4468/J XXIV. GP

Eingelangt am 04.02.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

der Abgeordneten Dr. Hannes Jarolim und GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz, Mag. Claudia Bandion-Ortner

betreffend

„Unhaltbare Vorgänge im LKH bzw. HNO-Klinik Innsbruck"

Das Profil vom 14.12.2009 schrieb:

„Im Operationssaal der HNO-Klinik spielten sich gespenstische Szenen ab. Diese beschäftigen inzwischen Gutachter und Kriminalbeamte. Der Oberarzt Arne W. Scholtz hatte am 25.März 2009 frei. Als er am nächsten Tag seinen Dienst antrat, erfuhr er, dass ihn sein Chef zu einer Tumoroperation eingeteilt hatte. Scholtz kannte den Patienten nicht, er war auch nicht bei den Beratungen des Tumorboards dabei gewesen, jenem Gremium, in dem Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen die Theraphie besprechen. Doch es war sonst niemand da, der sich für den schwierigen Eingriff empfahl.

Um 9:15 Uhr setzte die Oberärztin, die gemeinsam mit ihm operierte, einen Luftröhrenschnitt und begann ihren Teil der Operation. Als Scholtz zwei Stunden später übernahm und in den Mund des Patienten schaute, stellte er fest, dass der Tumor kleiner war als erwartet. Auch die Computertomografie lieferte für ihn keinen Hinweis, dass der Unterkiefer von Krebszellen befallen war. Er zog einen weiteren Kollegen bei. Dieser teilte die Meinung. Das Tumorboard war jedoch von einem tief reichenden Karzinom ausgegangen. Riechelmann [der Leiter der HNO-Klinik] hatte vorgeschlagen, den Unterkiefer des Patienten zu spalten (...)

Scholtz meinte, dem Patienten Qualen ersparen zu können. Er wollte den Tumor mit einem Elektromesser durch den Mund vollständig - und viel schonender - entfernen. Die OP-Hilfe sei losgeschickt worden. Sie sollte Riechelmann rufen, damit der Operateur den geänderten Plan mit ihm besprechen konnte. „In fünf Minuten", ließ er ausrichten. Dann noch einmal: „In fünf Minuten". Die Kollegin, die den Hautlappen für die Transplantation vorbereitete, wurde ungeduldig. Nach zwanzig Minuten begann Scholtz, den Tumor herauszuschneiden. Um 12:35 tauchte Riechelmann auf.

40 Minuten waren laut Neher und Scholtz seit dem ersten Anruf verstrichen. Der Tumor war entfernt, die Blutung gestillt, es fehlten nur noch ein paar Gewebeproben für die histologische Schnelluntersuchung. Danach hätte der Mann auf die Intensivstation gebracht werden können. „Die Operation war eigentlich zu Ende", sagt Oberarzt Neher, der die ganze Zeit dabei war. Was dann geschah, schilderte er so: Der Professor kam herein, sagte nicht viel, er schrie auch nicht. Erst als er am OP-Tisch stand, merkte das Operationsteam, dass er vor Zorn bebte. Neher: „Er hat an den Tüchern herumgerissen, dass der Kopf des Patienten nur so hin- und herwackelte. Ich hatte Angst, dass er die Wirbelsäule verletzt."

Wie es im Mund des Patienten ausschaute, habe Riechelmann nicht interessiert. Er dulde es nicht, dass man sich seinen Anordnungen widersetzte, zischte er. Dann begann er, dem fertig operierten Patienten den Unterkiefer zu spalten. Er befahl der OP-Schwester: „Geben Sie mir den größten Meißel, den wir haben." Damit bearbeitete er den Unterkiefer, der dabei zersplitterte und mit Metallplatten zusammengeflickt werden musste. „Dann entfernte er reichlich gesundes Gewebe. Er ist dabei sehr grob vorgegangen", sagte Neher. Der Professor räumte den Hals von Lymphknoten frei, die, wie sich herausstellte, gar nicht vom Tumor befallen waren. In der Histologie landete ein ungewöhnlich großes Gewebestück, an dem sogar noch Muskelteile hingen. Neher: „So etwas habe ich noch nicht erlebt."

Um 15:30 ging Riechelmann aus dem OP und überließ es Oberarzt Scholtz und seiner Kollegin, den Patienten bis 20:30 Uhr weiterzuversorgen. Der Mann ist heute schwer behindert und kann kaum sprechen."

Über beide beteiligten Oberärzte, Dr. Scholz und Dr. Neher, wurden in der Folge disziplinäre Maßnahmen verhängt, während dies für Prof. Riechelmann nicht zutrifft. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen in dieser Causa aufgenommen, ist nach derzeitigen Informationen aber noch zu keinem abschließenden Ergebnis gelangt.

Abseits dieses konkreten Sachverhaltes wird generell von Verfehlungen durch Prof. Riechelmann berichtet. Eine Liste von insgesamt 28 Komplikationsfällen, von denen zwei sogar zum Tod führten, heißt zwar noch nicht, dass hier konkrete Fehlbehandlungen oder sonstige Versäumnisse vorliegen, jedoch wäre es Anlass genug für eine detailliertere Überprüfung der Umstände an der Universitäts-HNO-Klinik Innsbruck. In diesem Zusammenhang wird in Berichten auch stets auf gewisse Ungereimtheiten in Zusammenhang mit der Bestellung von Prof. Riechelmann hingewiesen (etwa in Hinblick auf seine Vorerfahrung).

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.    Haben Sie Kenntnis von den oben genannten Ereignissen bzw. der Situation an der HNO-Klinik Innsbruck?

a.    Wenn ja: auf Grund welcher Information?

b.   Wenn nein: warum wurde in Medien geäußerten Anschuldigungen solcher Schwere nicht nachgegangen?

2.              Welche Schritte wurden von Ihrer Seite bisher in dieser Sache gesetzt?

3.              Haben Sie Kenntnis von Schritten anderer Aufsichtsorgane in dieser Causa?

a.        Wenn ja: welche Schritte durch wen?

b.       Wenn nein: warum gab es keine Überprüfung?

4.              Zu welchen Ergebnissen kommt die Staatsanwaltschaft Innsbruck und teilen Sie deren Einschätzung?

5.              Welche Schritte würden Sie für angemessen halten, um das negative Bild der Medizinischen Universität Innsbruck sowie des LKH Innsbrucks, das durch die öffentliche Berichterstattung in dieser Causa geschaffen wurde, auszugleichen?

6.              Halten Sie die derzeitige Regelung betreffend der Aufklärungspflicht sowie der Einwilligungserfordernisse bei medizinischen Behandlungen für ausreichend?

7.              Welche Schritte wurden bzw. werden gesetzt, um das System der Fehlerkontrolle der an Universitätskliniken und Landeskrankenhäusern fortlaufend zu verbessern bzw. wie schätzen Sie das derzeitige Rechtsschutzsystem im medizinischen Bereich ein?

8.              Erkennen Sie Handlungsbedarf im Bereich der Patientinnenrechte?

9.              Welches weitere Vorgehen planen Sie in dieser Causa?