4167/J XXIV. GP

Eingelangt am 17.12.2009
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Van der Bellen, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

 

betreffend Kosovo

 

 

Kosovo hat am 17. Februar 2008 seine Unabhängigkeit erklärt und wurde bisher von 63 Staaten anerkannt. Von den EU-Mitgliedstaaten haben Griechenland, Rumänien, Slowakei, Spanien und Zypern dies bisher nicht getan. Österreich hat Kosovo im Februar 2008 anerkannt.

 

Im Juni 2008 trat die neue Verfassung des Kosovo in Kraft. Die Befugnisse der UNO-Verwaltung UNMIK wurden auf die kosovarischen Behörden sowie EULEX und dem Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft (International Civilian Representative), der gleichzeitig Special Representative der EU ist, übertragen. EULEX hat inzwischen die Verantwortung in den Bereichen Polizei, Zoll und Justiz übernommen, doch die Zusammenarbeit funktioniert nur mangelhaft und es kam zu Übergriffen auf EULEX-Eigentum.  Dies hat wohl auch mit der institutionellen Schwäche von EULEX zu tun, da die Mission parallel zur weiterhin präsenten UNMIK (die derzeit für den serbischen Nord-Kosovo zuständig ist) etabliert und die de facto Zweiteilung des Landes beibehalten wurde. Der Grund dafür liegt in der nach wie vor ungeklärten Statusfrage. Der Internationale Gerichtshof wurde auf Antrag Serbiens im Oktober 2008 von der UNO-Vollversammlung mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens zum Kosovo beauftragt. Bis zum 11. Dezember 2009 werden die unterschiedlichen Standpunkte angehört (auch ein Vertreter Österreichs wurde bereits angehört). Das Gutachten könnte Mitte 2010 vorliegen.

 

Die Lage im Kosovo hat sich nur geringfügig verbessert. Trotz einiger Fortschritte müssen laut EU-Fortschrittsbericht die Kapazitäten der Verwaltung und des Parlaments ausgebaut werden. Die Justizreform ist dringend nötig, gegen Korruption und organisiertes Verbrechen muss verstärkt vorgegangen werden. Auch sind Reformen im Bildungs- und Gesundheitsbereich notwendig.

Die Verfassung bietet zwar Garantien für die Achtung der Menschenrechte und den Schutz der Minderheitenrechte. Allerdings sind weitere Anstrengungen und konkrete Schritte für die Integration aller Volksgruppen erforderlich. Als größtes Hindernis sieht der Fortschrittsbericht dabei die fehlende Bereitschaft – vor allem der im Norden lebenden Kosovo-Serben – sich an den kosovarischen Institutionen zu beteiligen.  In diesem Sinne sind die korrekt verlaufenen Kommunalwahlen am 15. November 2009, an dem sich trotz Boykottaufrufen auch viele SerbInnen beteiligten, als Erfolg zu werten, auch wenn die Wahlbeteiligung mit 45 % niedrig war.

 

Das Wirtschaftswachstum wurde v.a. durch die Zunahme des Verbrauchs und durch öffentliche Investitionen erreicht. Die Exporte sind stark zurückgegangen, die Importe dagegen stark gestiegen. Einer wirtschaftlichen Entwicklung stehen nach wie vor laut Fortschrittsbericht die weitverbreitete Korruption und die fehlende Rechtsstaatlichkeit entgegen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und betrifft vor allem Frauen, Jugendliche und Angehörige von Minderheiten.

Dringend notwendige Wirtschaftsreformen, v.a. im Infrastruktur- und Energiebereich, wurden bisher nicht durchgeführt. So wurde zwar laut EU-Fortschrittsbericht die Zuverlässigkeit der Energieversorgung etwas verbessert, aber es kommt nach wie vor zu Stromausfällen. Dies wird sich noch verschärfen, wenn das alte Kohlekraftwerk A aus Umweltschutzgründen bis 2017 geschlossen werden wird, wie von der EU gefordert. Die Regierung hat nun den Bau eines neuen Braunkohlekraftwerks beschlossen, das europäischen Standards genügen soll.

 

Kosovo könnte ab Mitte 2010 das einzige südosteuropäische Land sein, dessen BürgerInnen ein Visum benötigen, um in den Schengenraum einreisen zu dürfen. Das gilt auch für jene mit serbischer und kosovarischer Doppelstaatsbürgerschaft – ganz im Gegensatz zu BürgerInnen mit kroatischer und bosnischer oder serbischer und bosnischer Doppelstaatsbürgerschaft, die bereits ab 19. Dezember mit ihrem kroatischen oder serbischen Pass kein Visum brauchen. Immerhin konnte zumindest der Beginn eines Visa-Dialoges mit dem Ziel der Visaliberalisierung beschlossen werden.

 

Die österreichische Botschaft in Pristina hat keine Visabefugnis. KosovarInnen, die nach Österreich reisen wollen, müssen nach Skopje/Mazedonien reisen, um ein Visum zu beantragen. Bereits jetzt werden Befürchtungen laut, dass Mazedonien – dessen BürgerInnen ab 19. Dezember wie jene von Serbien und Montenegro Visafreiheit genießen – seinerseits ein Visaregime errichten wird. Dies wird von der mazedonischen Regierung aber dementiert.

 

 

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.          Für welche Maßnahmen wird sich Österreich einsetzen, um die Zusammenarbeit zwischen EULEX und den kosovarischen Behörden sowie die Akzeptanz von EULEX in der kosovarischen Bevölkerung zu verbessern und die Effektivität der Mission zu gewährleisten?

 

2.          Welche Auswirkungen auf die österreichische Anerkennung des Kosovo hätte es, wenn der Internationale Gerichtshof in seinem Rechtsgutachten zum Schluss kommen sollte, dass die einseitige Unabhängigkeitserklärung völkerrechtswidrig ist?

 

3.          Gibt es angesichts der anhaltenden kosovarischen Energiekrise und dem weiteren Setzen auf Kohlekraftwerke österreichische Unterstützungsprogramme für den Einsatz erneuerbarer Energieträger? Wenn nein, werden Sie sich (auch innerhalb der österreichischen Bundesregierung) dafür einsetzen, dass solche Programme etwa im Rahmen der OEZA, der österreichischen Entwicklungsbank oder der österreichischen Ausfuhrförderung installiert werden?

 

4.          Ist angesichts der erfolgreich verlaufenen Kommunalwahlen neben der Unterstützung der Gemeinde Suhareka an weitere österreichische Maßnahmen zur Stärkung der lokalen Institutionen bzw. des Dezentralisierungsprozesses gedacht?

5.          Werden Sie sich im Rahmen der EU dafür einsetzen, dass der Visadialog im Rahmen einer Road Map vorangetrieben wird, die kosovarischen Bemühungen fair beurteilt werden, und die kosovarische Regierung in der Umsetzung der Road Map weitestgehend unterstützt wird?

6.          Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die kosovarischen BürgerInnen so bald wie möglich in Pristina um ein Visum nach Österreich ansuchen können, indem entweder die österreichische Botschaft mit Visabefugnissen ausgestattet oder ein Vertretungsabkommen mit einem anderen EU-Staat abgeschlossen wird?