4243/J XXIV. GP
Eingelangt am 14.01.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Johann Maier
und Genossinnen
an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend
betreffend „ACTA: Anti-Counterfeiting Trade Agreement - Beratungsverlauf und
Verhandlungsstand“
Der Anfragesteller hat bereits in der XXIII.GP mehrere parlamentarische Anfragen an verschiedene Ministerien zu ACTA (Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums) und zur Verhandlungsführung durch die Europäische Kommission gestellt, die unterschiedlich beantwortet wurden, aber doch informativ waren.
In der AB 4617/XXIII.GP vom 25.08.2008 teilte der damalige Bundesminister für Finanzen u.a. folgendes mit:
„Die substantiellen Vorbereitungsarbeiten zur Aufnahme von Verhandlungen über ein plurilaterales „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ erfolgten im Rahmen der Ratsarbeitsgruppe gemäß Artikel 133 sowie in der Ratsarbeitsgruppe Geistiges Eigentum.
Die innerösterreichische Koordinierung für diese beiden Ratsarbeitsgruppen fällt in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit beziehungsweise des Bundesministeriums für Justiz. Das Mandat für die Europäische Kommission wurde schließlich am 7. April 2008 als A-Punkt vom Rat für allgemeine Angelegenheiten und auswärtige Beziehungen, in welchem Österreich durch die Frau Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten vertreten ist, angenommen“
In der AB 4583/XXIII.GP vom 24.10.2008 teilte die damalige Bundesministerin für Justiz u.a. folgendes mit:
„ Für den Entwurf eines multilateralen Handelsübereinkommens zur Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie - „Anti-Counterfeiting Trade Agreement" (ACTA) ist in Österreich das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit führend zuständig. Inhaltlich handelt es sich insofern um eine Querschnittsmaterie, als Maßnahmen im Bereich des Rechts des gewerblichen Rechtsschutzes (zuständig: Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit), des Urheberrechts, des Zivilprozessrechts und des Strafrechts (zuständig: Bundesministerium für Justiz) sowie der Grenzbeschlagnahme rechtsverletzender Importe (zuständig: Bundesministerium für Finanzen) geplant sind.
Das Verhandlungsmandat für die Europäische Kommission wurde im Art. 133-Ausschuss des
Rates behandelt, in dem Österreich durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
vertreten wird.
Aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz sollten in Übereinkommen mit Drittstaaten keine
Verpflichtungen zu strafrechtlichen Maßnahmen vorgesehen werden, die innerhalb der EU
noch nicht akkordiert sind.
Das Bundesministerium für Justiz wird darauf drängen, dass der Vorsitz im Namen der EU
die Verhandlungen führt und zunächst die Ratsarbeitsgruppe Materielles Strafrecht befasst
wird, soweit in Übereinkommen strafrechtliche Inhalte vorgesehen sind“.
In der AB 4882/XXIII.GP vom 24.10.2008 teilte der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit u.a. folgendes mit:
„ Der Entwurf des Mandates wurde im Rahmen des EU-Ausschusses nach Art. 133 EGl beraten, und daher erfolgte die interministerielle Abstimmung im Rahmen der dafür üblichen Koordination, in die neben allen betroffenen Ministerien auch die Interessensvertretungen eingebunden sind. Das Parlament wird regelmäßig über die Beratungen im Rahmen des Ausschusses nach Art. 133 durch die Übermittlung der Tagungsberichte informiert. Die im Rahmen der Koordinierung der österreichischen Haltung für den Ausschuss nach Art. 133 erarbeiteten Positionen wurden jeweils in Brüssel in die Diskussionen eingebracht und sind in die Formulierung des Mandates eingeflossen "
Die EU-Kommission hatte Ende 2009 offenbar einige Bedenken hinsichtlich der Entwicklung von Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA). In einem internen Analysepapier der Kommission weist Brüssel auf mögliche Konflikte des unter Federführung der USA verhandelten Abkommens mit geltendem EU-Recht hin. Die Kommission wies daraufhin, dass die in ACTA vorgesehenen Regelungen teils über bestehende internationale Abkommen im Rahmen der WIPO hinausgehen. Die Verhandlungsführer von ACTA sind sich aber nach Presseberichten einig, dass umkämpfte Anti-Piraterie Abkommen 2010 so früh wie möglich zu verabschieden.
Die Verhandlungen finden weiter hinter verschlossenen Türen statt, Unterlagen und Ergebnisse werden unter Verschluß gehalten. Kritiker und Nichtregierungsorganisationen befürchten, dass dieses Abkommen geheim d.h. ohne entsprechende Debatte im der EU abgeschlossen wird.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend nachstehende
Anfrage:
1. Warum hat Österreich auf EU-Ebene überhaupt für das Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission für die Verhandlungen eines „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ an denen die USA, Australien, Japan, Kanada, Korea, Schweiz und andere Staaten beteiligt sind, gestimmt?
Was waren die konkreten Gründe dafür?
2. Wann soll dieses globale Abkommen nach Kenntnis des Ressorts nun tatsächlich abgeschlossen werden?
Wie sieht der Zeitplan aus?
3. Wer kann auf europäischer Ebene nun nach dem Lissabonner Vertrag für die EU-Mitgliedsstaaten dieses Abkommen abschließen?
Ist es der Art. 133 Ausschuss des Rates?
Wenn nein, wer dann?
Ist eine Ratifikation auch seitens der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten weiterhin
erforderlich?
4. Wie wird sichergestellt, dass dieses internationale Abkommen nicht geheim - ohne Befassung europäischer und nationaler Organe - abgeschlossen wird?
5. In welcher Form und in welchem Umfang wurde ihr Ressort bzw. die österreichische Bundesregierung bislang über die Verhandlungsergebnisse informiert?
6. In welcher Form ist Österreich bei diesen Verhandlungen bzw. in den Verhandlungsverlauf konkret eingebunden?
An wie vielen und welchen Verhandlungsrunden war Österreich als Beobachter direkt beteiligt? Welche Positionen hat Österreich direkt oder indirekt eingebracht?
7. Welche Vorschläge bzw. Entwurfsteile für dieses Abkommen liegen bereits dem Ressort vor?
Welche Positionen nimmt zu diesen Vorschlägen ihr Ressort bzw. die österreichische Bundesregierung ein (Ersuche um konkrete Darstellung)?
8. In welcher Form und in welchem Umfang wurde bislang das österreichische Parlament über diese Verhandlungen unterrichtet?
9. Welche Haltung wird ihr Ressort bzw. Österreich einnehmen, wenn sich Regelungen in diesem geplanten Abkommen (z.B. Urheberrecht) nicht an bestehende EU-Vorschriften orientieren?
10. Wie wird seitens der Europäischen Kommission und der Verhandlerstaaten sichergestellt, dass Bestimmungen in ACTA nicht über das geltende EU-Recht hinaus gehen?
11. Durch welche konkreten Maßnahmen sollen mit diesem Abkommen Marken- und Produktpiraterie sowie Urheberrechtsverletzungen eingedämmt werden?
Welche Vorschläge bzw. Entwurfsteile liegen dem Ressort bzw. der EU-Kommission dazu vor?
12. In welcher Form soll nach diesem geplanten Abkommen die strafrechtliche Verfolgung von Schutzrechtsverletzungen erleichtert werden?
Welche Vorschläge bzw. Entwurfsteile liegen dazu dem Ressort bzw. der EU-Kommission vor?
13. Ist es richtig, dass besondere Maßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet (Three-Strikes-Regelung) in diesem Abkommen geplant sind?
Oder ist es richtig, dass ACTA eine „abgestufte Erwiderung“ gegen Copyright-Verstöße im Netz vorsieht und ein Urheberrecht nach US-Vorbild geplant ist?
14. Ist es richtig, dass in Verhandlungsunterlagen neben zivilrechtlichen Bestimmungen zur Rechtedurchsetzung etwa für den Schutz technischer Kopierblockaden oder von Systemen zum digitalen Rechtemanagement (DRM) auch strafrechtliche Sanktionen vorgesehen sind?
15. Ist es richtig, dass ACTA eine Ausweitung der Haftbarkeit Dritter bei Urheberrechtsverletzungen sowie die Einschränkung des Haftungsprivilegs für Provider anstrebt?
Welche Unterlagen oder Kenntnisse liegen dem Ressort bzw. der EU-Kommission dazu vor?
16. Ist es richtig, dass zumindest nach einem Entwurf dieses Abkommens künftig Zollbeamte die Inhalte der von Reisenden mitgeführten Medienträger kontrollieren und auf mögliche Rechtsverletzungen überprüfen können?
Welche Entwürfe liegen dazu dem Ressort bzw. der EU-Kommission vor?
17. Welche Maßnahmen werden im Abkommen vorgeschlagen, um effektiv gegen gefälschte Waren vorgehen zu können (z.B. Arzneimittel), die als unsicher bzw. gefährlich im Sinne der Produktsicherheitsrichtlinie zu qualifizieren sind?
Welche Entwürfe liegen dazu dem Ressort bzw. der EU-Kommission vor?
18. Warum werden diese Verhandlungen noch immer geheim hinter verschlossenen Türen geführt und warum werden Entwicklungsstaaten weiterhin von der Teilnahme an diesen Verhandlungen ausgeschlossen?
19. An wie vielen und welchen Informationsveranstaltungen der Europäischen Kommission zu ACTA haben Vertreter des Ressorts teilgenommen?
20. Ist es richtig, dass dem EU-Parlament der Zugang zu den Verhandlungsdokumenten verwehrt worden ist, während die US-amerikanische Industrie nach Unterschrift von Vertraulichkeitsklauseln vollständigen Zugriff erhalten hat?
Wenn ja, wie wird dies seitens Österreich beurteilt?
21. Ist dem Ressort das zit. interne Analysepapier der EU-Kommission zu ACTA bekannt? Wenn ja, was ist Inhalt dieses Dokuments?
22. Halten Sie derartige Verhandlungsmandate für die EU-Kommission für weiter sinnvoll, nachdem dabei das Europäische Parlament sowie auch die nationalen Parlamente und die europäische Zivilgesellschaft - nicht jedoch die Industrie - von Beteiligung, Mitwirkung und Informationen weitgehend ausgeschlossen sind?