4180/J XXIV. GP

Eingelangt am 23.12.2009
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Brunner, Kogler, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend

 

betreffend Kohlekraftwerk Voitsberg

 

 

 

 

Das Braunkohlekraftwerk ÖDK III in Voitsberg wurde im Mai 2006 stillgelegt. Dies bedeutete eine wesentliche Verbesserung der lokalen Umweltsituation, fiel doch ein bedeutender Emittent von SO2, NOx,  Feinstaub und Schwermetallen weg. Nach einem Eigentümerwechsel wurde nun um Umrüstung des Werks auf Steinkohle angesucht, das Verfahren nach dem Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen ist in erster Instanz (Bezirkshauptmannschaft Voitsberg) anhängig. Mangels ausreichender Fachgutachten wurde die Verhandlung vom 1. 7. 2009 vertagt. Am 18. 12. 2009 beschied die Stmk. Landesregierung, dass das Projekt gemäß dem österr. UVP-G nicht UVP-pflichtig sei. Die Stmk. Umweltanwältin wird dagegen Berufung einlegen.

 

Ein Kohlekraftwerk wäre energie- und klimapolitisch völlig verfehlt. Schwerpunkt dieser Anfrage ist die betriebsanlagenrechtliche Beurteilung des Projekts.

Der Kraftwerksblock 3 ging 1983 in Betrieb, 1986 erfolgte der Einbau einer Rauchgasentschwefelungsanlage, 1990 wurde zur Reduktion der Stickoxide eine SCR-Anlage eingebaut. Eine ausreichende Anpassung an den Stand der Technik gemäß der IPPC-Richtlinie unterblieb, sodass die Luftreinhaltetechnik veraltet ist. Noch dazu soll der neue Betrieb rund um die Uhr gefahren werden, was rund das Doppelte gegenüber dem stillgelegtem Betrieb wäre.

 

Die geplante Verfeuerung von Steinkohle macht wesentliche Umbauten erforderlich. Da also der Feuerraum erneuert wird, liegt gemäß § 2 Zif 8 Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen (EG-K) eine „wesentliche Änderung“ vor.  Dies hat zur Folge, dass gemäß § 5 Abs 4 EG-K die Bestimmungen für neu zu errichtende Anlagen anzuwenden sind, dh die Änderung darf jedenfalls nur genehmigt werden, wenn die Emissionen dem aktuellen Stand der Technik entsprechen.

 


Darüber hinaus ist natürlich zu prüfen, ob die Immissionssituation weitere Emissionen überhaupt zulässt. Liegt eine Grenzwertüberschreitung immissionsseitig bereits vor oder ist dies durch die Genehmigung zu erwarten, so ist eine solche Genehmigung nur zu erteilen, wenn die Emissionen der Anlage keine relevanten Beiträge zur Immissionsbelastung leisten oder der zusätzliche Beitrag durch Maßnahmen wie im Programm gemäß § 9 a IG-L gelistet „ausreichend kompensiert (wird), so dass in einem realistischen Szenario langfristig keine weiteren Grenzwertüberschreitungen anzunehmen sind, sobald  diese Maßnahmen wirksam geworden sind“ (siehe zu all dem § 3 Abs 1 und § 5 Abs 2 EG-K).

 

Bezüglich Stand der Technik möchten wir auf die Emissionsgrenzwerte, die für eine Anlage dieser Größenordnung gemäß der deutschen 13. BImSchV gelten, anführen:

 

Gesamtstaub                                                         20 mg/m3 TMW (60 mg/m3 als HMW)

Quecksilber und seine Verbindungen                       0,03mg/m3 TMW (0,05 mg/m3 als HMW)

CO (Anlagen > 100 MW)                                        200 mg/m3 TMW

Stickoxide                                                             200 mg/m3 TMW

SO2                                                                      200 mg/m3 TMW

 

Immissionsseitig ist der Verlauf der Grenzwertüberschreitungen bei Feinstaub in Voitsberg von besonderem Interesse. Laut Jahresberichten nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft wurde  der Grenzwert von 50µg/m3 TMW an x Tagen überschritten:

 

2004 (zulässig: 35)              56

2005 (zulässig 30)                46

2006 (zulässig 30)                54

2007 (zulässig 30)                32

2008 (zulässig 30)                23

 

Seit Schließung von ÖDK III ist es also zu einer Entspannung im Bereich Feinstaubbelastung in Voitsberg gekommen.

 

Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend ist oberste Vollzugsbehörde nach dem Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen, er ist gegenüber den Unterbehörden, dem Landeshauptmann der Steiermark (dieser wiederum gegenüber der Bezirkshauptmannschaft) weisungsbefugt.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher zur Wahrung eines gesetzmäßigen Vollzugs folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.      Bleiben Genehmigungen nach dem Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen trotz Stilllegung des Betriebs aufrecht? Wenn ja, wie lange und unter welchen Voraussetzungen? Wie lange ist eine Wiederinbetriebnahme möglich und unter welchen Voraussetzungen?


 

2.      a)      Auf welchen Genehmigungsbescheiden fußte der alte Betrieb des ÖDK III?

 

b)      Welche Sanierungsmaßnahmen zur Reduktion welcher Luftschadstoffe wurden dem Betrieb nach dem Dampfkessel-Emissionsgesetz 1980, nach dem Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen 1988 und dem Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen 2004 wann aufgetragen?

 

c)      Welche Maßnahmen zur Reduktion der Luftschadstoffe wurden beim Betrieb wann gesetzt (falls diese außerhalb von Sanierungsaufträgen erfolgten)?

 

d)      Zum Zeitpunkt der Schließung im Mai 2006 musste der Betrieb welche Grenzwerte bei SO2, NOx, Staub, CO und Schwermetallen einhalten?

 

e)      Welche Jahresfrachten an vorhin genannten Luftschadstoffen waren daher erlaubt?

 

f)       Welche Jahresfrachten wurden laut der letzten Emissionserklärung tatsächlich ausgestoßen?

 

g) Entsprach die Altanlage bei Stilllegung der IPPC-Richtlinie?

 

3.      a)      Handelt es sich bei dem „Änderungsvorhaben“ um eine „wesentliche Änderung“ des Betriebs?

 

b)      Gelten für das „Änderungsvorhaben“ die Vorschriften für Neuanlagen, welche im Detail?

 

c)      Welche Jahresfrachten bei den Schadstoffen SO2, NOx, Staub, CO und Schwermetallen würde das „Änderungsvorhaben“ verursachen, würde es wie eingereicht, genehmigt?

 

d)      Bei welchen Luftschadstoffen wurde das Projekt zu einer Überschreitung der Grenzwerte nach dem IG-L führen bzw die Überschreitungen erhöhen?

 

e)      Enthält das Programm gemäß § 9 a IG-L des Stmk. Landeshauptmanns Maßnahmen, mit denen dieser zusätzliche Beitrag ausreichend kompensiert würde, so dass in einem realistischen Szenario langfristig keine weiteren Grenzwertüberschreitungen anzunehmen sind? Wenn ja, welche Tätigkeiten (Verkehr, Anlagen, Hausbrand etc)im Detail  würden dadurch beschränkt werden

 

f)       Inwiefern stünde eine Genehmigung der Wiederinbetriebnahme des Kohlekraftwerks im Einklang mit Art 12 bzw Art 13 der Luftqualitäts-RL?


 

4.      a)      Welcher Instanzenzug ist im gegenständlichen Verfahren gegeben?

 

b)      Was werden Sie unternehmen, um einen gesetzeskonformen Vollzug des EG-K durch die Unterbehörde sicherzustellen?