4996/J XXIV. GP
Eingelangt am 26.03.2010
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A N F R A G E
Der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler,
Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Abschiebung eines 3 Jährigen
Am 19. 8. 2005 heiratet die Linzerin Sandra Mainas auf der Insel Santorin einen griechischen Staatsangehörigen. Kurz darauf 22. 6. 2006 kam der gemeinsame Sohn Evangelos, österreichisch –griechischer Doppelstaatsbürger, zur Welt.
• 4. 1. 2008: Nach einem Heimaturlaub, zu Weihnachten 2007, kehrten die Mutter und Evangelos nicht mehr, wie vereinbart, nach Griechenland zurück. Die Mutter behauptete, sie sei von ihrem Mann mehrmals misshandelt worden.
• 18. 6. 2008: Die Mutter reichte beim Bezirksgericht Traun die Scheidung ein.
• 2. 7. 2008: Der Vater beantragte die Herausgabe seines Sohnes nach dem „Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte über Kindesentführung“.
• 6. 2. 2009: Das Bezirksgericht ordnete die sofortige Rückgabe von Evangelos in die Obhut des griechischen Vaters nach Santorin an.
• 24. 3. 2009: Das Landesgericht Linz als zweite Instanz revidierte den Beschluss: Evangelos darf bei der Mutter in Österreich bleiben.
• 29. 5. 2009: Die Ehe wird rechtskräftig geschieden. Beiden Eltern kommt das gemeinsame Sorgerecht zu.
• 16. 7. 2009: Der OGH ordnete die „sofortige Rückgabe“ des Kindes nach Griechenland an.
• 9. 10. 2009: Das Bezirksgericht Linz konkretisierte die OGH-Entscheidung: Erst müsse der Vater 15.300 Euro Unterhaltsschulden zahlen, erst dann müsse die Mutter mit dem Sohn nach Griechenland reisen. Diese Entscheidung wird neuerlich vom Kindesvater angefochten.
• 17. 2. 2010: Der OGH entschied neuerlich, dass Evangelos „umgehend nach Griechenland rückgeführt“ werden müsse.
Das Urteil des OGH vom 16.7.2009 in der Rechtssache Nikolaos Mainas gegen Sandra Mainas, mit welchem ein 2 ½ jähriges Kind von seiner für ihn aufopfernd sorgenden Mutter getrennt und in das Staatsgebiet von Griechenland zurückgebracht werden soll, ist für niemanden zu verstehen.
Vor dem Hintergrund dieses Sachverhaltes stellen die unterzeichnenden Abgeordneten trotzdem folgende
A N F R A G E
1.) Wie sehen Sie dieses Urteil? Finden Sie, dass die Ziele des HKÜ – Verfahrens welches das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellt – wirklich verwirklicht, wenn der Senat des OGH verfügt, das Kind von seiner Mutter zu trennen und in das Staatsgebiet von Griechenland zu bringen?
In welche Obsorge? (das Mehrbegehren, es an seinen üblichen Aufenthaltsort zurückzubringen wurde abgewiesen?)
2.) Wie erklären Sie sich, dass in diesem heiklen Verfahren, wo es um das Wohl eines 2½ jährigen Kindes geht, nie eine Begutachtung der Konsequenzen dieser Entscheidung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen durchgeführt wurde?
3.) Kennen Sie den Bericht des UNHCR über den katastrophalen Zustand der griechischen Kinderheime und der griechischen Jugendwohlfahrt? Verstehen Sie das Urteil des OGH so, dass der 2 ½ jährige Evangelos nach Rückführung in das Staatsgebiet von Griechenland in ein derartiges Heim eingeliefert werden soll? Sind Sie der Ansicht, dass damit das angestrebte Wohl des Kindes erreicht werden wird?
4.) Wie erklären Sie sich, dass bei der momentan letzten Verhandlung am 22.3.2010 am BG Linz von der Richterin Psychiater und Helfer bereit gehalten wurden, für den Fall eines "Auszuckers" der Kindesmutter? Finden Sie derartige "Vorsorgemaßnahmen" rechtlich in Ordnung?
5.) Was werden Sie tun, um die in Österreich immer wieder auftretende zynische, weltfremde und Kinderseelen traumatisierende Rechtsprechung, die meilenweit von der Wahrung des Kindeswohles entfernt ist zu reformieren?
6.) Wie viele HKÜ – Verfahren waren in den Jahren 2005 – 2009 in Österreich anhängig?
7.) Wie lange war die jeweilige Verfahrensdauer jedes einzelnen Verfahrens, wenn nach EU – Verordnung 2201/2003 Art.11 Abs.3 das Verfahren in der ersten Instanz nur 6 Wochen, ausgenommen besondere Umstände, dauern darf?
8.) Können Sie sicher sein, daß das Kindeswohl nachhaltig nicht geschädigt werden soll, wenn das Kind in Österreich plötzlich von der Mutter und aus seinem gesamten sozialen Umfeld herausgerissen wird, mehrere Wochen lang in einer Krisenpflegefamilie untergebracht wird, dann nach Griechenland abgeschoben wird, dort weitere Wochen und Monate fremd untergebracht wird und der griechischen Sprache nicht mächtig ist?
Wenn ja, wie können Sie das begründen?