395/J XXIV. GP

Eingelangt am 09.12.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Zinggl, Walser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundeskanzler

 

betreffend Republik.Ausstellung 1918|2008 und Haus der Geschichte

 

Am 12. November 2008 wurde in der Säulenhalle des Parlaments die Republik.Ausstellung 1918|2008 eröffnet. Auf finanzieller Ebene ergeben sich aufklärungsbedürftige Widersprüche zwischen der in einer Roadmap vom Juni 2007 enthaltenen Kostenschätzung für diese Ausstellung und einer Anfragebeantwortung des Bundeskanzlers vom Juni 2008.

 

Davon unabhängig stellt sich die Frage nach dem nachhaltigen Sinn der Ausstellung, und zwar über die aktuelle – ohnehin fragwürdige – Didaktik zur Aufklärung von Geschichte hinaus. Ein bei der Eröffnung noch amtierender Vizekanzler Wilhelm Molterer bezeichnete sie nämlich als „Nukleus für ein künftiges Haus der Geschichte der Republik Österreich“. Gleichzeitig verdichten sich Anzeichen dafür, dass diese Ausstellung gewissermaßen ein Abschiedsgeschenk, ein „Golden Handshake“ für den bürgerlichen Historiker Stefan Karner war. Immerhin wurde Ende Oktober eine andere Person, nämlich Claudia Haas von der Agentur Lord Cultural Resources, mit der Erstellung eines Detailkonzeptes für so ein „Haus der Geschichte der Republik Österreich“ (HGÖ) beauftragt. Stefan Karner findet in diesem Zusammenhang keine Erwähnung mehr. Dafür taucht immer häufiger der Name des renommierten Historikers Oliver Rathkolb auf.

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Wie hoch sind die Gesamtkosten der Republik.Ausstellung 1918|2008 inklusive der Vorbereitungskosten der vergangenen Budgetjahre?
  2. Auf welche Budgetkapitel werden die Kosten aufgeteilt?
  3. Während in der ursprünglichen Kostenschätzung 251.000 Euro für das wissenschaftliche Personal (Leitung, Mitarbeit, Ausstellungskoordination) vorgesehen waren, sind es 2008 plötzlich 420.000 Euro. Wie lässt sich der exorbitant gestiegene Betrag angesichts der Tatsache rechtfertigen, dass vor allem Versatzstücke der Schallaburg-Ausstellung aus dem Jahr 2005 neu präsentiert werden?
  4. Wie hoch sind die tatsächlichen Kosten für das wissenschaftliche Personal?
  5. Wie hoch sind die Kosten für Ausstellungsarchitektur und -grafik?
  6. Die ursprüngliche Kostenschätzung ging von Mietkosten (damals war geplant, die Ausstellung im Schottenstift zu zeigen) in der Höhe von 70.560 Euro aus. Wie hoch ist die Miete, die nun an das Parlament bezahlt wird?
  7. Wer übernimmt die Kosten für die Infrastruktur (Aufsicht, Strom, Sanitäranlagen etc.)?
  8. Die Kostenstelle Öffentlichkeitsarbeit ist laut Anfragebeantwortung des damals amtierenden Bundeskanzlers mit stolzen 220.000 Euro budgetiert. Wer bzw. welche Agentur ist im Rahmen des Ausstellungsprojektes für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig?
  9. Wie sieht die konkrete Strategie der Öffentlichkeitsarbeit für die Republik.Ausstellung 1918|2008 aus? Wir ersuchen um detaillierte Aufstellung inklusive der jeweiligen Kostenpunkte.
  10. Wurde die Vergabe der Öffentlichkeitsarbeit öffentlich ausgeschrieben?
  11. Wie hoch waren die Kosten für die Ausstellungseröffnung (Buffet, Musik, Tonanlage, Sicherheit etc.)? Wir ersuchen um detaillierte Auflistung.
  12. Wer trug die Kosten für die Ausstellungseröffnung?
  13. In seiner Ansprache im Rahmen der Ausstellungseröffnung lobte der zu dieser Zeit noch amtierende Bundeskanzler Gusenbauer die MitarbeiterInnen des Bundeskanzleramtes, die für den Ausstellungsaufbau verantwortlich zeichneten. Wurden diese Arbeiten im Rahmen der regulären Dienstzeit verrichtet?
  14. Wenn nein: Haben die MitarbeiterInnen des Bundeskanzleramtes diese Arbeiten in ihrer Freizeit verrichtet, wurden Mehrdienstleistungen ausbezahlt oder welche andere dienstrechtliche Regelung wurde herangezogen?
  15. Welche Gründe sprachen dafür, den Ausstellungsaufbau nicht nur von Profis, sondern auch von MitarbeiterInnen des Bundeskanzleramtes durchführen zu lassen?
  16. Welche Einsparungen ergaben sich daraus, dass mit dem Ausstellungsaufbau nicht nur Profis, sondern auch MitarbeiterInnen des Bundeskanzleramtes beauftragt wurden?
  17. Gab es eine öffentliche Ausschreibung hinsichtlich der Auftragsvergabe „Ausstellungsaufbau“?
  18. Wie viele Besucherinnen und Besucher werden erwartet bzw. sind kalkuliert?
  19. Wie viel Budget wurde für die Gestaltung und Implementierung der Website www.republikausstellung.at aufgewendet? Entspricht diese Website den konzeptuellen Vorgaben, die das Bundeskanzleramt/der Ministerrat bewilligt hat?
  20. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer erklärte noch im Februar 2008 im Zusammenhang mit der Ausstellung, das Parlament sei kein Museum, nach wie vor fehle ein detailliertes Konzept. Wann wurde dieses detaillierte Konzept dem Bundeskanzleramt übermittelt? Wir ersuchen um Ausfolgung einer Kopie dieses Detailkonzeptes.

21. Die Ausstellung erhebt den Anspruch, 90 Jahre Republiksgeschichte in einem Raum darzustellen. Teilen Sie die Ansicht prominenter HistorikerInnen, dass ein solches Konzept von vornherein zum Scheitern verurteilt sei? Wie sehen Sie die Zusammenhänge zwischen Vergangenheit, Geschichte und Repräsentativität?

  1. Barbara Prammer forderte weiters: „Die Ausstellung sollte […] von möglichst allen Fraktionen mitgetragen werden.“ Es gab aber keine Gespräche mit den Grünen hinsichtlich der Ausstellung. Aus welchen Gründen wurde darauf verzichtet, die Parlamentsfraktionen einzubinden?
  2. Können Sie sich mit der inhaltlichen Ausrichtung der Ausstellung identifizieren?
  3. Die Ausstellung räumt der Verfolgung und Ermordung der Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus erstaunlich wenig Platz ein. Entspricht der Raum, der diesem Thema gewidmet wird, Ihrer Ansicht nach dem Stellenwert des Holocaust in der österreichischen und europäischen Geschichte?
  4. Migrantinnen und Migranten kommen in der Ausstellung nur sehr kurz und nur in ihrer Eigenschaft als sogenannte GastarbeiterInnen vor. Sind Sie der Ansicht, dass sich die Ausstellung dem Thema Migration und Einwanderung nach Österreich auf adäquate Weise widmet?
  5. Sind Sie der Ansicht, dass in der Ausstellung wichtige Themen wie etwa die Rolle der Opposition in der Geschichte des Parlamentarismus der Ersten und Zweiten Republik, das Wirken von Bürgerinitiativen und NGOs oder auch zentrale Ereignisse wie die Lucona-Affäre, die Frischenschlager-Reder-Affäre oder die Waldheim-Affäre – um nur einige herauszugreifen –  genügend deutlich dargestellt werden?
  6. Sehen Sie ein Problem jeder Ausstellung zur Geschichte Österreichs darin, dass es unterschiedliche historische Perspektiven gibt, die nicht alle erfüllt werden können, und eine ständige Ausstellung daher in einem gebauten Haus der Geschichte daher immer unbefriedigend bleiben wird?  
  7. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass für das geplante HGÖ auch Sichtweisen auf die Geschichte Österreichs einfließen, die möglicherweise außerhalb des großkoalitionären Konsenses von SP und VP liegen?   
  8. Welches waren die ausschlaggebenden Punkte dafür, nicht Dieter Bogner, sondern Claudia Haas mit der Erstellung eines Detailkonzepts für das HGÖ zu beauftragen?
  9. Inwieweit müssen im von Claudia Haas vorzulegenden Detailkonzept schon Inhalte des HGÖ reflektiert werden?
  10. Welche Fragen soll das vorzulegende Detailkonzept insbesondere erörtern?
  11. Welche Zielgruppen soll das HGÖ in erster Linie ansprechen?
  12. Welche Möglichkeiten sehen Sie, die inhaltliche Auseinandersetzung auch in den Bundesländern zu ermöglichen?
  13. Wie wird das Ziel eines inhaltlichen Konzeptes für kontroversielle virtuelle Darstellung und eine kontroversielle Auseinandersetzung schon in der Projektphase gewährleistet?
  14. Bis wann soll das Detailkonzept vorliegen?
  15. Bis wann soll eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das HGÖ in einen Neubau oder in ein bereits existierendes Gebäude einzieht?
  16. Wer fällt letztlich die Entscheidung darüber, ob das HGÖ in einen Neubau oder in ein bereits existierendes Gebäude einzieht?
  17. Die Tageszeitung „Der Standard“ berichtete von Überlegungen Ihres Präsidialchefs Manfred Matzka, das HGÖ gewissermaßen als Vervollständigung des Kaiserforums zwischen Volksgarten und Heldenplatz anzusiedeln. Ist dies der offizielle Standpunkt des Bundeskanzleramtes?
  18. Bis wann wird ein vollständiges inhaltliches und didaktisches Konzept vorliegen?
  19. Wer ist für das inhaltliche Konzept des HGÖ verantwortlich, insbesondere was die geplante Dauerausstellung betrifft?
  20. Ist es zutreffend, dass Oliver Rathkolb der Gründungsdirektor des HGÖ sein soll?
  21. Welche Rolle spielt der Historiker Oliver Rathkolb im Zusammenhang mit dem HGÖ?
  22. Inwieweit besteht noch die Möglichkeit, den pompös-konservativ-hässlichen und zu allem Überfluss mit einem doppelten Genitiv versehenen Arbeitstitel „Haus der Geschichte der Republik Österreich“ zu verändern?