4252/J XXIV. GP

Eingelangt am 19.01.2010
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ANFRAGE

 

 

 

 

der Abgeordneten Brunner, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung

 

betreffend Lawinenexperiment mit Schweinen

 

 

Am Donnerstag, den 14.01.2010 wurde auf http://tirol.orf.at/stories/415897/ über ein grausames Lawinenexperiment mit Schweinen im Ötztal berichtet. Dabei sollten 29 Schweine lebendig in den Schneemassen einer simulierten Lawine vergraben werden und dabei ums Leben kommen. Das Experiment, das unter der Federführung der Universitätsklinik für Anästhesie in Innsbruck stattfindet, wurde angeblich genehmigt und sollte 14 Tage andauern. Pro Tag sollten zwei bis drei Schweine verwendet werden. Die Schweine sollen angeblich narkotisiert, an Geräte angeschlossen, in den Schnee gelegt und begraben werden. Je nach Größe der Atemhöhle verfolgen die ForscherInnen über Minuten bis Stunden das Sterben der Tiere. Andere Tiere sollten bis zum Kopf eingegraben werden und erfrieren.

 

Das Experiment hat unmittelbar nach Bekanntwerden Wellen der Empörung ausgelöst. PolitikerInnen, TierschützerInnen, Tourismusvereine und Privatpersonen distanzierten sich davon. Daraufhin wurde das Projekt abgebrochen, 10 Schweine waren jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits zu Tode gebracht. Das Zentrum für Notfallmedizin Bozen und die Universitätsklinik für Anästhesie in Innsbruck, unter deren Federführung das Experiment durchgeführt wird, beharren jedoch auf einer Fortsetzung dieses grausamen Experiments. http://tirol.orf.at/stories/416068/

 

Tierversuche – insbesondere an so hoch entwickelten Tieren wie Schweinen – können aus ethischer Sicht nicht ohne weiteres gerechtfertigt werden. ForscherInnen sind nicht nur verpflichtet, vorrangig Alternativmethoden zum Tierversuch anzuwenden, sondern müssen sich auch mit der Frage auseinandersetzen, ob die zu erwartenden Forschungsergebnisse die angewendeten Versuche rechtfertigen. Ein Tierversuch darf nur dann genehmigt werden, wenn er u.a. unerlässlich und ethisch vertretbar ist. Es stellt sich daher bei den beschriebenen Experimenten nicht nur die Frage nach der Sinnhaftigkeit, sondern auch die dringende Frage, ob die Genehmigungsbehörde die Unverzichtbarkeit und die ethische Dimension der Versuche unter hinreichender Berücksichtigung der Interessen des Tierschutzes geprüft hat. Auch hinsichtlich Transparenz wird zu klären sein, warum das Projekt so lange geheim gehalten wurde.


 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

 

1.      Wann und von wem wurde der Antrag für dieses Experiment eingebracht? Wer leitete die Tierexperimente?

 

2.      Wann und von welcher Behörde wurde der Tierversuchsantrag genehmigt?

 

3.      Im Falle der Genehmigung durch den BMWF: Hat die Kommission gem. § 12 Tierversuchsgesetz (TVG) dem BMWF durch eine gutachterliche Stellungnahme empfohlen, die Genehmigung für diesen Tierversuch zu erteilen oder den Antrag abzuweisen? War das ein einstimmiger Beschluss der Kommission?

 

4.       Wurde im Rahmen des Genehmigungsverfahrens die ethische Vertretbarkeit des Tierversuches geprüft? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie wird die Genehmigung dieses Versuchs ethisch gerechtfertigt?

 

5.       Wenn Sie den Versuch für ethisch gerechtfertigt halten, wie ist es zu erklären, dass seine Durchführung geheim gehalten wurde, bis der Vorfall von der Bergrettung aufgedeckt wurde?

 

6.       Wie erklären Sie sich, dass sich die Bergrettung, die täglich mit der Bergung von Lawinenopfern befasst ist, von dem Versuch distanziert und darin keinen Nutzen für ihre Arbeit erkennen kann?

 

7.      Wann wurde der Antrag von der Kommission gem. § 12 TVG behandelt? Gibt es über diese Sitzung ein Protokoll?

 

8.      Wurde dokumentiert, warum dieser Tierversuch genehmigt wurde? Wenn nein, warum, nicht? Wenn ja, wie lautet die Begründung?

 

9.      Gehört der Kommission gem. § 12 TVG auch ein Vertreter des Tierschutzes an? Wenn ja, wer? Wenn nein, warum nicht?

 

10.  Was waren die Versuchsbedingungen (Versuchsdauer, Art und Anzahl der Versuchstiere, Behandlungen, Eingriffe etc.)?

 

11.  Zur Betäubung der Tiere:

a.          Wurden die Tiere voll anästhesiert oder lediglich sediert?

b.          Durch welche konkreten Maßnahmen wurde eine vollständige und ausreichende Betäubung der Tiere sichergestellt?

c.          Welche Mittel wurden hierfür eingesetzt?

d.          Wie ist es unter den geschilderten Bedingungen möglich, die Narkosetiefe und –dauer zu überwachen und erforderlichenfalls anzupassen?

e.          Welche konkreten Maßnahmen wurden sonst ergriffen, um eine vollständige und zeitlich ausreichende Bewusstseins- und Schmerzausschaltung sicherzustellen?

 

12.  War die Genehmigung mit Auflagen verbunden? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, mit welchen?


 

13.  Das Experiment führt vor, wie lange es dauert, bis die Tiere unter bestimmten Umständen unter einer simulierten Lawine zu Tode kommen. Inwiefern ist dieses Experiment für Lawinenopfer von Nutzen?

 

14.  Wie wird begründet, dass das Versuchsziel nicht durch andere Methoden und Verfahren (Ersatzmethoden) erreicht werden kann?

 

15.  Der Versuch wurde zwar abgebrochen, die Betreiber beharren jedoch auf seiner Fortsetzung. Werden Sie sicherstellen, dass dieses Projekt ein für allemal gestoppt wird? Wenn nein, wie begründen Sie das?

 

16.  Gibt es in den Rechtsgrundlagen der Kommission gem. § 12 TVG  Unvereinbarkeitsbestimmungen, die sicherstellen, dass Vertreter der Antrag stellenden Institution nicht gleichzeitig eine Empfehlung für die Genehmigung des Antrags abgeben können? Wenn nein, warum nicht?

 

17. Wer ist derzeit Vorsitzender der Kommission gem. § 12 TVG. Wer ist sein Stellvertreter?

 

18. Der Rechnungshof hat im Jahr 2006 empfohlen, die Organisation und die Verfahrensabläufe der § 12-Kommission (Zusammensetzung, Meinungsbildung, Fristen für die Vorlage der Gutachten, Unvereinbarkeitsbestimmungen etc.) schriftlich festzulegen – also eine verbindliche Geschäftsordnung zu schaffen. Gibt es eine solche Geschäftsordnung bereits? Wenn ja, wird ersucht, diese zur Verfügung zu stellen bzw. mitzuteilen, wo sie abgerufen werden kann? Wenn nein, warum wurde den Empfehlungen des Rechnungshofes nicht Folge geleistet?

 

19.  Aus welchen Mitteln, von wem und in welcher Höhe wurde das genannte Projekt finanziert?

 

20.  Nach dem Abbruch des Experiments boten Tierschutzorganisationen an, die Tiere auf Gnadenhöfen unterzubringen. Was passierte mit jenen 19 Schweinen, die nicht dem Experiment zum Opfer fielen?