5604/J XXIV. GP

Eingelangt am 01.06.2010
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin  für Unterricht, Kunst und Kultur

 

betreffend Rauchen an Schulen

 

Weltweit sterben nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich über vier Millionen Menschen vorzeitig an den Folgen tabakbedingter Krankheiten, das ist mehr als die Hälfte aller regelmäßigen RaucherInnen. Die Hälfte dieser tabakbedingten Todesfälle ereignet sich bereits im mittleren Lebensalter zwischen 35 und 69 Jahren. Nur 58 Prozent der RaucherInnen erreichen das siebzigste und sogar nur 26 Prozent das achtzigste Lebensjahr, während demgegenüber 81 Prozent der NichtraucherInnen 70 Jahre und 59 Prozent 80 Jahre alt werden.[1]

 

Schätzungen zufolge wird sich die Zahl an Todesfällen innerhalb der nächsten Jahrzehnte auf rund 10 Millionen pro Jahr erhöhen, wenn gegen diese Entwicklung nichts unternommen wird.

 

Der Anteil der RaucherInnen in der österreichischen Bevölkerung liegt zwischen besorgniserregenden 40% und 50%, davon sterben schätzungsweise 12.000 bis 14.000 Menschen pro Jahr an den Folgen. Angesichts dieser enormen Bedrohung ist politisches Handeln auf verschiedenen Ebenen, vor allem aber auch in der Prävention, dringend erforderlich.[2]

 

Studien des Fonds Gesundes Österreich belegen, dass die Zeit bis zum 18. Lebensjahr entscheidend für spätere Rauchgewohnheiten als Erwachsene ist. Zwei Drittel aller RaucherInnen haben als Jugendliche unregelmäßig geraucht und zwischen dem 17. und 18. Lebensjahr eine feste Gewohnheit daraus gemacht. Wer bis 18 noch nicht geraucht hat, fängt später kaum noch damit an. 40% jener Jugendlichen, die in relativ jungen Jahren die vergleichsweise geringe Menge von drei Zigaretten am Tag rauchen, entwickeln sich in späteren Jahren zu regelmäßigen RaucherInnen[3].

 

Die Ergebnisse einer europäischen Untersuchung aus 2001, in der ca. 11.000 SchülerInnen im Alter von 15 Jahren aus acht Ländern (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Norwegen, Österreich, Schottland, Wales) befragt wurden, belegen, dass Jugendliche mehr als in anderen öffentlichen Räumen, auch mehr als zu Hause oder bei den Freunden, während der Schulzeit auf oder in der Nähe des Schulgeländes rauchen. Offenbar ist der Schulhof einer der zentralen Orte, wo Jugendliche Erfahrungen mit Zigaretten sammeln und der Zigarettenkonsum schließlich zur alltäglichen Gewohnheit wird: Rund 30 Prozent der Jugendlichen rauchen jeden Tag im Rahmen der Schulzeit, obwohl die Schule eigentlich Vorbildwirkung vermitteln sollte. Für die erste Zigarette braucht es meist keinen spektakulären Anlass. Die erste Zigarette schmeckt vermutlich niemandem, erst in einer weiteren Experimentierphase wird weiter und regelmäßiger geraucht, was zu Nikotinabhängigkeit führt.

 

Bekannte Konzepte für die Motive der Aufnahme des Rauchens bei Jugendlichen, neben der „Vorbildwirkung“, sind:

 

• Mangelnde Selbstsicherheit (Identitätsentwicklung)

– „Rauchen gibt ein Gefühl von Erwachsenheit und Sicherheit“

• Mediale Verführung, Werbung

– „Rauchen sieht einfach cool aus und gehört dazu“

• Gruppendruck

– „Rauchen ist Teil einer (rebellischen) Jugendkultur und stiftet Gruppenidentität; wer dazugehören will, muss rauchen“

• Problembewältigung

– „Die psychoaktiven Wirkungen des Nikotins helfen, Stress abzubauen“

• Schönheitsideal Schlankheit (abnehmen, Diät)[4]

 

Alarmierend sind auch die aktuellen Zahlen, die im Ende 2009 von ExpertInnen und ÄrztInnen präsentiert wurden: Nirgendwo in Europa rauchen die 15-Jährigen soviel wie in Österreich. Jede(r) vierte 15-Jährige in Österreich raucht, das Einstiegsalter ist auf elf Jahre gesunken, die Zahl der Jungendlichen zwischen 11 und 17 Jahren, die täglich rauchen, beträgt 146.000. Mediziner kritisieren, dass Zigaretten in Österreich leichter erhältlich seien als Lebensmittel, ein Beitrag im ORF-Report vom 10.11.2009 hat gezeigt, wie problemlos 14-Jährige in heimischen Trafiken Zigaretten kaufen können, obwohl der Verkauf an Jugendliche unter 16 Jahren gesetzlich verboten ist.

 

Das österreichische Tabakgesetz schützt seit 1995 vor „unfreiwilliger Tabakexposition“, insbesondere im geschlossenen öffentlichen Raum sowie in Räumen mit bestimmter Zweckwidmung (Unterrichts-, Fortbildungs- und Verhandlungszwecke, schulsportliche Betätigung). Mit der Tabakgesetznovelle 2004 herrscht seit 1.1. 2005 in "geschlossenen öffentlichen Orten" ein generelles Rauchverbot.

 

Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (BMBWK) hatte 2004 die Entwicklung eines Leitfadens "Die rauchfreie Schule. Demokratisch gegen das Rauchen" beauftragt, der Schulen dabei unterstützen sollte, in einem demokratischen Prozess auf eine effektive und zugleich sozial verträgliche Weise Regeln gegen das Rauchen zu entwickeln. Das Pilotprojekt fand im Schuljahr 2004/05 statt. Der Abschlussbericht[5] wurde im Mai 2005 gelegt. Die Einführung der Tabakgesetznovelle, die mit Januar 2005 in Kraft getreten ist, hat sich mit dem Zeitrahmen des Projektes überschnitten.

 

 

 

 

Auszug aus den rechtlichen Grundlagen[6]:

 

·         Gemäß Tabakgesetz gilt für Schüler, Lehrer und sonstige Begleitpersonen ein ausnahmsloses Rauchverbot für jede Art von Räumen, in denen Unterrichts- und Fortbildungsveranstaltungen oder schulsportliche Aktivitäten stattfinden.

·         Darüber hinaus legt die Schulordnung für Schüler ein prinzipielles schulrechtliches Rauchverbot während des Unterrichts sowie bei Schulveranstaltungen und schulbezogenen Veranstaltungen fest. Dieses schulrechtlich verordnete Rauchverbot gilt auch, wenn der Unterricht oder die Veranstaltung im Freien abgehalten wird.

·         Für Schulen, die ausschließlich von Erwachsenen besucht werden, ermöglicht das Tabakgesetz als Ausnahmebestimmung die Einrichtung von „Raucherräumen", sofern aus diesen der Tabakrauch nicht in andere Räume dringen kann und kein Nichtraucher diese Räume auch nur kurz benützen oder betreten muss. Ob von dieser Ausnahmeregelung bei Schulen für Erwachsene Gebrauch gemacht wird, liegt im Ermessen des Schulerhalters bzw. der Schulbehörde.

·         Das Rauchverbot des Tabakgesetzes bezieht sich auf das gesamte Schulgebäude inklusive aller Nebenräume. Außerhalb des Gebäudes (im Freien) ist das Tabakgesetz nicht anwendbar. Für Schüler gilt jedoch gemäß Schulordnung das Rauchverbot für die gesamte Schulliegenschaft und damit auch für alle Freiflächen (Schulhof, Sportanlagen, Parkplätze, Bereich vor der Schule).

·         Für AHS, BMHS und Berufsschulen kann dieses durch die Schulordnung normierte Rauchverbot auf der gesamten Liegenschaft durch eine Sonderbestimmung in der Hausordnung, die der Schulgemeinschaftsausschuss (SGA) beschließen kann, für bestimmte Freiflächen zurückgenommen werden. Sofern jugendgesetzliche Vorschriften oder das Tabakgesetz nichts anderes festlegen, kann der SGA in der Hausordnung bestimmte, klar definierte Flächen im Freien für das Rauchen der Schüler vorsehen. Für das Schulgebäude ist aber keinerlei Ausnahmegenehmigung möglich.


·         Das Verbot des Rauchens auf der gesamten Schulliegenschaft außer auf den vom SGA dafür genehmigten Stellen im Freien gilt nur für Schüler. Lehrer werden von dieser Regelung nicht erfasst, das heißt, sie können im Freien rauchen, sofern dies nicht durch einschränkende Bestimmungen in der Hausordnung einer Schule ausdrücklich untersagt wird.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1)        An wie vielen Bundesschulen ist durch Beschlüsse der
Schulgemeinschaftsausschüsse (SGAs) das Rauchen in Schulhöfen erlaubt? Bitte
um Aufschlüsselung nach Schultypen und Bundesländern.


2)        Wie kann dabei sicher gestellt werden, dass SchülerInnen, die das 16.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht rauchen? Wer
beaufsichtigt/kontrolliert die SchülerInnen in ihrem Rauchverhalten?


3)        Warum gelten an den Berufsschulen andere Regelungen als etwa an
Berufsbildenden höheren Schulen oder Oberstufenrealgymnasien?

 

4)        Halten Sie es für gesetzlich gedeckt, dass Schulgemeinschaftsausschüsse
die gesetzlichen Regelungen zum Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden
ausheben können?

 

5)        Verschiedene Studien belegen, dass das Rauchverhalten im Jugendalter
festgelegt wird. Wie begründen Sie sich, dass das generelle Rauchverbot an
Schulen dadurch wieder „aufgeweicht“ wird?


6)        Gibt es Hausordnungen (Verhaltensvereinbarungen) in denen Konsequenzen
bei Nicht-Einhaltung des Rauchverbotes angedroht werden? Wenn ja, welche
Konsequenzen und wer (SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen) ist davon
betroffen?


7)        Werden Sie dem Nationalrat eine Gesetzesänderung per Regierungsvorlage
vorlegen, durch die Ausnahmen vom Rauchverbot auf Schularealen von
Bundesschulen verhindert? Wenn ja, bis wann? Wenn nein, warum nicht?
8)        Wie ist das Rauchen an Pflichtschulen geregelt? Welche Ausnahmeregelungen gelten dort für LehrerInnen und Eltern?




9)        Welche Projekte zur Rauchprävention werden derzeit an österreichischen
Schulen durchgeführt? Wie viel Budget steht für Präventionsmaßnahmen seitens
ihres Ressorts zur Verfügung? Wie viele SchülerInnen werden jährlich mit
diesen Maßnahmen erreicht?


10)        Welche Kooperationen ihres Ressorts gibt es mit dem Bundesministerium
für Gesundheit hinsichtlich Präventionsmaßnahmen gegen das Rauchen an
Schulen / im Jugendalter?


11) Eine Pilotprojekt vom damaligen bmbwk im WS 2004/2005 wurde als
partizipativer Prozess mit freiwilligen Schulen durchgeführt, der Endbericht wurde
geliefert. Welche konkreten Maßnahmen wurden zu Umsetzung der Erkenntnisse
des Berichts gesetzt?



[1] http://www.tabakkontrolle.de/pdf/FzR_Gesundheitsschaeden.pdf, 12.02.2008

[2] http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/standard.html?channel=CH0756&doc=CMS1157719354616, 12.02.2008

[3] Ich brauch´s nicht – ich rauch nicht, FGÖ, 2005, http://www.fgoe.org/projektfoerderung/gefoerderte-projekte/FgoeProject_227681/1052530

[4] W. Dür (2003): Raucherkarrieren. Wie Jugendliche zu Raucher/innen werden.

[5]  „Die rauchfreie Schule - gemeinsam gegen das Rauchen. Leitfaden für ein Projekt an österreichischen Schulen“ für das BMBWK und das BMGF, erstellt von der Österreichischen Gesellschaft für Medizin- und Gesundheitssoziologie (ÖGMGS)

[6] Rechtsgrundlage: Tabakgesetz 12/1 und 3,13/2 und 3,13a; Schulunterrichtsgesetz(SchUG)44/1;Schulordnungs-Verordnung9/2; Rundschreiben BMB 3/2006 (= Erlass BMB ZI. 21.070/0001-111/11/2006 vom 24. Jänner 2006: „Nichtraucherschutz an Schulen").