59/J XXIV. GP

Eingelangt am 06.11.2008
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend „Bestens informiert. Die Post bringt allen was“ - auch denen, die das gar nicht wollen

 

 

Nach einer ähnlichen derartigen Kampagne 2006/07 versucht die Österreichische Post AG in den letzten Wochen erneut, Haushalte, die auf unadressierte Werbung verzichten und entsprechende Aufkleber an ihren Briefkästen angebracht haben, umzustimmen. Dazu wird origineller Weise ein nicht namentlich adressierter Werbefolder zugesandt, was auf besonderes Unverständnis und Unmut vieler EmpfängerInnen stößt.

 

Die seit einigen Jahren bestehende Möglichkeit, sich vor der Flut an nicht persönlich adressiertem Werbematerial zu schützen, die Briefkästen bzw. Hausbrieffächer verstopft und den Müllberg signifikant vergrößert, wird von einer großen Zahl an Haushalten genutzt. Dazu muss ein Kleber „Bitte kein Reklamematerial“ angebracht werden. Dass sich die Post durch die zunächst einzige Möglichkeit, einen solchen Aufkleber zu ergattern – Postweg, frankiert und mit frankiertem Rückkuvert – ein ansehnliches Körberlgeld verschaffte, sei nur am Rande erwähnt, passt aber bestens in die generelle Optik, dass andere Interessen als die der Postempfänger bei der Post AG Vorrang haben.

 

Nach einer Rechtsansicht des Justizministeriums aus 2004 muss (!) auch aus rechtlicher Sicht respektiert werden, wenn der Wohnungsbesitzer die Verteilung des Werbematerials ausdrücklich verbietet, wenn dieses Verbot entsprechend deutlich gemacht wird. "Dies kann etwa durch einen Aufkleber an der Wohnungstüre, aber auch durch andere, ausreichend wahrnehmbare Hinweise, zum Beispiel sichtbare Hinweistafeln oder aushängende Unterschriftenlisten geschehen. Jede weitere Zustellung von Werbematerial wäre dann sehr wohl als Besitzstörung anzusehen", lautete die Rechtsauskunft wörtlich.

 

Wie schon Ende 2006 finden diejenigen Haushalte, die sich mit einem solchen Kleber vor unerwünschter Werbung schützen wollen, nun einmal mehr nicht namentlich adressierte Werbung von der Post AG in ihren Briefkästen. In einem aufwendigen Folder wird mittels Angstmache aufgrund der derzeitigen Wirtschaftssituation den KundInnen nahegelegt, Sparmöglichkeiten durch Werbeprospekte zu lukrieren, und dazu statt des Werbe-Verzichts-Klebers einen beiliegenden Kleber „Bestens informiert“ am Briefkasten anzubringen, weiters werden Gutscheine in ansehnlicher Höhe und ein Gewinnspiel versprochen.

 

Die letzte derartige Kampagne der Post 2006/07 war sehr ähnlich strukturiert – allerdings mussten damals die Arbeitsplätze der Werbebranche als Schlechtes-Gewissen-Auslöser herhalten, die nun in dieser Funktion von Konjunkturproblemen und Kostensteigerungen abgelöst wurden. Von der Post AG wird hier versucht, mit einer fragwürdigen Kampagne auf dem Rücken von KonsumentInnen und Umwelt Kapital aus der allgemeinen Krisenstimmung und den Konjunktursorgen zu schlagen. 2006/07 wurde seitens des Unternehmens (Leitung Post-Marketingabteilung) diese Aktion für den Verzicht auf den Werbeverzichts-Aufkleber damit begründet, dass es in letzter Zeit vermehrt Anfragen zum Thema "Werbeverzicht" und "neue Postfächer" gegeben habe. Und: "Wir haben auch eine große Studie gemacht und haben festgestellt, dass nicht alle, die einen Werbeverzichtskleber oder ein rotes Schild auf ihrem Postfach haben, wirklich keine Werbung haben möchten."

 

Letzteres mutet reichlich konstruiert an, schließlich ist der Weg zum Werbeverzichts-Aufkleber wie erwähnt mit Aufwand und Kosten verbunden, eine unwillkürliche oder gar irrtümliche Beschaffung dieses Klebers ist kaum denkbar. Auch die übrige Argumentation ist fragwürdig – mindestens soviel wie Haushalte sich evtl. durch noch bessere Information über Sonderangebote dort und da ersparen können, wird dafür für andere durch Werbung erst geweckte Bedürfnisse ausgegeben, von den – monetären wie ökologischen – Mehrkosten für den meist weiteren, oft motorisiert zurückgelegten Weg zum Sonderangebot einmal ganz abgesehen.

 

Die jüngste Post-Kampagne sorgt erneut für großen Unmut – zurecht:

·        Wer keine Werbung zugestellt bekommen will, will auch keine solche der Post AG, hat sich bewußt für diesen Verzicht entschieden und will daher im Regelfall auch nicht zum Gegenteil überredet werden.

·        Besonders originell ist der Versuch, im Zuge der „offiziell“ daherkommenden Kampagne Adressen für Werbemittelverteiler zu keilen: Der vierseitige postgelbe Folder wirkt wie eine offizielle Postinformation und ist adressiert "an den Bewohner" der jeweiligen Adresse. Trägt man – was Voraussetzung für die Verlosungs-Teilnahme ist - auf der Antwortkarte den Namen ein und unterschreibt, erklärt man im Kleingedruckten zugleich sein Einverständnis, dass die eigenen Adressendaten für Marketingzwecke an Dritte weitergegeben werden dürfen. Das Argument, warum man seinen Namen hinschreiben soll: Um persönlich adressierte Flugblätter zu erhalten! Nur: Was so beschriftet ist, wird ohnehin zugestellt! Dieser „Schmäh“ hat nur den Zweck, dass die Werbemittelverteiler ihr Adressenverzeichnis auf den neuesten Stand bringen können – ihr Fachverband unterstützt die Post-Kampagne.

·        Weiters empfinden offenkundig viele Betroffene - mündige KonsumentInnen, die für Werbemittelverzicht entschieden haben – die in der Kampagne der Post AG mitverpackte Unterstellung, sie hätten quasi Desinteresse an Information, würden der österreichischen Wirtschaft schaden und wären mehr oder weniger „zu dumm zum Sparen“, in besonderem Maß als Zumutung.


·        Die Werbeflut in den Briefkästen stellt auch eine Belastung für Umwelt und Klima dar – viele Ressourcen bis hin zu vermeidbaren Treibstoffkosten bei der Grob- und Feinzustellung werden dafür verschwendet, dass die zugestellten Papierberge dann umgehend im Müll landen, selbst Recycling um der höheren Recyclingquote willen ist weder für Umwelt noch Volkswirtschaft ein nachhaltiger Mehrwert. Schließlich schlagen unnötige Abfallmengen über höhere Gebühren wieder auf die KonsumentInnen zurück, die doch angeblich etwas sparen sollten.

·        Schließlich ist auch die Kosten-Nutzen-Bilanz für das Unternehmen, das immerhin im Mitbesitz der Republik im Wege der ÖIAG steht, höchst fraglich. Imageschaden, öffentliche Kritik und großer Aufwand steht den eventuell gewonnenen „WerbekundInnen“ gegenüber. Wenn die Post AG zugleich vorweg versucht, Befürchtungen wegen einer Werbeflut abzuwiegeln, stellt sich diese Frage (und die Frage der Glaubwürdigkeit) erst recht: Wenn nicht die Zustellung zusätzlicher Auflagen, an der die Post verdienen würde, das Ziel ist, wozu dann das ganze? Das Post-Management verschwendet hier Geld für fragwürdige Aktionen, strapaziert zugleich aber ständig Kostendruck etc. als Vorwand für Service-Verschlechterungen, Stillegung von Postämtern, Demontage von Postkästen, Arbeitsplatzreduktion. Zuletzt wurde dieses Kosten-„Argument“ auch noch als Drohkeule ausgepackt, um die geplante Verteuerung des Post-Angebots in ländlichen Regionen im Zuge der Post-Liberalisierung zu rechtfertigen.

 

Umsomehr ist die Politik hier auf einer breiten Front von Postmarkt- über Konsumentenschutz- und Umweltpolitik bis zur Eigentümerrolle im Sinne einer klaren Positionierung gefordert.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

  1. Wie stehen Sie aus Eigentümersicht zur jüngsten Kampagne der Post AG „Bestens informiert“, die auf den „Verzicht auf den Werbeverzicht“ zielt?

 

  1. Halten Sie es – auch im Lichte der in der Begründung zitierten Rechtsansicht aus dem Justizministerium aus 2004 - für a) rechtlich korrekt, b) sachlich sinnvoll, wenn Postempfänger, die bewußt auf nichtadressierte Werbung verzichtet haben, mit einer nicht namentlich adressierten Werbung belästigt werden, die das Gegenteil erreichen will?

 

  1. Können Sie die im Rahmen einschlägiger Kampagnen der Post AG angesprochene „Entwarnung“ hinsichtlich einer Werbeflut nachvollziehen, wenn doch zugleich das einzige vorstellbare betriebswirtschaftliche Ziel der Kampagne eben dies – ein Mehr an zugestellter Werbung – sein kann?

 

  1. Halten Sie es für angemessen, dass von einem mehrheitlich staatlichen Unternehmen in Ihrem Verantwortungsbereich wie der Post AG im Rahmen dieser recht „offiziell“ daherkommenden Kampagne Adressen für Werbemittelverteiler gekeilt werden?

 

  1. Halten Sie eine derart kontroversielle Kampagne mit fragwürdiger Imagebilanz für zielführend, wenn das Image der Post doch zugleich wegen der angekündigten Verteuerungen auf dem Land und wegen extremer, auch für die Kunden nachteiliger Personalverknappung ohnedies beeinträchtigt ist? Dies umsomehr, wenn zugleich öffentlich von „robuster operativer Entwicklung“, hohen Netto-Cash-Positionen und saftigen Dividendenrenditen bei der Post AG die Rede ist, also offenbar gar kein Einnahmenproblem besteht?

 

  1. Halten Sie es für vertretbar, wenn von einem Unternehmen im teilweisen staatlichen Eigentum – in Ihrem unmittelbaren Zuständigkeitsbereich - mündige KonsumentInnen mit der Bezugnahme auf die derzeitige Konjunktur-, Krisen- und Kostenbelastungssituation zu einer Enscheidung verleitet werden (sollen), deren Kostenvorteile für die KonsumentInnen/Haushalte unter dem Strich keineswegs erwiesen sind?

 

  1. Sind Ihnen die Belastungen der österreichischen KonsumentInnen und Haushalte durch Gebühren für die Entsorgung und Wiederverwertung von Abfall bewußt, und wie bewerten Sie die Post-Kampagne vor diesem Hintergrund?

 

  1. Sind Ihnen die Belastungen von Umwelt und Klima durch vermeidbaren Energie-, Ressourcen- und Transportaufwand bei Herstellung, Zustellung und Entsorgung von Werbeschriften bekannt, und wie bewerten Sie die Post-Kampagne vor diesem Hintergrund?

 

  1. Welche Schritte a) haben Sie bereits, b) werden Sie bis wann setzen – direkt, oder zB im Wege der ÖIAG -, um der Kritik zahlreicher Konsumentinnen und Konsumenten entsprechend derartige Kampagnen zu unterbinden?

 

  1. Wie stehen Sie dazu, einen von den Inverkehrsetzern zu bezahlenden Entsorgungsbeitrag für nicht namentlich adressierte Werbung einzuheben, um die BürgerInnen von Folgekosten des „Abfallbergs“ zu entlasten?