3793/J XXIV. GP

Eingelangt am 23.11.2009
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Wolfgang Zanger

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend Hypo Alpe Adria Group

 

Für den Erwerb der  Hypo Alpe Adria Group (HGAA) hat die Bayern Landesbank (BLB) unter Ex-Vorstand Werner Schmidt gut 400 Millionen Euro über dem Schätzwert bezahlt. Denn die Bilanzsumme des Geschäftsjahrs 2008 betrug 43,3 Mrd. Euro, der Nettoverlust lag bei 520 Mio. Euro. Zum Zeitpunkt des Erwerbs im Mai 2007 durch die Bayern-Landesbank hatte die HGAA einen Wert von rund 2,5 Milliarden Euro, die Hälfte der Anteile wäre demnach 1,25 Milliarden gewesen. Die Landesbank hatte für die Mehrheit (50 % und eine Aktie) an der damals boomenden, Südosteuropa-Geschäft starken Kärntner Bank (380 Banken- und Leasingstandorten in Österreich, Deutschland, Italien, Slowenien, Kroatien, Ungarn, Bulgarien, Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und der Ukraine), insgesamt 1,675 Milliarden Euro gezahlt, also um über 400 Millionen mehr. Zwei Gutachten hatten den Wert der Bank allerdings mit 2,7 bzw. 3.1 Milliarden beziffert. Der Erwerb von 50 % war daher um 550 Millionen bzw. 150 Millionen (je nach Gutachten) überhöht. Das Land Kärnten haftet weiterhin, unabhängig von der Beteiligungshöhe, mit 20 Milliarden Euro für die Bank. Diese wissentlich zu viel bezahlten Millionen sind offenbar in private Kassen auf Käufer- bzw. Verkäuferseite gelandet.

 

Nach einem rasanten Wachstum der HGAA  in den Jahren 1992 bis 2006 wurden Swap-Verluste aus 2004 von über 320 Mio. bekannt, woraufhin die Bilanz rückwirkend korrigiert werden musste. Im November 2007 schoss die BLB 440 Mio. nach, im Folgejahr noch einmal 700 Mio., sodass ihr Anteil derzeit 67,1 Prozent beträgt.

 

Bereits im Dezember 2006 ist eine Investorengruppe (Berlin&Co Capital S.A.R.L. Luxemburg) rund um den Vermögensberater Tilo Berlin (Freund von Werner Schmidt und ab 1. Juni 2007 Vorstandsvorsitzender der HAAG) mit 125 Millionen Euro für 4,5 Prozent bei der Hypo Alpe Adria (bis dahin im alleinigen Eigentum des Landes Kärnten und der Grazer Wechselseitigen Versicherung (GraWE), sowie eine kleinen Beteiligung einer Mitarbeiterstiftung) eingestiegen. Binnen weniger Monate hatten Berlin und seine Investoren rund 150-170 Mio. Euro Gewinn gemacht: In Form von Genussscheinen, die sich rasch in einen Gewinn umwandeln sollten, bot Berlin den Einstieg in die HAAG. Berlins Firma „Berlin & Co Capital Sarl“ zeichnete im Dezember 2006 rund 250 Mio. Kapitalerhöhung und erhielt dafür 4,5 Prozent der Bank. Im März 2007 kaufte Berlins Firma 16 Prozent von der GraWe um weitere 400 Millionen. Die Genusschein-Inhaber sollen damals bei der mehrheitlichen Übernahme der Hypo durch die BLB mitkassiert haben. Berlins Finanziers waren österreichische Investoren, einige von diesen weisen eine Nähe zur HAAG auf. Zeitungsberichten zufolge soll die Kingsbridge Capital Management Ltd. am Verkauf der HGAA an die BLB rund ein Zehntel am Verkaufserlös mitgeschnitten haben. Sie taucht nicht nur bei der Hypo Alpe Adria Bank-Verkaufsaffäre, sondern auch in der Episode Constantia Privatbank und Immofinanz auf.

 

Der Verkauf soll praktisch in einer „Nacht und Nebel-Aktion“ durchgezogen worden sein. Vorstand und Aufsichtsrat der Kärntner Landesholding (Verwalter der Landesbeteiligungen) wurden nur vier Tage vor der Abwicklung eingebunden.  Die Berlin Gruppe soll laut Zeitungsberichten in einem halben Jahr einen Gewinn von 170 Millionen Euro gemacht haben.

Gegen Werner Schmidt und Tilo Berlin wird nun seitens der deutschen Staatsanwaltschaft ermittelt. Nicht auszuschließen sind auch Rückforderungen gegenüber dem Land Kärnten, welches mit rund 20 Milliarden Euro haftet. Denn diese Haftungen wurden von den Bayern nicht übernommen, sie laufen erst im Jahr 2017 aus.

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigenden Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen folgende

 

Anfrage

 

1.   Ist der Anteilsverkauf, der ja über persönliche Kontakte erfolgte, als Insiderhandel zu beurteilen und welche Vorsichtsmaßnahmen gibt es, um derartige Vorgehensweisen zu unterbinden?

2.   Inwieweit werden die Erkenntnisse aus Hypo Alpe Adria Skandal Auswirkungen auf die künftige Gestaltung der Börsen- und Wertpapieraufsichtsbehörden haben?

3.   Ist diesbezüglich eine Erweiterung der präventiven Maßnahmen möglich bzw. inwieweit werden diesbezüglich „schwarze Listen“ geführt?

4.   Inwieweit ist der Einstieg der Investorengruppe um Tilo Berlin im Einklang mit den Wettbewerbsrichtlinien?

5.   Inwieweit ist der Verkauf der 50 Prozent Anteile an die Bayrische Landesbank im Einklang mit den Wettbewerbsrichtlinien?

6.   Wurde der Verkauf der HGAA korrekt europaweit ausgeschrieben?

7.   Ist das Argument, bei einer Bezahlung über dem Marktwert sei keine Ausschreibung nötig, zutreffend?

8.   Ist es überhaupt möglich, dass ein Bundesland solcherart Haftungen in Höhe von über 20 Milliarden Euro weiterhin übernimmt, obgleich es nicht mehr Mehrheitseigentümer oder durch einen Syndikatsvertrag abgesichert ist?

9.   Welche Haftungszeiträume gelten üblicherweise im EU-Raum, bzw. entsprechen derartig langfristige Haftungszusagen den EU-Gepflogenheiten?