4452/J XXIV. GP

Eingelangt am 03.02.2010
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Öllinger, Glawischnig, Musiol, Steinhauser, Zinggl, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Inneres

 

betreffend die Zurückweisung einer Versammlungsanzeige der Angeordneten Musiol, Öllinger, Steinhauser, Walser und Zinggl durch die BPD Wien am 29. Jänner 2010

 

Am 28. Jänner 2010 meldeten fünf Abgeordnete des Grünen Klubs im Parlament eine Demonstration an, die vom Christian-Broda-Platz über die Mariahilfer Straße und die so genannte Zweierlinie zum Sigmund-Freud-Park führen sollte. Die angemeldete Route war auf Grund folgender Überlegungen gewählt worden:

 

1. Sie sollte die Bannmeile um das Parlament nicht verletzen.

2. Sie sollte nicht das von der Polizei festgelegte Sperrgebiet im Zuge der rechtsextremistischen Veranstaltung berühren.

3. Sie sollte nicht durch kleine Gassen führen oder an Treffpunkten rechtsextremistischer Organisationen vorbeigeführt werden.

 

In der Vergangenheit sind in mehreren Fällen an Sitzungstagen Demonstrationen auf der so genannten Zweierlinie angemeldet und durchgeführt worden, ohne dass diese untersagt oder aufgelöst worden wären. So fand etwa am 5. Dezember 2000 während einer Sitzung des Nationalrats sogar eine Menschenkette des ÖGB um das Parlament statt.

 

In der Fernsehsendung report vom 26. Jänner 2010 erläutert der ehemalige ÖVP-Klubobmann und spätere Nationalratspräsident zum Umgang der damaligen Regierung mit dem Demonstrationsrecht: „Wir haben uns ganz bewusst nicht provozieren lassen. Die Falle war ja breit aufgestellt: Wenn wir die Mittel des Rechtsstaates eingesetzt hätten, Bannmeile zum Beispiel, Demonstrationsverbot rund ums Parlament inklusive  - ein Kilometer wäre es möglich, ja. Haben wir alles nicht gemacht. Warum? Weil ja gerade diese Demonstranten die Illiberalität und den Zwangscharakter dieser Regierung darstellen wollten. Und wir wollten in diese Falle nicht hineintappen durch Polizeimaßnahmen, die möglich gewesen wären.“

 

NR-Präs. a.D. Khol macht damit deutlich, dass es einen erheblichen Interpretationsspielraum betreffend Bannmeile um das Parlament gibt.

 

Jedenfalls war es über Jahre hinweg üblich, die Bannmeile um das Parlament von der Statue der Pallas Athene aus zu messen. Auf diese jahrelange Praxis vertrauend wurde der Polizei ein Routenvorschlag übermittelt. In der Anmeldung war die Telefonnummer eines der Anmelder angeführt.

 

Nachdem bis 14 Uhr am folgenden Tag, dem Tag der angemeldeten Demonstration, seitens der Behörde kein einziger Schritt gesetzt wurde, um mit den AnmelderInnen in Kontakt zu treten, erkundigte sich der Klubgeschäftsführer des Grünen Klubs im Parlament bei der Polizei, ob die Anmeldung auch registriert worden sei. Er erhielt die Auskunft, dass die Anmeldung registriert worden sei, die Demonstration jedoch wegen Verletzung der Bannmeile untersagt werde.

 

Ein unmittelbar nach dem Gespräch per Fax der Polizei gesandter alternativer Routenvorschlag, der selbst bei exzessivster Interpretation jedenfalls vollständig außerhalb des 300m-Bereichs um das Parlament lag, wurde nicht beantwortet. Stattdessen wurde dem Grünen Klub im Parlament per Fax ein Zurückweisungsbescheid zugesandt, der sich auf eine zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Routenanmeldung  bezog.

 

Es gab auch keinen weiteren Versuch der Behörde, mit den AnmelderInnen Kontakt aufzunehmen.

 

Befremdlich ist dies jedenfalls, da die Behörde verpflichtet ist, einem Einbringer einer Anzeige die Möglichkeit zu bieten, etwaige Mängel zu beheben. Die Behörde hatte nicht nur die Telefonnummer eines der Anmelder, sondern wusste auch genau, wo sich die AnmelderInnen aufhielten, da die Tatsache, dass an diesem Tag eine Sitzung des Nationalrats stattfindet und dass die AnmelderInnen Abgeordnete zum selben sind, im Untersagungsbescheid der Behörde angeführt sind.

 

Befremdlich ist überdies, dass seitens der Behördenvertreter im Zuge vorangegangener Besprechungen betreffend andere Kundgebungen, die für den 29. Jänner angemeldet worden waren, gegenüber den AnmelderInnen der Veranstaltungen eindeutig zum Ausdruck gebracht wurde, dass an diesem Tag überhaupt keine Demonstration stattfinden dürfe. Dies sei eine Anweisung von oben. Ebenso äußerten sich am 29. Jänner 2010 nach 17 Uhr vor Ort befindliche Behördenvertreter, in dem sie etwa sagten, die Anweisung sei „jedenfalls nicht auf Referats- oder Abteilungsebene“ erfolgt.

 

Für die AnfragestellerInnen ergibt sich nunmehr folgendes Bild:

 

Es gab eine von einer noch unbekannten Person ausgehende Anweisung, dass am 29. Jänner 2010 jedenfalls keine von AntifaschistInnnen angemeldete Demonstration stattfinden dürfe.

Die Behörde hat mutwillig, bewusst und geplant trotz vorhandener Telefonnummer und bekannten Aufenthaltsort der AnmelderInnen jede Kontaktaufnahme mit den AnmelderInnen vermieden, um diesen nicht die Möglichkeit zu bieten, die Route abzuändern.

Das dennoch eingegangene Angebot auf Routenänderung wurde einfach ignoriert.

Auf diese Weise wurde einzig und allein von der Behörde konstruierte rechtliche Situation geschaffen, in der die Polizei in den Abendstunden des 29. Jänners 2010 über 600 Menschen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, ohne Zugang zu Toilleten, ohne Möglichkeit der Verpflegung, ohne medizinische Betreuung und ohne substantielle Information für bis zu vier Stunden internieren konnte.

 

 

 

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1. Warum nahm die Behörde mit den AnmelderInnen keinen Kontakt auf, um die nach Ansicht der Behörde die Bannmeile verletzende Routenwahl abzuändern, obwohl sie sowohl eine persönliche Telefonnummer der AnmelderInnen hatte wie auch deren Aufenthaltsort kannte?

 

2. Wer hat die Entscheidung getroffen, mit den AnmelderInnen keinen Kontakt aufzunehmen?

 

3. Warum verletzte die im Anfragentext erwähnte Menschenkette um das Parlament vom 5. Dezember 2000 die Bannmeile nicht, die etwa 200m entfernt angemeldete Demonstrationsroute vom 29. Jänner 2010 aber schon?

 

4. Wie viele Demonstrationen fanden, beginnend mit dem Jahr 2000, an Sitzungstagen auf der Route oder Teilen der Route Museumstraße, Auerspergstraße und Landesgerichtsstraße statt? Bitte führen Sie die Demonstrationen, Kundgebungen und/oder Versammlung nach Datum, Uhrzeit und Versammlungsziel an.

 

5. Wer hat die Anweisung erteilt, nach der am 29. Jänner 2010 jedenfalls keine Demonstration gegen den WKR-Ball zu ermöglichen sei (oder eine, dem Ergebnis nach gleichartige Anweisung)?

 

6. Erfolgte diese Anweisung (oder die, dem Ergebnis nach gleichartige Anweisung) schriftlich oder mündlich?

 

7. Welchen Wortlaut hatte diese (oder die, dem Ergebnis nach gleichartige) Anweisung?

 

8. Gab es in der Behörde – abgesehen von einer möglichen „Anweisung“ – Besprechungen oder Gespräche unter leitenden BeamtInnen, bei denen vereinbart oder zum Ausdruck gebracht wurde, dass eine etwaige Demonstration gegen den WKR-Ball unter allen Umständen zu untersagen sei?

 

9. Warum ignorierte die Behörde den Faxvorschlag einer Routenänderung von 14:38, obwohl diese Route jedenfalls vollständig außerhalb der Bannmeile gelegen ist?

 

10. Wie viele Demonstrationsanmeldungen wurden in den Jahren 2007, 2008 und 2009 bzw. 2010 per Bescheid zurückgewiesen?

 

11. Wie ist eine Zurückweisung zu rechtfertigen, wenn die Behörde den AnmelderInnen nicht einmal die vom Gesetz verlangte Verbesserungsmöglichkeit einräumte?

 

12. Ist es so, dass die Behörde einzig mit dem Ziel agierte, eine Demonstration gegen den Ball des rechtsextremistischen WKR zu verhindern und dazu bereit war, nötigenfalls Grundrechte zu verletzen?

 

13. Wenn Frage 12 mit Nein beantwortet wird: Bitte skizzieren Sie, wo am 29. Jänner 2009 eine Demonstration gegen den WKR-Ball möglich gewesen wäre und warum die Behörde die AnmelderInnen nicht auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.