4505/J XXIV. GP

Eingelangt am 10.02.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Hannes Jarolim, Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend

Rechtlich unverzichtbare Verfolgung nun erwiesener Korruptionsvorwürfe gegen Alfons Mensdorff-Pouilly durch die österreichischen Behörden“.

Auf Grund einer Einigung des britischen Serious Fraud Office (SFO) sowie des US-Justizministeriums mit dem britischen Rüstungsmittelhersteller BAE Systems am 05.02.2010 werden keine weiteren Ermittlungen gegen Alfons Mensdorff-Pouilly durch die SFO durchgeführt und dieser aus der britischen Haft entlassen. Die SFO hat Wert auf die Feststellung gelegt, dass der Einigung mit BAE Systems jahrelange Recherchen und das Eingeständnis schwerer Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften durch diese Unternehmensgruppe ebenso zugrunde liegen, wie die Einigung über die Zahlung von USD 400.000.000 in Großbritannien und den USA. Auch die enorme Höhe der Strafzahlung zeigt klar auf, dass es sich bei den aufgedeckten Verstößen, derentwegen Alfons Mensdorff-Pouilly in London verhaftet wurde, um schwerkriminelle Bestechungs- und Korruptionshandlungen handelt.

In Fachkreisen ist relativ unumstritten, dass es sich bei einer im angloamerikanischen Rechtssystem möglichen Abstandnahme von kriminalpolizeilichen Erhebungen (,discontinuance’) bei Anerkennung des vorgeworfenen kriminellen Handelns samt Zahlung eines angemessenen Betrages nicht um eine rechtskräftige Aburteilung“ handelt, wie sie Artikel 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) als Voraussetzung für ein Doppelbestrafungsverbot vorsieht. Dieser Umstand wird in der öffentlichen Diskussion in Österreich nur sehr zurückhaltend angesprochen.

Es entsteht der Eindruck, auch namhafte Repräsentanten und Weisungsgeber in der Justiz könnten einer derartigen Unsicherheit anheimgefallen sein, wonach die nun in England nachgewiesenen strafbaren Handlungen des Alfons Mensdorff-Pouilly, derentwegen er in Haft genommen wurde, in Österreich nicht mehr verfolgbar wären.

Dieser Eindruck ist umso fataler, als die gegenständlichen Aktivitäten“ von Herrn Mensdorff-Pouilly - wie auch die Höhe der Bezahlung nahelegt - wesentlichen Netzwerkcharakter“ haben und mit für die gesamte Republik bedeutsamen Vorgängen im Zusammenhang stehen, wie etwa der Beschaffung von Abfangjägern und anderen in jüngster Zeit bekannt gewordenen möglichen Straftaten (BUWOG, Hypo Alpe Adria) betrachtet werden.

Es ist daher von grundlegendem Interesse nicht nur für die derzeitige Bundesregierung, sondern für die Politik insgesamt, Licht in die dubiosen Vorgänge einer an Merkwürdigkeiten und auffallenden Aktivitäten nicht gerade armen Vorzeit zu bringen. Diesem Verlangen soll die gegenständliche Anfrage dienlich sein.

Es darf in diesem Sinne daher auch der an Klarheit kaum zu überbietenden Einschätzung des OECD-Experten Prof. Dr. iur. Mark Pieth, Universitätsprofessor an der Universität von Basel, der die Möglichkeit hatte, in die gegenständlichen Akte einzusehen und von klar nachvollziehbaren Geldflüssen“ sprach, beigetreten werden, wenn er in Aussicht stellte, dass Österreich in der Causa Mensdorff-Pouilly nun die einmalige Chance hat, sich als Vorreiterin im Kampf gegen die Korruption einen weltweiten Namen zu machen.

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher in diesem Sinne an die Bundesministerin für Justiz folgende


Anfrage

1. Wurden durch die Republik Österreich Erklärungen im Sinne des Art 55 SDÜ, die Ausnahmen vom Verbot der Doppelbestrafung des Art 54 SDÜ ermöglichen, abgegeben?

a. Wenn ja, auf welche der in Art 55 SDÜ angeführten Bereiche bezogen sich diese Erklärungen bzw welche Straftaten wurden im Sinne des Art 55 Abs 2 SDÜ deklariert?

2.            Welcher österreichischen Behörde obliegen die Kompetenzen nach Art 57 Abs 3SDÜ?

3.            Wurden die britischen Behörden bereits um Auskünfte gem Art 57 Abs 1 SDÜ gebeten?

a.   Wenn ja, ist eine Antwort bereits eingetroffen bzw wann ist mit einer solchen zu rechnen?

b.   Wenn nein, wann wird dies geschehen?

4.   Sind Ihnen oder der zuständigen Staatsanwaltschaft bereits nähere Details aus der zwischen BAE Systems und den britischen und US-amerikanischen Behörden getroffenen Vereinbarung bekannt?

a.   Wenn ja, um welche Verstöße handelt es sich?

b.   Wenn ja, ist in dieser auch von Verfahren gegen Einzelpersonen wie Alfons Mensdorff-Pouilly die Rede?

c.   Wenn ja, ist in dieser auch von Verfahren gegen andere österreichische StaatsbürgerInnen, insbesondere gegen (ehemalige) österreichische AmtsträgerInnen oder sogar Mitgliedern vormaliger Bundesregierungen die Rede?

d.   Wenn nein, wurde eine Übermittlung der Vereinbarung an die österreichischen Behörden bereits beantragt, wann wird diese voraussichtlich erfolgen bzw wann ist mit einem solchen Antrag durch die österreichischen Behörden zu rechnen?


5.    Haben die britischen Behörden bereits von sich aus oder auf Grund von Anträgen basierend auf einer von Art 57 SDÜ verschiedenen Rechtsgrundlage Informationen übermittelt?

a.   Wenn ja, um welche Art von Informationen handelt es sich?

b.   Wenn ja, welche Verdachtslage ergibt sich aus diesen Informationen, insbesondere welche Straftatbestände ergeben sich daraus und wer sind die Beschuldigten?

c.    Wenn ja, befinden sich unter den in diesen Informationen Beschuldigten österreichische Amtsträger oder sogar Mitglieder vormaliger Bundesregierungen?

6.   Sind Ihnen oder der zuständigen Staatsanwaltschaft bereits nähere Details zur Einstellung des britischen Verfahrens gegen Alfons Mensdorff-Pouilly bzw die Ergebnisse eventueller Vernehmungen von Alfons Mensdorff-Pouilly durch die britischen Behörden bekannt?

a.   Wenn ja, war dies eine Einstellung in der Sache oder lediglich auf Grund von britischen Verfahrensvorschriften?

b.   Wenn ja, von wem wurde die Einstellung beschlossen? War daran ein unabhängiges Gericht beteiligt?

c.    Wenn ja, steht die Einstellung unter irgendwelchen Vorbehalten?

d.   Wenn ja, ergeben die Einvernahmeprotokolle Anlass dazu, das österreichische Verfahren in der Sache oder auf weitere Personen, insbesondere gegen (ehemalige) österreichische AmtsträgerInnen oder sogar Mitgliedern vormaliger Bundesregierungen auszuweiten?

e.   Wenn  nein, wurde eine Übermittlung des Einstellungsbeschlusses oder der Einvernahmeprotokolle an die österreichischen Behörden bereits beantragt, wann wird diese voraussichtlich erfolgen bzw wann ist mit einem  solchen  Antrag  durch  die  österreichischen Behörden zu rechnen?

7.   Ist die Einstellung des britischen Verfahrens gegen Alfons Mensdorff-Pouilly rechtskräftig?

a.   Wenn ja, handelt es sich Ihrer Meinung nach dabei um eine Aburteilung iSd Art 54 SDÜ?


b.   Wenn nein, wurde für den Fall, dass es sich um eine Aburteilung handelt, geprüft, ob den österreichischen Behörden eine Möglichkeit zukommt,  gegen die Einstellung des Verfahrens ein Rechtsmittel einzuwenden?

8.   Sind Sie auf Grund der Ihnen vorliegenden Informationen der Ansicht, dass es sich bei der Einstellung des Verfahrens um eine einem Freispruch gleichzuhaltende Aburteilung oder um eine verurteilende Aburteilung handelt?

a. Wenn ersteres, wie kommen Sie zu diesem Schluss?

b. Wenn zweiteres, halten Sie die Bedingungen des Art 54 SDÜ für Verurteilungen für bereits eingetreten?

9. Ist Ihnen oder der zuständigen Staatsanwaltschaft bekannt, ob das Schuldeingeständnis durch BAE Systems auch Handlungen umfasst, die durch Alfons Mensdorff-Pouilly durchgeführt wurden und BAE Systems zugerechnet werden können?

10. Lässt im umgekehrten Fall das Schuldeingeständnis durch BAE Systems den Schluss zu, dass auch Alfons Mensdorff-Pouilly ein Verschulden zukommt?

11. Haben Sie oder die zuständige Staatsanwaltschaft Kenntnis von anderen Verfahren mit Österreichbezug als jenes gegen Alfons Mensdorff-Pouilly, die auf Grund der Vereinbarung zwischen BAE Systems und den britischen bzw US-amerikanischen Behörden eingestellt wurden?

12.Auf Grund des Verdachts auf welche Straftaten werden gegen Alfons Mensdorff-Pouilly Ermittlungen durch die österreichischen Behörden durchgeführt?

13. Wissen Sie von Verfahren in anderen Staaten neben Österreich, Großbritannien und den USA in der Causa Mensdorff-Pouilly?

a. Wenn ja, welche Form der Zusammenarbeit streben Sie in dieser Sache mit diesen Staaten an?


14.  Inwieweit betreffen die Ermittlungen den Beschaffungsvorgang rund um den Kauf der Eurofighter-Abfangjäger?

15.Wird neben Alfons Mensdorff-Pouilly auch noch gegen andere Personen, insbesondere gegen (ehemalige) österreichische AmtsträgerInnen oder sogar Mitgliedern vormaliger Bundesregierungen in dieser Sache ermittelt?

a.   Wenn ja, gegen wen?

b.   Wenn nein, wie kann im Falle von vollendeter Bestechung nicht gleichzeitig ein Fall von Bestechlichkeit vorliegen?

16. Wie viele Staatsanwälte sind mit den Ermittlungen rund um Alfons Mensdorff-Pouilly und eventuell damit in Zusammenhang stehende Straftaten beschäftigt?

a.   Halten Sie diese Zahl für ausreichend?

b.   Ist geplant, externe Personen zwecks Unterstützung der Staatsanwaltschaft beizuziehen?

c.    Ist auf Grund des internationalen Bezugs der Causa Mensdorff-Pouilly geplant,  internationale  Organisationen in dieser Sache um Hilfestellung zu bitten?

17.    Glauben Sie, dass auf Grund der laufend neuen Enthüllungen und Ungereimtheiten rund um Privatisierungen, Beschaffungen, etc durch einzelne Mitglieder vormaliger Bundesregierungen eine systematische Durchforstung auf strafrechtlich  relevante  Sachverhalte  in all diesen Vorgängen angebracht wäre?

18.    Glauben Sie, dass eine lückenlose Aufklärung der Causa Mensdorff-Pouilly in Österreich garantiert ist?

 

19. Sind Sie der Ansicht, dass dieser Fall auf Grund der damit in Verbindung stehenden  Verdachtsmomente  insbesondere gegen (ehemalige) österreichische AmtsträgerInnen oder sogar Mitglieder vormaliger Bundesregierungen bzw mit diesen in Verbindung stehenden Organisationen eine solche Relevanz aufweist, dass das Herbeiführen eines rechtskräftigen Urteils durch ein österreichisches Gericht im öffentlichen Interesse steht?


20.     Haben Sie oder die zuständige Staatsanwaltschaft Hinweise auf (illegale) Parteienfinanzierung durch mit der Causa Mensdorff-Pouilly in Verbindung stehenden Personen oder Organisationen?

21.Wurde Ihrerseits oder durch die zuständige Staatsanwaltschaft geprüft, ob eventuell eine Verantwortlichkeit von Organisationen, Parteien oder Unternehmen in dieser Causa nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz gegeben sein könnte?

22. Wurden Ihres Wissens nach die Finanztransaktionen des Alfons Mensdorff-Pouilly, seines persönlichen Umfelds und seiner Unternehmen im fraglichen Zeitraum überprüft?

a. Wenn ja, gab es Finanztransaktionen zwischen diesen Personen auf der einen und (ehemaligen) österreichischen AmtsträgerInnen bzw. nahestehenden Organisationen auf der anderen Seite?

23.Wurde überprüft, ob alle Einnahmen aus Geschäften des Alfons Mensdorff-Pouilly, seiner Unternehmen oder seines persönlichen Umfelds mit BAE Systems ordnungsgemäß versteuert wurden?