als EU - Kommissar weniger geeignet als Johannes Hahn, zumal Hahns Versagen als Wissenschaftsminister gerade in den Tagen seiner Nominierung offenkundig wurde?

04)Wurde durch die Nominierung Hahns die Chance eines Kommissars aus Österreich auf ein wichtiges Ressort, wie z.B. das Landwirtschaftressort, leichtfertig von Ihnen verspielt, wie von EU- Insidern behauptet wird?

05)lst es richtig, dass EU-Kommissions-Präsident Jose Emanuel Barroso Österreich das Agrarressort zugesichert, b.z.w. sehr konkret in Aussicht gestellt hat?

06)Warum wurde, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Milchbauernkrise, das Angebot Jose Emanuel Barrosos ausgeschlagen und nicht Wilhelm Molterer - auf Grund seiner unbestrittenen Qualifikation im Landwirtschaftsbereich - nominiert?

07)Können Sie dezidiert ausschließen, dass Johannes Hahn Ihr Mann für Brüssel" nur deshalb ist, weil Sie der Wiener ÖVP vor der Wiener Landtagswahl eine Obmann-Debatte aufbürden wollten?

08)Wurde bereits über mögliche Ressorts für das österreichische Mitglied der EU-Kommission auf europäischer Ebene verhandelt?


09)Welchen Inhalt genau hatten Verhandlungen über das österreichische Ressort in der EU-Kommission?

10)lst es richtig, dass - wie das Wochenmagazin profil" 47/2009 berichtete, Ihnen das Ressort für Regionalförderung nicht besonders erstrebenswert" erscheint?

11)lst es richtig, dass Sie hinsichtlich der zwei neu zu besetzenden Spitzenpositionen, nämlich jener des EU - Ratspräsidenten und jener des Hohen Beauftragten für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die Namen Wolfgang Schüssel und Alfred Gusenbauer nur in Österreich gehört" haben?

12)Was haben Sie konkret unternommen, um eine dieser beiden Spitzenpositionen einem Kandidaten aus Österreich zu ermöglichen?

13)Wie beurteilen Sie den Umstand, dass Alfred Gusenbauer von der Financial Times ebenso intakte Chancen auf die Funktion des Hohen Beauftragten eingeräumt werden wie von der Sprecherin des SPE-Chefs, Poul Nyrup Rasmussen, Silke Thomson und der Sprecherin von Javier Solana, Cristina Gallach?

14)Warum fällt es Ihnen so schwer, andere österreichische Politiker auf europäischer Ebene zu unterstützen?

15)Welcher Ihrer Termine war wichtiger, als die Anwesenheit bei der Eröffnung des Europahauses in Wien?

16)Wie ist der Verhandlungsstand in Sachen EU-Steuern?

17)Welche Arten von EU-Steuern sollten - Ihrer Meinung nach - eingeführt werden?

18)Gibt es eine Garantie, dass EU-Steuern Österreichs Nettobeitrag zur Europäischen Union deutlich senken würden?

19)Können Sie ausschließen, dass es - im Falle der Einführung einer EU- Steuer - zu einer Mehrbelastung für die österreichischen Steuerzahler kommt?

20)Sind Sie für die Vereinheitlichung der Umsatzsteuer auf europäischer Ebene?


21)Sind Sie dafür, dass der EU das Besteuerungsrecht übertragen wird?

22)Sind Sie für die Einführung einer europaweiten Transaktionssteuer?

23)Wie soll nach Ihrer Meinung diese Transaktionssteuer ausgestaltet werden?

24)Wann wird der Vertrag von Lissabon genau in Kraft treten?

25)Warum haben Sie zusätzlichen Protokollen und Zugeständnissen - also Änderungen des Vertrages von Lissabon - für andere EU-Mitgliedsstaaten zugestimmt, und dabei die Chance verpasst, im Zuge einer neuerlichen Ratifizierung Ihr Versprechen einzulösen, eine Volksabstimmung in Österreich über grundlegende EU-Verträge durchzuführen?

26)Wie stehen Sie zu der Frage des Beitrittes der Türkei zur Europäischen Union und einer Volksabstimmung in Österreich zu dieser Frage?

27)Warum haben Sie am Europäischen Rat vom 29. und 30. Oktober 2009 einer Ausnahmeregelung in Sachen Grundrechtecharta für Tschechien zugestimmt - im Wissen, dass es dabei um eine indirekte Sanktionierung der menschenverachtenden Benes-Dekrete geht?

28)Wie rechtfertigen Sie diese Zustimmung im Lichte des Versprechens ihres Außenministers Michael Spindelegger und Ihrer eigenen Person, dass es bei den Benes-Dekreten keine Zugeständnisse an Tschechien geben darf?

29)Wie genau sieht die Ausnahmeregelung in Sachen Grundrechtecharta aus?

30)Welche Möglichkeiten werden die Opfer der tschechischen Vertreibungsverbrechen nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon haben, um eine Wiedergutmachung des erlittenen Unrechtes zu erhalten?

31)Werden Sie sich für eine solche Wiedergutmachung einsetzen?

32)Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Benes-Dekrete abgeschafft werden?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln und dem Erstanfragesteller die Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.