4249/J XXIV. GP
Eingelangt am 19.01.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Johann Maier
und Genossinnen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend „ACTA: Anti-Counterfeiting Trade Agreement – Verhandlungsstand“
Der
Anfragesteller hat bereits in der XXIII.GP mehrere parlamentarische Anfragen an
verschiedene
Ministerien zu ACTA und zur Verhandlungsführung durch die Europäische
Kommission
gestellt, die unterschiedlich aber doch sehr informativ beantwortet wurden.
In der AB
4617/XXIII.GP vom 25.08.2008 teilte der damalige Bundesminister für
Finanzen u.a. folgendes mit:
„Die
substantiellen Vorbereitungsarbeiten zur Aufnahme von Verhandlungen über
ein
plurilaterales
„Anti-Counterfeiting Trade Agreement" erfolgten im Rahmen der
Ratsarbeitsgruppe gemäß Artikel
133 sowie in der Ratsarbeitsgruppe Geistiges Eigentum.
Die innerösterreichische
Koordinierung für diese beiden Ratsarbeitsgruppen fällt in die
Zuständigkeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit
beziehungsweise des
Bundesministeriums für Justiz. Das Mandat für die Europäische
Kommission wurde
schließlich am 7. April 2008 als A-Punkt vom Rat für
allgemeine Angelegenheiten und
auswärtige Beziehungen, in welchem
Österreich durch die Frau Bundesministerin für
europäische und internationale Angelegenheiten vertreten ist, angenommen
"
In der AB
4583/XXIII.GP vom 24.10.2008 teilte die damalige Bundesministerin für
Justiz u.a.
folgendes mit:
„Für
den Entwurf eines multilateralen Handelsübereinkommens zur Bekämpfung
der
Produkt- und
Markenpiraterie - „Anti-Counterfeiting Trade Agreement" (ACTA) ist
in
Österreich das Bundesministerium
für Wirtschaft und Arbeit führend zuständig. Inhaltlich
handelt es sich insofern um eine Querschnittsmaterie, als Maßnahmen im
Bereich des Rechts
des gewerblichen Rechtsschutzes (zuständig: Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit),
des Urheberrechts, des
Zivilprozessrechts und des Strafrechts (zuständig: Bundesministerium
für Justiz) sowie der Grenzbeschlagnahme rechtsverletzender Importe
(zuständig:
Bundesministerium für Finanzen)
geplant sind.
Das Verhandlungsmandat für die Europäische Kommission wurde im
Art. 133-Ausschuss des
Rates behandelt,
in dem Österreich durch das Bundesministerium für Wirtschaft und
Arbeit
vertreten wird.
Aus Sicht
des Bundesministeriums für Justiz sollten in Übereinkommen mit
Drittstaaten keine
Verpflichtungen zu strafrechtlichen Maßnahmen vorgesehen werden, die
innerhalb der EU
noch nicht akkordiert sind.
Das Bundesministerium für Justiz wird darauf drängen,
dass der Vorsitz im Namen der EU
die Verhandlungen führt und zunächst die Ratsarbeitsgruppe
Materielles Strafrecht befasst
wird, soweit in Übereinkommen strafrechtliche Inhalte vorgesehen
sind".
In der AB
4882/XXIII.GP vom 24.10.2008 teilte der Bundesminister für Wirtschaft und
Arbeit u.a. folgendes mit:
„
Der Entwurf des Mandates wurde im Rahmen des EU-Ausschusses nach Art. 133
EGl
beraten, und daher erfolgte die interministerielle Abstimmung im Rahmen der
dafür üblichen
Koordination, in die neben allen betroffenen Ministerien auch die
Interessensvertretungen
eingebunden sind. Das Parlament wird regelmäßig über die
Beratungen im Rahmen des
Ausschusses nach Art. 133 durch die Übermittlung der Tagungsberichte
informiert. Die im
Rahmen der Koordinierung der österreichischen Haltung für den
Ausschuss nach Art. 133
erarbeiteten Positionen wurden jeweils in Brüssel in die
Diskussionen eingebracht und sind in
die Formulierung des Mandates eingeflossen "
Die
EU-Kommission hatte Ende 2009 offenbar einige Bedenken hinsichtlich der
Entwicklung
von
Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA). In einem internen Analysepapier der
Kommission weist Brüssel auf mögliche Konflikte des unter
Federführung der USA
verhandelten Abkommens mit geltendem EU-Recht hin. Die Kommission wies
daraufhin,
dass
die in ACTA vorgesehenen Regelungen teils über bestehende internationale
Abkommen
im
Rahmen der WIPO hinausgehen. Die Verhandlungsführer von ACTA sind sich
nach
Presseberichten einig, dass umkämpfte Anti-Piraterie Abkommen 2010 so
früh wie möglich
zu verabschieden.
Die
unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für
Justiz
nachstehende
Anfrage:
1. Warum hat Österreich überhaupt für
das Verhandlungsmandat der Europäischen
Kommission für die Verhandlungen
eines „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ an
den USA, Japan, Kanada, Korea und
andere Staaten beteiligt sind, gestimmt?
Was waren die konkreten Gründe dafür?
2. Wann soll dieses globale Abkommen aus Sicht des
Ressorts nun tatsächlich
abgeschlossen werden?
Wie sieht der Zeitplan aus?
3. Wer kann auf europäischer Ebene nach dem
Lissabonner Vertrag für die
Mitgliedsstaaten dieses Abkommen
abschließen?
Ist es der Art. 133 Ausschuss des Rates?
Wenn nein, wer dann?
Ist eine Ratifikation auch seitens der EU-Mitgliedsstaaten erforderlich?
4. In welcher Form ist Österreich bei diesen
Verhandlungen bzw. in den
Verhandlungsverlauf konkret
eingebunden?
An wie vielen und welchen Verhandlungsrunden war Österreich direkt beteiligt?
5.
Welche Vorschläge bzw. Entwurfsteile für dieses Abkommen
liegen dem Ressort vor?
Welche Positionen nimmt zu diesen Entwürfen ihr Ressort bzw. die
österreichische
Bundesregierung
ein (Ersuche um konkrete Darstellung)?
6.
Welche Haltung wird ihr Ressort bzw. Österreich einnehmen, wenn
sich Regelungen
in
diesem geplanten Abkommen (z.B. Urheberrecht) nicht an bereits bestehende
EU-Vorschriften orientieren?
7.
Wie wird seitens der Europäischen Kommission und der
Verhandlerstaaten
sichergestellt,
dass Bestimmungen in ACTA nicht über das geltende EU-Recht hinaus
gehen?
8.
Durch welche konkreten Maßnahmen sollen mit diesem Abkommen
Marken- und
Produktpiraterie
sowie Urheberrechtsverletzungen eingedämmt werden?
Welche
Vorschläge bzw. Entwurfsteile liegen dem Ressort bzw. der
Europäischen
Kommission
dazu vor?
9.
In welcher Form soll nach diesem geplanten Abkommen die strafrechtliche
Verfolgung
von
Schutzrechtsverletzungen erleichtert werden?
Welche
Vorschläge bzw. Entwurfsteile liegen dazu dem Ressort bzw. der
Europäischen
Kommission vor?
10. Ist es richtig, dass besondere Maßnahmen gegen
Urheberrechtsverletzungen im Internet
- so beispielsweise das französische Modell - in diesem Abkommen
geplant sind?
Oder ist es richtig, dass ACTA eine
„abgestufte Erwiderung“ gegen Copyright-
Verstöße im Netz vorsieht und ein Urheberrecht nach US-Vorbild
geplant ist?
11.
Ist es richtig, dass in den Verhandlungsunterlagen neben
zivilrechtlichen
Bestimmungen zur Rechtedurchsetzung etwa für den Schutz technischer
Kopierblockaden
oder von Systemen zum digitalen Rechtemanagement (DRM) auch
strafrechtliche
Sanktionen vorgesehen sind?
12.
Ist es richtig, dass ACTA eine Ausweitung der Haftbarkeit Dritter bei
Urheberrechtsverletzungen
sowie die Einschränkung des Haftungsprivilegs für
Provider
anstrebt?
Welche Unterlagen oder Kenntnisse liegen dem Ressort dazu vor?
13. Ist es richtig, dass zumindest nach einem Entwurf dieses Abkommens
künftig
Zollbeamte die Inhalte der von
Reisenden mitgeführten Medienträger kontrollieren und
auf mögliche Rechtsverletzungen
überprüfen können?
Welche Entwürfe liegen dazu dem Ressort bzw. der Europäischen Kommission vor?
14.
Welche Maßnahmen werden im Abkommen vorgeschlagen, um effektiv
gegen
gefälschte Waren vorgehen zu können (z.B. Arzneimittel), die als
unsicher bzw.
gefährlich
im Sinne der Produktsicherheitsrichtlinie zu qualifizieren sind?
Welche
Entwürfe liegen dazu dem Ressort bzw. der Europäischen Kommission
vor?
15.
Warum werden diese Verhandlungen noch immer geheim hinter verschlossenen
Türen
geführt
und warum werden Entwicklungsstaaten weiterhin von der Teilnahme an
diesen Verhandlungen ausgeschlossen?
16.
An wie vielen und welchen Informationsveranstaltungen der
Europäischen
Kommission
zu ACTA haben Vertreter des Ressorts teilgenommen?
17.
Ist es richtig, dass dem EU-Parlament der Zugang zu den
Verhandlungsdokumenten
verwehrt worden ist, während die US-amerikanische Industrie nach
Unterschrift von
Vertraulichkeitsklauseln
vollständigen Zugriff erhalten hat?
18.
Ist dem Ressort das interne Analysepapier der EU-Kommission zu ACTA
bekannt?
Wenn
ja, was ist Inhalt dieses Dokuments?
19.
In welcher Form und in welchem Umfang wurde bislang das Parlament
über diese
Verhandlungen
unterrichtet?
20. Halten Sie derartige Verhandlungsmandate für die EU-Kommission für weiter
sinnvoll,
nachdem dabei das Europäische Parlament sowie die nationalen Parlamente
und die
europäische Zivilgesellschaft - nicht jedoch die Industrie von
Beteiligung,
Mitwirkung und Informationen weitgehend
ausgeschlossen sind?