3859/J XXIV. GP
Eingelangt am 02.12.2009
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ANFRAGE
des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Immobilien und Glücksspiel
In der Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Untersuchung von Abhör- und Beeinflussungsmaßnahmen im Bereich des Parlaments am 24.11.2009 hat der Abgeordnete Peter Pilz auf Ersuchen des Ausschussvorsitzenden und einiger Angehörgier der ÖVP-Fraktion bestätigt, dass er vor wenigen Wochen ihm von einem Unternehmer mitgeteilte Informationen an die Korruptionsstaatsanwaltschaft weitergegeben habe. Dazu erläuterte er laut Protokoll der Sitzung folgende Umstände:
Ich kann dazu auch
sagen: Das Ganze hat mit Sicherheit nichts mit dem Beweisthema des
Untersuchungsausschusses zu tun. Es geht um etwas vollkommen anderes, und zwar
darum, dass sich ein Unternehmer bei mir gemeldet und darauf hingewiesen hat,
dass ein damals Nicht-Regierungsmitglied in seiner Funktion in einem
Glücksspielkonzern bei einem
Immobilienverkauf - das ist eine Behauptung
dieses Unternehmers - bei der Übergabe von Schwarzgeld dabei gewesen sein
soll. Ich habe ersucht, das durch die Korruptionsstaatsanwaltschaft prüfen
zu lassen.
Folgende Informationen des involvierten Unternehmers wurden an die Staatsanwaltschaft übermittelt:
S. habe das Haus „Herzog Ernst-Gasse 18“ in Bruck a.d. Mur an den Glückspielunternehmer B. um etwa denselben Preis, den er selbst für die Liegenschaft bezahlt hat, auf Basis eines Kaufvertrags an B. verkauft. B. habe ihm in Bruck in einer Anwaltskanzlei dazu zwei Millionen Schilling zusätzlich „schwarz“ bezahlt.
Die Übergabe des Schwarzgeldes sei in Gegenwart des Novomatic-Vertreters Johannes Hahn (damals Novomatic-Vorstand) erfolgt.
Inzwischen hat die Korruptionsstaatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen § 33 Finanzstrafgesetz unter dem Aktenzeichen 4 St 262/09 p an die Staatsanwaltschaft Leoben abgetreten.
Weitere Hinweise auf den steuerlichen Gestaltungswillen im Bereich des Glücksspiels lieferte die ORF-Sendung „Am Schauplatz“ am 9. Oktober 2009:
Grabner Christine (ORF)
Das nötige Know-how hat sich der Grazer Rechtsanwalt Christian Horvath längst angeeignet. Der Staat kassiert pro Automat eine Steuerpauschale, zusätzlich muss der Betreiber Umsatzsteuer
zahlen.
Horvath Christian (Rechtsanwalt)
Wir befinden uns nun in der Buchhaltung eines Spielautomaten. In dieser Buchhaltung kann man verschiedene Statistiken anschauen und auch Einstellungen vornehmen. Zum Beispiel hier ist es möglich mit den verschiedenen Schlüssel auch das Guthaben des Automaten und
die Buchhaltung auf null zu stellen. Das bedeutet, dass man somit eigentlich das Finanzamt betrügen könnte und jedes Monat die Buchhaltung auf null stellen.
Schüller Christian (ORF)
Das Finanzministerium bestätigt, das Problem zu kennen. Die Umsatzsteuer auf Automaten falle auffällig niedrig aus. Ab dem neuen Glücksspielgesetz müssten Apparate deswegen direkt mit dem Ministerium vernetzt sein.
Grabner Christine (ORF)
Ein ehemaliger Angestellter der Novomatic, der anonym bleiben will, erzählt jedenfalls von seltsamen Vorfällen rund um die Geräte. Sie haben ja eine Weile für den Novomatic-Konzern
gearbeitet, was haben Sie da genau gemacht? Was war Ihre Funktion?
Unbekannte/r (Privat)
Automaten ausräumen und servicieren. Also das heißt, wenn sie irgendeinen Fehler gehabt haben, den Fehler beheben.
Grabner Christine (ORF)
Und was heißt ausräumen?
Unbekannte/r (Privat)
Das Geld aus den Automaten entnehmen und zählen. Ganz eine komische Sache war, dass eben meistens zu Monatsmitte oder in der Regel zu Monatsmitte bestimmte Leute mit Laptops gegangen sind und haben damit die Automaten bearbeitet. Nachher hat sich dann
ergeben, auf Deutsch gesagt, dass diese Automaten frisiert worden sind, damit die Umsätze nicht so hoch sind, circa ungefähr die Hälfte wurde geschönt oder manipuliert, wie immer Sie sagen wollen.
Grabner Christine (ORF)
Warum haben Sie selber jetzt aufgehört für diesen Konzern zu arbeiten?
Unbekannte/r (Privat)
Ich konnte das Leid nicht mehr sehen der Spieler, die Existenzen. Leute, die dich angejammert und geweint haben, man soll ihnen doch ein Geld geben. Und das ganze Drumherum, wie das abgelaufen ist und wie die Leute behandelt wurden, das war nicht diese Welt, in der ich leben möchte.
Schüller Christian (ORF)
Wir haben die Novomatic auch mit dieser Aussage konfrontiert, sie weist jeglichen Vorwurf einer möglichen Manipulation der Buchhaltung schärfstens und als unwahr zurück.
Dieser Beitrag weist darauf hin, dass im BMF trotz Kenntnis des Problems bisher nichts gegen eine mögliche Steuerhinterziehung seitens des Glückspielskonzerns unternommen wurde.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Gibt es zu dem oben geschilderten Vorfall, welcher bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht wurde, mittlerweile ein Strafverfahren vor den Finanzstrafbehörden?
2. Falls ja: welche Behörde ist dafür zuständig?
3. In welchem Stadium befindet sich das Verfahren?
4. Konnte mittlerweile geklärt werden, um welchen Glücksspielkonzern es sich in der gegenständlichen Angelegenheit handelt?
5. Ist der in Medien geäußerte Verdacht zutreffend, dass es sich dabei um den Konzern „Novomatic“ handelt?
6. Hätte eine Bestätigung des Verdachts, dass ein Glücksspielkonzern in die Abwicklung von Schwarzgeldgeschäften und damit Steuerhinterziehung verwickelt ist, Auswirkungen auf allenfalls bestehende Lizenzen für Glücksspielangebote auf Bundes- bzw. auf Landesebene?
7. Wurde ein entsprechendes Verfahren zur Überprüfung bestehender Lizenzen des betroffenen Konzerns bereits eingeleitet?
8. Am 10.11.2008 wurde durch Ihr Ressort ein Ministerialentwurf zu einer Novelle des Glücksspielgesetzes in Begutachtung versandt, nach dem das bisher auf Landesebene optional geregelte sogenannte „kleine Glücksspiel“ mit Spielautomaten bundesweit vereinheitlicht und an Auflagen (insbesondere ein Stammkapital von 50 Millionen Euro!) geknüpft würde, welche de facto nur durch den Konzern Novomatic erfüllt werden könnten, so dass sich letztlich eine Monopolstellung dieses Konzerns ergeben würde. Die Firma Novomatic AG hat dementsprechend in einer Stellungnahme vom 2.12.2008 den Entwurf begrüßt, allerdings dem Ministerium auch eine sanfte Rüge erteilt, wonach nähere Details noch in einer Diskussionsrunde der „relevanten Entscheidungsträger“ zu besprechen wären. Hat diese Diskussionsrunde mittlerweile stattgefunden?
9. Welche „relevanten Entscheidungsträger“ außer den beiden gezeichneten Novomatic Vorständen Franz Wohlfahrt und Peter Stein gibt es im Bereich der Reglementierung des Glücksspielrechts in Österreich denn noch?
10. Würden Sie Ihren Regierungskollegen Johannes Hahn aufgrund seiner umfangreichen Erfahrungen im Glücksspielgewerbe als relevanten Entscheidungsträger in diesem Bereich bezeichnen?
11. Ist die anstehende Novelle des Glücksspielgesetzes der Grund dafür, dass sie während Ihrer Abwesenheit am 30.11.2009 und 1.12.2009 Johannes Hahn mit ihrer Vertretung betraut haben?
12. Zu welchem Ergebnis sind die „relevanten Entscheidungsträger“ bezüglich der Novellierung gelangt?
13. Gibt es noch Einwände von – relevanten oder irrelevanten – Entscheidungsträgern gegen die Schaffung eines bundesweiten Monopols für den Konzern Novomatic AG, aus der systematischen Bewirtschaftung von Spielautomaten, die in vielen Fällen Spielsucht und damit wirtschaftliche und soziale Verelendung auslösen sowie Existenzen ruinieren, Profit zu ziehen?
14. Welche jährlichen Steuereinnahmen erwarten Sie aus dieser geplanten systematischen, zentralen Bewirtschaftung Spielsüchtiger?
15. Wie viele Kontakte hatten Sie oder Angehörige Ihres Ressorts seit Veröffentlichung des Ministerialentwurfs 3/ME XXIV. GP mit Franz Wohlfahrt, Peter Stein oder anderen Mitarbeitern oder Lobbyisten des Novomatic Konzerns?
16. Hat es im Jahr 2009 gemeinsame Anzeigenkampagnen des Bundesministeriums für Finanzen mit dem Novomatic Konzern gegeben, vergleichbar jener, welche in der Tageszeitung „Heute“ etwa am 25.11.2009 unter dem Titel „Erfolgsmodell Österreich“ von Bundeskanzleramt, Wirtschaftsministerium, Infrastrukturministerium, Novomatic AG, Porr AG und der Wiener Städtischen Versicherung veröffentlicht wurde?
17. Falls ja: wann und in welchen Medien?
18. Welche Kosten hatten die Anzeigen jeweils?
19. Welchen Anteil dieser Kosten hat der Novomatic Konzern getragen?
20. Ist Ihrem Ressort der oben zitierte ORF-Beitrag bekannt?
21. Haben Sie bereits vor diesem ORF-Beitrag Hinweise erhalten, dass von Betreibern von Spielautomaten mittels technischer Manipulationen erzielte Gewinne verschleiert und somit Steuern hinterzogen werden?
22. Sind diesbezüglich derzeit Finanzstrafverfahren anhängig?
23. Falls ja: gegen welche Betreiberunternehmen?
24. Welche Kontrollmaßnahmen setzen die zuständigen Finanzbehörden, um derartige Manipulationen und Steuerhinterziehungen zu verhindern bzw. aufzudecken?
25. Wieviele Vor-Ort-Kontrollen von Geldspielautomaten durch Finanzbehörden hat es in den Jahren 2007, 2008 und 2009 jeweils bei den Betrieben des Novomatic Konzerns gegeben?
26. Wieviele Vor-Ort-Kontrollen von Geldspielautomaten durch Finanzbehörden hat es in den Jahren 2007, 2008 und 2009 jeweils bei anderen Glücksspielbetrieben gegeben?