4597/J XXIV. GP

Eingelangt am 25.02.2010
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Anfrage

 

des Abgeordneten Mayerhofer

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Auswahlverfahren für Richter und Staatsanwälte

 

Die APA0335 vom 15. Jänner 2010 berichtete:

Gericht: Messerstiche auf Scheidungswillige "allgemein begreiflich"

Utl.: Ehefrau lebensgefährlich verletzt - Im Wiener Landesgericht

      wurde gebürtigem Türken versuchter Totschlag zugestanden =

   Wien (APA) - Weil sich seine Ehefrau von ihm trennen wollte und ihm am 12. Oktober 2009 die Scheidungspapiere präsentierte, griff ein 46-jähriger Familienvater zu einem Messer und stach ihr damit über ein Dutzend Mal in Kopf, Brust und Hals. Danach attackierte er die lebensgefährlich Verletzte noch mit einem 50 Zentimeter langen Stahlrohr, ehe sich einer seiner Söhne dazwischen warf. Die Justiz billigte dem Täter nun zu, in einer "allgemein begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung" gehandelt zu haben.

   Obwohl man infolge der Stichführung und der objektivierten Verletzungen durchaus auf die Idee hätte kommen können, dem Mann wäre es - jedenfalls mit bedingtem Vorsatz - darum gegangen, seine Ehefrau zu töten, wurde er nicht wegen versuchten Mordes angeklagt. Die Staatsanwaltschaft begründete dies einerseits mit dem Umstand, dass sich die Frau im Strafverfahren der Aussage entschlagen hatte, und verwies andererseits auf die Herkunft des Mannes.

   Dieser stammt aus der Türkei, lebt allerdings seit 1980 in Österreich und besitzt auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Dennoch sei "im Zweifel davon auszugehen, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt aufgrund der heftigen Diskussion um den Scheidungsvorsatz seiner Gattin in einer allgemein begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung war. Gerade Ausländer oder Personen mit Migrationshintergrund befinden sich häufig in besonders schwierigen Lebenssituationen, die sich, auch begünstigt durch die Art ihrer Herkunft, in einem Affekt entladen kann. Obwohl Affekte von Ausländern in Sittenvorstellungen wurzeln können, die österreichischen Staatsbürgern mit längerem Aufenthalt fremd sind, können sie noch allgemein begreiflich sein", führte die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift aus.

   Der Schöffensenat (Vorsitz: Andreas Böhm) schloss sich dieser Ansicht an. Es liege "ein affektbedingter Tötungsvorsatz", aber kein versuchter Mord vor, hieß es in der Urteilsbegründung. Da die Ehefrau zu keiner Aussage bereit war, "wissen wir überhaupt nicht, was in der Wohnung vorgefallen ist", sagte der Richter. Man müsse daher den Angaben des Angeklagten folgen, für den im Hinblick auf seine Herkunft eine Scheidung eine gleichermaßen begreifliche wie heftige Gemütsbewegung auslösen könne. Das erkennende Gericht betonte, diese Entscheidung sei durch höchstrichterliche Judikatur gedeckt.

 

   Der 46-Jährige wurde folglich wegen versuchten Totschlags zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der Staatsanwalt, der für eine Strafe "im oberen Viertel" - der Strafrahmen von Totschlag beträgt maximal zehn Jahre - plädiert hatte, meldete daraufhin Strafberufung an. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Für versuchten Mord sieht die Rechtsordnung zehn bis 20 Jahre oder lebenslang vor.“

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz nachstehende

 

 

Anfrage:

  1. Wie gestaltet sich das Auswahlverfahren für Richter und Staatsanwälte?
  2. Wie oft wird ein solches Auswahlverfahren durchgeführt?
  3. Wie hoch ist die Teilnehmerzahl der jeweiligen Auswahlverfahren pro Jahr?
  4. Wird sich beim Auswahlverfahren auf Grund der zitierten Entscheidung etwas ändern?
  5. Wird es bei der Überprüfung der uneingeschränkten persönlichen Eignung auf Grund der zitierten Entscheidung zu Änderungen kommen?
  6. Wird es bei der Überprüfung der sozialen Fähigkeiten auf Grund der zitierten Entscheidung zu Änderungen kommen?
  7. Wird sich auf Grund der zitierten Entscheidung bei der Ausbildung zum Richter/Staatsanwalt etwas verändern?
  8. Wenn nein, warum nicht?
  9. Wie hoch war die Zahl der Planstellen, die in den Jahren 2009, 2008, 2007 und 2006 zu vergeben waren?
  10. Wie viele dieser Planstellen wurden besetzt?
  11. Besteht während des Aufnahmeverfahrens zum RAA die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Unterlagen des Aufnahmeverfahrens?
  12. Wenn nein, warum nicht?
  13. Besteht die Möglichkeit der Beeinspruchung der Personalauswahl?
  14. Wenn nein, warum nicht?
  15. Wird hierüber ein Bescheid erlassen?
  16. Wenn nein, warum nicht?
  17. Wie viele der letztendlich übernommenen RAA kommen aus Familien, in denen ein Elternteil als Richter oder Staatsanwalt tätig ist?
  18. Gab es bezüglich der Personalauswahl im Jahr 2009 Interventionen für einzelne Anwärter?
  19. Wenn ja, für wie viele?
  20. Wenn ja, von wem?